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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

156 Straßburg, Stpfk. hl. Nikolaus 1470

Figurale Doppelgrabplatte aus rotgesprenkeltem Adneter Marmor der Gurker Bischöfe Johann Schallermann und Ulrich Sonn(en)berger, innen an der Nordwand des Presbyteriums (Evangelienseite). Diese Sepulkralplastik zeigt die lebensgroße Darstellung der beiden Bischöfe in Flachrelief nebeneinander, gleichsam hineingestellt in eine gotische Kielbogenarchitektur, einen zweiteiligen Kielbogenbaldachin mit Maßwerkfüllung. Die Bischöfe in vollem Pontifikalornat tragen die Mitra, die Häupter ruhen auf je einem Kissen; während Bischof Schallermann in der rechten Hand ein Buch und in der linken das Pedum hält, umfaßt Bischof Sonn(en)berger das Pedum mit der rechten Hand, die linke ist verdeckt. Auf der nach außen abgeschrägten Rahmenleiste ist eine umlaufende Is. festgehalten, beginnend an der oberen Leiste (I). Die reiche Ausschmückung von Ornat und Mitra zeigt sich auch bei der ornamenthaften Gestaltung der Mantelkrägen: Hier sind gotische Minuskelbuchstaben als Zierelemente eingesetzt (II/1,2). In den oberen Ecken sind Relief-W. gestaltet, ein weiteres oben in der Steinmitte. Die Schrift ist erhaben in den Stein eingearbeitet.

H. 275 cm, B. 150 cm, Bu. I. 8 (9,5) cm, II. 5 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

I. Reue(r)endi p(at)res et d(omi)ni Gurcen(sis) Eccl(es)ie E(pico)pi d(omi)n(u)s / Johannes Schalerman · Anno d(omi)ni Mo cccco lxv · Non(is) septembrisa) · Et d(omi)n(u)s Vdalricvs / Sunb͜erger Cancellari(us) (et)c(etera) Anno d(omi)ni M cccc / lxx · quarto kal(endas) January · obierunt · sub sum(m)o Altari hui(us) Eccl(es)ie consepulti II/1. av(e) // (t)ecu(m) II/2. av(e) // (domin)us tecu(m)

Anmerkungen
a) Als Trennzeichen steht eine Rosette.

Die hochwürdigen Patres und Herrn Bischöfe der Gurker Kirche starben, Herr Johannes Schallermann im Jahr des Herrn 1465, an den Nonen des September, und Herr Ulrich Sonnberger, Kanzler usw., im Jahr des Herrn 1470, am vierten Tag vor den Kalenden des Jänner, sie sind unter dem Hochaltar dieser Kirche begraben (I).


Datum: 1465 September 5, 1469 Dezember 29.

Wappen: Schallermann1), Bistum Gurk2), Sonnenberger3).


Kommentar

Die Gurker Bischöfe Johann V. Schallermann (1433–1453)4) und Ulrich III. Sonnenberger (1453–1469)5) haben zur Erinnerung an ihre Grablege in der Krypta im Presbyterium der ehemaligen Kollegiatkirche St. Nikolaus die einzige Doppelgrabplatte in Kärnten erhalten. Gestiftet wurde diese schöne gotische Grabplastik möglicherweise noch zu Lebzeiten von Bischof Sonnenberger, die umlaufende Grabinschrift nennt die Jz. 1470, die Beschriftung kann mit der Fertigstellung des Grabdenkmals nach/um 1470 beigefügt worden sein und zeichnet sich durch die schöne erhabene Schrift mit einer ausgewogenen Raumeinteilung aus. Die Grabplatte selbst könnte schon vorher vorgefertigt worden sein, hier wird eine Datierung um 1465 angeboten.

Johann V. Schallermann wurde am 28. Januar 1432 von Papst Eugen IV. zum Gurker Bischof bestellt, tatsächlich konnte er sein neues Amt aber erst im Jahre 1436 antreten, nachdem er am 22. Mai 1435 in Basel zum Gurker Bischof konsekriert wurde6). Er resignierte 1453 auf das Bistum und ist am 5. September 1465 gestorben7). In der Krypta der von ihm ab 1439 an Stelle der romanischen Kirche bzw. Kapelle erbauten neuen gotischen Pfarr- und Kollegiatkirche St. Nikolaus8) fand er schließlich seine Grablege. Sein Nachfolger war Ulrich III. Sonnenberger, der als Günstling Kaiser Friedrichs III. am 5. November 1453 von Papst Nikolaus V. zum Gurker Bischof ernannt und am 20. Januar 1454 in Gurk konsekriert wurde9). Vor seiner Wahl war er Propst von St. Johann in Regensburg, Domherr von Passau und Protonotar bei Kaiser Friedrich III., dem er seit 1454 als kaiserlicher Rat und ab 1457 auch als österreichischer Kanzler diente10). Er hatte in Wien studiert und den Grad eines Magisters erworben11). 1460 gewährte Kaiser Friedrich III. Bischof Ulrich III. Sonnenberger und seinen Nachfolgern am Gurker Bischofstuhl in der Bulla aurea das Recht, gleich den Reichsfürsten als Fürst zu gelten12). Unter Bischof Ulrich III. wurde die Kollegiatkirche St. Nikolaus in Straßburg baulich vollendet. Er ist am 29. Dezember 1469 in Wien gestorben und wurde in „seiner“ Kirche in Straßburg in der Krypta neben Bischof Johann V. Schallermann beigesetzt13). Die gemeinsame Grablege fand ihren künstlerischen Ausdruck in der Doppelgrabplatte, der zu den besten Zeugnissen spätgotischer Sepulkralplastik in Kärnten zählt14). Über die künstlerische Zuordnung hat zuletzt W. Czerny15) gearbeitet.

1) Bi 120.
2) KLA, WB A fol. 19 u. WB C fol. 3b. – Si 1/12. – Si Bi 120. – Wutte, Wappen 123. – Neumann, Wappenbuch C 6.
3) Kein Wappennachweis vorhanden. – W.: ein gesichteter Dreiberg, daraus Sonnenstrahlen (redendes W).
4) Obersteiner, Bischöfe 211f.
5) Ebenda 233f. – Die Schreibung Sonnberg ergibt sich aus der Is. der Grabplatte, allgemein wird Sonnenberger geschrieben.
6) Schroll, Series episcoporum 25f.
7) In der älteren Lit. wird als Todesdatum zumeist der 5. August 1465 genannt, so bei Hohenauer, Kirchengeschichte 89. – Schroll, Series episcoporum 26. – Obersteiner, Bischöfe 231 (Anm. 135) – Bei Marian, Austria Sacra 214 ist der 4. September angegeben. Richtigerweise ist als Quelle wohl seine Grabinschrift heranzuziehen.
8) Obersteiner, Bischöfe 228 (Anm. 113). – Fräss-Ehrfeld, Straßburg Fürstenresidenz 310, Abb. auf S. 311.
9) Schroll, Series episcoporum 26.
10) Ebenda. – Obersteiner, Bischöfe 236, 238 (Anm. 39).
11) Matrikel der Universität Wien. Bd. 1 152. – Strnad, Ulrich Sonnenberger 658 (Anm. 70). – Vgl. Obersteiner, Bischöfe 234, 236.
12) Obersteiner, Bischöfe 239.
13) Hansiz(ius), Germaniae Sacrae 519. – Schroll, Series episcoporum 26. – Czumpelnik, Verhältnisse 296. – Strnad, Ulrich Sonnenberger 675f.
14) Vgl. dazu Neckheim, Grabmalplastik 1940, 28f. – Ders., Grabmalplastik 1941, 32f. – Frodl, Kärntner Kunststätten 71. – Dehio Kärnten 2001, 972.
15) Czerny, Hans Valkenauer 42f. – Neckheim, Grabmalplastik 1940, 28. – Neckheim, Grabmalplastik 1941, 32. – Vgl. auch Fuchs, Schallermann 143f., Abb. 1.
Literatur

KLA, Hs. GV 10/53, 254. – Kunsttopographie Kärnten 323. – Hann, Nikolai-Stadtpfarrkirche 111. – Neckheim, Grabmalplastik 1940, 28. – Ders., Grabmalplastik 1941, 32. – Frodl, Kärntner Kunststätten 71. – Strnad, Ulrich Sonnenberger 676 (Anm. 126). – Obersteiner, Bischöfe 211f., 233f. – Milesi, Ulrich III. Sonnenberger 99f., Abb. 2. – Steindl, Lateinische Inschriften Kärnten 150. – Czerny, Hans Valkenauer 42f. – Dehio Kärnten 2001, 972 (hier Eybenstock zugeschrieben!). – Fuchs, Schallermann 143f., Abb. 1.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 156,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil1/kaernten-2-obj156.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb.: Grabdenkmal der Gurker Bischöfe Johann Schallermann und Ulrich Sonnenberger
© Landesmuseum Kärnten (Friedrich W. Leitner):