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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

154 St. Veit a. d. Glan, Rathaus 1468

Spruchinschrift auf der Bronzetafel über dem Portal des Rathauses, als spätgotisches Werkstück mit Nürnberger Vorbild heute in die barocke Fassade über dem Portal eingefügt. Die hochrechteckige Gußtafel wird seitlich von Fialen begrenzt, unten durch Bögen und Zierleisten in Bild- und Schriftfelder unterteilt. Ein kielbogenförmiges, mit Krabben besetztes Maßwerk beschließt die Tafel oben. Das Mittelfeld ist geprägt von der dreizeiligen Is., die durch waagrechte Zierstreifen gegliedert wird. Unter der Is. ist ein erhabener W.- Schild eingefügt mit dem Kärntner Wappen, über der Is. findet sich der doppelköpfigen Reichsadler, seitlich mit knienden Engelsfiguren als Schildhalter, und von einer Krone überhöht. Über dem Kielbogenmaßwerk sind links auf einer Konsole der hl. Vitus als Knabe, rechts der hl. Laurentius mit dem Bratrost beigefügt. In den beiden unteren Zwickelfeldern sind ebenfalls Heilige appliziert, links der hl. Andreas, rechts der hl. Sebald mit der doppeltürmigen Kirche und dem Pilgerstab. Hier ist auch je ein W.-Schild eingefügt, auf denen allerdings Handelszeichen oder Handelsmarken festgehalten sind.

Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

Aeins mans red · ein halbe red / Man sol sy · verhoren bed · / M · cccc · lxviiia) ·

Anmerkungen
a) als Trennzeichen stehen paragraphenzeichenförmige Zierpunkte.

Paraphrase nach dem Sachsenspiegel.
Reimspruch.


Wappen: Römisches Reich (Doppeladler), Kärnten (hier seitenverkehrt).

Marke: Kares (Anhang Nr. 14a), Kaltenhauser (Anhang Nr. 14b).


Kommentar

Für die Nürnberger Provenienz der Bronzetafel sprechen mehrere Hinweise. Neben dem Stadtheiligen hl. Vitus ist auch der hl. Sebald dargestellt, der Nürnberger Stadtpatron1). Als solcher ist er ein lokaler Heiliger, der in Kärnten überhaupt nicht vorkommt. Wohl aber ist seine Verehrung im Besonderen für Nürnberg nachzuweisen. Der zweite Hinweis ist die bekannte Textstelle aus dem Sachsenspiegel, die wortgleich früher an einem Eingang des Nürnberger Rathauses vorhanden war2). Weiters werden die Stifterfamilie(n) durch die oben erwähnten Hausmarken bzw. Handelsmarken (Handelszeichen) feststellbar: Die Handelsmarke auf der rechten Seite der Tafel (Dreizack mit einem Ring) gehört der aus Nürnberg stammenden Handelsfamilie der Kaltenhauser, die linke wurde lange irrtümlich der Familie Gleismüllner zugeordnet. F. Schnelbögl hat in seiner Arbeit über diese beiden Familien nicht nur die Nürnberger Bezüge eindrucksvoll aufgezeigt3), sondern auch den Nachweis erbracht, dass nur Hans Kaltenhauser der Ältere mit diesem Handelszeichen nachweisbar ist. Er ist mit diesem Markenzeichen als Wappensiegel nicht nur in Urkunden belegt4), sondern es findet sich in St. Veit noch an anderen Stellen: so am Hauptplatz Nr. 6, wobei hier allerdings der Ring nicht mehr kenntlich ist oder aber auch gar nicht vorhanden war. Die zweite Hausmarke (Dreizack, dessen Schaft unten mit einem Balken gekreuzt wird) an diesem Portal ist identisch mit der linken auf der Gußtafel. Es wird sich dabei aller Wahrschein­lichkeit nach um das Hauszeichen der Gattin des Hans Kaltenhauser als Mitstifterin der Bronzetafel und Mitbesitzerin des Hauses Nr. 6 am Hauptplatz handeln. Weiters findet sich diese Marke des Kaltenhausers am Haus Nr. 14 am Hauptplatz, und zwar am Sockel jener gotischen Nischenarchitektur in der Gasse zur Pfarrkirche hin, in der der hl. Vitus steht; schließlich noch am Portal des Hauses Bräuhausgasse Nr. 27 (29). Über ein leider verlorengegangenes Denkmal hat schon A. v. Jaksch berichtet5), nämlich ein Steinrelief aus dem Jahre 1471 mit einer Christusdarstellung und einer Spruchinschrift. Bei den beiden Stifterpersonen fanden sich zwei Hausmarken: beim Mann ein Dreizack, der in einem Ring endet, und bei der Frau ein Dreizack, mit einem Kreuz am Ende. Damit sind die Stifter dieses verschollenen Steinreliefs vom Magdalensberg identisch mit den Stiftern der Bronzegußtafel am Rathaus zu St. Veit. Hans Kaltenhauser der Ä. war mit einer Anna Kares verheiratet, deren Familie sich in St. Veit nachweisen lässt6), von der aber kein Wappen bekannt ist. Wahrscheinlich hat die Frau des Hans Kaltenhauser in Ermangelung eines eigenen Wappens oder Hauszeichens das ihres Mannes in leicht veränderter Form verwendet und an den genannten Werkstücken anbringen lassen.

Hans Kaltenhauser d. Ä. ist 1457 erstmals in St. Veit nachweisbar, und zwar bereits in der sehr angesehenen Stellung eines Stadtrichters. Dieses Amt wurde jährlich neu vergeben und so finden wir ihn noch 1458 in dieser Funktion, im darauf folgenden Jahr nicht mehr. Auf Grund seiner besonders guten Beziehungen zu Kaiser Friedrich III. hat die Stadt St. Veit manche Vorteile erhalten. So fällt in seine erste Amtszeit als Stadtrichter 1457 die Verleihung der peinlichen Gerichtsbarkeit7), weiters die Bestätigung der Eisenhandelsprivilegien8). Er ist am 28. Dezember 1475 in Nürnberg gestorben und fand dort im Augustinerkloster seine Grablege9). Kein Angehöriger ist in St. Veit durch ein Grabdenkmal nachweisbar.

1) Schnelbögl, Nürnberger Familien 180f. – Vgl. dazu auch Allesch, Familien 1957, 382f.: Er nimmt allerdings als Stifter Hans Kaltenhauser den Jüngeren und dessen Frau Katharina an, in der er eine geborene Jurschitz annimmt. – Der immer wieder, bis in die jüngste Literatur, vorgegebene zweite Stiftername „Gleismüllner“ ist jedenfalls unzutreffend und völlig falsch.
2) Schnelbögl, Nürnberger Familien 181 (Anm. 6). – Mummenhoff, Rathaus 37. – Vgl. dazu auch J. W. Goethe in „Dichtung und Wahrheit“, wonach im Sitzungszimmer des Rates im Römer zu Frankfurt die Inschrift zu lesen war: Eines Manns Rede ist keines Manns Rede, man soll sie billig hören Beede.
3) Schnelbögl, Nürnberger Familien 179–209.
4) Ebenda 181f.
5) Jaksch, Kunstdenkmal 112f.
6) KLA, Fpk. II. Nr. 69 (1461), Nr. 108 (1472), Nr. 116 (1472).
7) Handbuch der Historischen Stätten 304f. (Walther Fresacher).
8) Allesch, Familien 382.
9) Schnelbögl, Nürnberger Familien 185. – Die Handelsmarke des Hans Kaltenhauser findet sich auch dreimal in der Kirche St. Laurentius am Lorenziberg.
Literatur

Ilg, Kunsttopographische Reisenotizen XXXVII. – Lind, Archäologische Notizen CCXI. – Grueber, Herzogsstadt 118, Taf. 67, Fig. 1. – Ginhart, Kunstdenkmäler St. Veit 40. – Allesch, Familien 1957, 382f. – Schnelbögl, Nürnberger Familien 180f. – Dehio Kärnten 2001, 846.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 154,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil1/kaernten-2-obj154.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 103: Spruchinschrift (1468)
©  Landesmuseum Kärnten (Ulrich Peter Schwarz)