Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten
Politischer Bezirk St. Veit an der Glan
133 |
Gurk, Pfk. u. ehem. Domkirche Mariae Himmelfahrt |
1458 |
Fastentuch des Gurker Domes, während der 40 Tage der österlichen Fastenzeit (vom Aschermittwoch bis zum Gründonnerstag) vor dem Hochaltar aufgehängt, wird zwischenzeitlich in der Dreifaltigkeitskapelle (Propsteikapelle) im Propsthof verwahrt. Es ist das älteste erhaltene und größte Fastentuch in Kärnten. Es besteht aus zehn Leinwandbahnen, geteilt in je zwei Bildstreifen (1–10) mit insgesamt 98 quadratischen Bildern und einem letzten rechteckigen Bildfeld, bestehend aus zwei quadratischen Feldern: Die linke Seite enthält 50 Bilder aus dem AT (I), die rechte 49 Bilder aus dem NT (II). Das Fastentuch enthält in 52 Bildfeldern insgesamt 58 Iss., teilweise auf der unteren Rahmung bzw. den Begrenzungslinien zwischen den einzelnen Bildern, teilweise auch im Bildfeld selbst. Die Iss. sind großteils in deutscher Sprache abgefasst, d.h. alle Beschriftungen des AT sind in deutscher Sprache gehalten, beim NT sind fünf lateinische Iss., sechs deutsche und zwei Namens-Iss. Nachfolgende Felder sind beschriftet1): I/2/6: Opfer des Kain und Abel, Tod des Abel (Ia); I/2/7: die Entrückung Ennochs (Ib); I/2/8: die Sintflut mit der Arche Noahs (Ic); I/2/9: die Trunkenheit Noahs (Id); I/2/10: der Bau des Turms zu Babylon (Ie); I/3/11: der Untergang von Sodom (If ); I/3/15: der Verkauf Josephs nach Ägypten (Ig); I/4/16: Jakobs Ankunft in Ägypten (Ih); I/4/17: die Ertränkung der Judenknaben und die Auffindung des Moses (Ii); I/4/18: der brennende Dornbusch (Ij); I/4/19: die Tötung der Erstgeburt (Ik); I/4/20: das Essen des Osterlammes, Auszug der Israeliten (Il); I/5/21: der Zug durch das Rote Meer und der Untergang des Pharao (Im); I/5/22: der Mannaregen, Gesetzgebung an Moses (In,o); I/5/23: die eherne Schlange (Ip); I/5/24: die zwölf Stäbe im heiligen Zelt (Iq); I/5/25: die Verspottung Jobs (Ir); I/6/26: der Traum des Jesse (Is); I/6/27: die Tötung der Ammoriterkönige durch Josua und die stillstehende Sonne (It); I/6/28: das Fell Gideons (Iu); I/6/29: die Tötung der Philister durch Samson (Iv); I/6/30: die Salbung Sauls durch Samuel (Iw); I/7/31: Zweikampf und Tötung des Goliath durch David (Ix); I/7/32: die Pest in Israel, der Tod des Absolon (Iy,z); I/7/33: das Urteil Salomos (Iaa); I/7/34: der Tempelbau Salomos (Ibb); I/7/35: die Eroberung Jerusalems durch Nabochodonossor (Icc); I/8/36: die Himmelfahrt des Elias (Idd); I/8/37: das Martyrium des Jesaias (Iee,ff ); I/8/38: die Steinigung des Jeremias (Igg); I/8/39: der Feuertod Ezechiels (Ihh); I/8/40: die Löwengrube Daniels (Iii); I/9/41: das Martyrium des Jonas (Ijj); I/9/42: Judith mit dem Haupt des Holofernes (Ikk); I/9/43: Ester vor dem König, Haman am Galgen (Ill); I/9/44: Wiederaufbau Jerusalems (Imm); I/9/45: die Huldigung Alexanders des Großen vor dem Hohepriester (Inn); I/10/46: der Sieg des Judas Makkabaeus (Ioo); I/10/47: der Tod des Julius Caesar (Ipp); I/10/48: die Sibylle von Tibur und Augustus (Iqq-ss); I/10/49: die Geburt Marias (Itt); I/10/50: die Opferung Mariens (Iuu); II/1/512): Verkündigung (IIa); II71/52: Heimsuchung (IIb); II/1/54: die Beschneidung Christi (IIc); II/3/61: das Fasten Jesu in der Wüste (IId); II/3/65: die Reinigung der zehn Aussätzigen (IIe); II/4/67: das Wunder am Schafteich (IIf ); II/4/68: die Verklärung (IIg-i); II/5/71: die Berufung des Zachäus (IIj); II/5/73: Jesus am Brunnen Jakobs, Jesus treibt einem Weib den Teufel aus (IIk); II/8/87: die Darstellung vor dem Volk (IIl,m). Am unteren Rand der Bildbahn des NT berichtet eine teilweise schon stark verschliffene Is. (III) über die Stiftung, über Zeit und Ort der Entstehung.
H. 960 cm, B. 880 cm, Bu. Bildfeld ± 4,5 (6), Rahmenleisten ± 4 cm (6) cm. – Gotische Minuskel mit Versal(ien) in Gotischer Majuskel.
Ergänzungen nach Schnerich, Gemälde-Cyklen 1893 (MCK), 211–128, Ders., Gemälde-Cyklen 1894 (MCK), 8–16 und Rainer O., Dom zu Gurk 7–32.
Textedition
I. linke Seite
Ia. (Bild 2/6)
: das opher kae(m) abell : kaem erslug kae(m) abll
Ib. (Bild 2/7)
: [enoch] : [bar]dt : in das [:] paradis : gefurtt :
Ic. (Bild 2/8)
: diee : archen : noy :
Id. (Bild 2/9)
: noy : lag : verschamter : pochk : an : weinstochk :
Ie. (Bild 2/10)
: das : paw : babolony :
If. (Bild 3/11)
: dye : verprenung : sodome : sara : / : ein : stain :
Ig. (Bild 3/15)
Joseph : wad : verchauft : vnd : gefurt : / : Jn egypten :
Ih. (Bild 4/16)
[ Joseph : wa]s : [ein her : in egipten : sein : vater : mit] : den : brud(e)rn : [kam]
: zu : im :
Ii. (Bild 4/17)
: dye : tochter : pharonis : hies : auff : vachen : / : Moyses : in der : reuschen :
Ij. (Bild 4/18)
[M]oy[se]s : [sach] : prinen : den : pu[s]ch [: vnd : den] : [heren] : darinen :
Ik. (Bild 4/19)
: [der] : [sterben] : vnd : [zai]chen : Jn [egipten] :
Il. (Bild 4/20)
das : essen : des : la(m)ps : vnd : au[sgang : der : chinder : von isr(ae)l :]
Im. (Bild 5/21)
dye : e[rtrenc]hnis : des : wagens : auff : dem : raeten : mer :
In. (Bild 5/22)
: das : himelbrot : in der : wust : moyses : mit : den : tafeln :
Io. (Bild 5/22)
gel/ab / in / ai/nen / gott / nic[ht]
Ip. (Bild 5/23)
dy : auff : gehengte : slang : von : moysi : czwischen : / : lebentig : und : tot :
Iq. (Bild 5/24)
dy : xii : rueten : vmb : arons : bristerschaft :
Ir. (Bild 5/25)
: hie : leit : job : auff : dem : mist: / sein : beib : pei : im :
Is. (Bild 6/26)
Jesse : sach : in dem : slaff : dy : / frucht . des : pawmes :
It. (Bild 6/27)
[Yosue · mac]ht · vm · den · chinig[g] ·
Iu. (Bild 6/28)
[Gide]on · sach · ein · [vell] · nas ·
Iv. (Bild 6/29)
[S]amsan : erslug : dy : philistern : mit : [de]r : eselchewzin : tod :
Iw. (Bild 6/30)
[Sa]muell · macht · an · ersten · chinig · in · israhell ·
Ix. (Bild 7/31)
[....... : erslug d]er : chlain : dauit : den : grossen : golias : da : pey : saull :
Iy. (Bild 7/32)
: dauit : sach : den : czorn[igen : eng]ell :
Iz. (Bild 7/32)
Absolon : hieng : / am pawma) :
Iaa. (Bild 7/33)
Salomon · sprach · das · urtaill · zbissen · [bede · v..........]
Ibb. (Bild 7/34)
salomon · pautt · den · tempell ·
Icc. (Bild 7/35)
· nabochodon(o)sor · prach · die · sta(t) · und · ving · [die · iuden ·]
Idd. (Bild 8/36)
[eli]as : fur : in : einem : fewerig : wagen : in : das : [paras]dis :
Iee. (Bild 8/37)
ysayas
Iff. (Bild 8/37)
: Ysaias : wardt : von : ein : / : Ander : gesagtt :
Igg. (Bild 8/38)
: Jerimiasb): bardt : verstaini(gt)c):
Ihh. (Bild 8/39)
: Esechiell : bardtt : verbrant :
Iii. (Bild 8/40)
abacuk : speisat : daniell : in derd): leo : grub :
Ijj. (Bild 9/41)
[ Jonas : bardt : geborffen : aus : dem : schif ]f : der : vi[sch : in : auff :]
Ikk: (Bild 9/42)
Judit · slug · oliverns · das · / · haubt · ab ·
Ill. (Bild 9/43)
hester · patt · [asbern · homo · an dem · holz · gehangen ·]
Imm. (Bild 9/44)
[die · wider] · pauung · ierus(a)leme) ·
Inn. (Bild 9/45)
· der · gross · alexander · p[etat] · den · b[ri]s[ter] · an ·
Ioo. (Bild 10/46)
[Iudas ·] machabeus · erslug · dy · chun(i)gee) ·
Ipp. (Bild 10/47)
Julius · der · chheyser · zu · rom · bard · erslagen · in · sein · pal[ast ·]
Iqq. (Bild 10/48)
· m · a · r · i · a ·
Irr. (Bild 10/48)
Octauianus · sach · maria · und · ie(s)u(m)f) ·
Iss. (Bild 10/48)
Sabilla · sach · maria · in · der · sun ·
Itt. (Bild 10/49)
· hie · bardt · unser · fruw · geboren ·
Iuu. (Bild 10/50)
· do · bart · unser · fraw · in · den · tempell · geophert ·
II. rechte Seite
IIa. (Bild 1/51)
Aue · gracia · plena · dominus
IIb. (Bild 1/52)
Maria · ging · uiber · / das · gepirg · elisabet ·
IIc. (Bild 1/54)
die · besneidung · ie(su)sg) ·
IId. (Bild 3/61)
vnser : herr : vastet : / in der : wust
IIe. (Bild 3/65)
[Da :] vnser : Herr : die : zehen : ausseczige : raynigt :
IIf. (Bild 4/67)
probatica : piscina :
IIg. (Bild 4/68)
T[ran]sf[iguraci]o : d[omini]
IIh. (Bild 4/68)
moyses
IIi. (Bild 4/68)
helyas
IIj. (Bild 5/71)
Do : vnser : herr : zache=/um : becheret :
IIk. (Bild 5/73)
unser : herr : bey : de(m) : prun : / mit : der : heydenynn :
IIl. (Bild 8/87)
Ecce : homo
IIm. (Bild 8/87)
Crucifige : eum
III.
[Hoc · velum · co(m)paratum · est ·] per [· Venerabile]m · p(at)r[(e)m d(omi)n(u)m
Jo[annem Hindercircher p(rae)positum et archidiaconu(m) · Ecclesie ·
Gurcen(sis) · depictumq(ue) ·] per · pro[vidu(m) virum] · M(a)g(ist)r(u)m ·
Conradu(m) [· cive]m · Frisacen(sem): · Anno · d(omi)ni · Millesimo ·
Quadringentesimo · Qui(n)quagesimo [octavo · Ipso die · Sancti · Am]brosij ·
Episcopi · completum + Orate · pro · eo · deum:
Anmerkungen
Kommentar
A. Schnerich bezeichnete das Gurker Fastentuch als „Inkunabel der Leinwandmalerei“3) und gibt die Iss. recht genau wieder4): dabei setzt er aber manche Großbuchstaben falsch, die Kürzungen – teilweise ohne Kürzungszeichen – sind bereits aufgelöst. Die Zuweisung an einen Kärntner Künstler untermauert er mit „dialektgefärbten“5) deutschen Iss. Er gibt auch als erster eine schriftkundliche Analyse der Bu.: „Die Schäfte der Buchstaben sind noch stärker als die der Vorhalle gebrochen, I- und U-Striche kommen regelmäßig als mit der Rundung nach abwärts gekehrte kleine Halbkreise vor. Die Anfangsbuchstaben sind nicht mehr roth, und auch sehr unregelmäßig gebildet. ... Die Trennung der Worte ist größtentheils durch zwei Punkte hergestellt, welche auf der älteren Hälfte (Anm.: im AT) durch Schnörkeln versehene Punkte sind ....“6). Eine gut brauchbare Textwiedergabe bieten auch Ginhart-Grimschitz7), wobei hier die Kürzungen beibehalten werden.
Die Iss. sind stellenweise schon sehr stark verschliffen und schwer lesbar, an anderen Stellen scheinen sie mit frischer Farbe aufgehellt bzw. lassen sich farbige Überarbeitungen feststellen. Als Vorlage ist bei diesem Gemäldezyklus die Biblia pauperum anzusehen, die Bildfolgen des AT folgen sehr stark den biblischen Traditionen; nur bei einigen wenigen Bildfolgen sind literarische Quellen anzunehmen, vor allem wenn legendenhafte und profangeschichtliche Stoffe wie etwa bei der Marter der Propheten (I/8/37–40), bei der Huldigung Alexanders des Großen (I/9/45), bei der Darstellung des Todes von Julius Caesar (I/10/47) oder bei Sibylle von Tibur und Kaiser Augustus (I/10/48), abgebildet werden. Bei den Szenen des neuen Testamentes bildeten vielfach Holzschnitte die entsprechenden Vorlagen.
Das Fastentuch ist vom Gurker Propst und Erzdiakon Johannes III. Hinderkircher (1445–1459, vgl. Kat.-Nr. 150) „angeschafft“ bzw. „angekauft“, d.h. wohl auch in Auftrag gegeben worden, und wurde vom Meister Konrad von Friesach8), der Bürger zu Friesach war, gemalt und im Jahre 1458 fertiggestellt9). Das Fastentuch kann auf Grund seiner Größe wohl von Anfang an nur für die Gurker Domkirche bestimmt gewesen sein10).
Literatur
Friedrich Wilhelm Leitner
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Der Teich (IIf ).
Verklärung Christi (IIg).
Sehet den Menschen (IIl).
Kreuzige ihn! (IIm).
Dieses Tuch wurde von dem ehrwürdigen Pater, Herrn Johann Hinderkircher, Propst und Erzdiakon der Gurker Kirche, angeschafft und vom weisen Meister Konrad, Bürger von Friesach, gemalt. Im Jahre des Herrn 1458, genau am Tag des heiligen Bischofs Ambrosius, wurde es vollendet. Bittet Gott für ihn (III).
Lc 1,28 (IIa); Lc 1,39f. (IIb); Io 5,2 (IIf ); Io 19,5 (IIl); Io 19,15 (IIm).