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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

19 Graz, Landesmuseum Joanneum 9. Jz. 13. Jh.

Türflügel mit einem schönen gotischen Schloss aus dem Sakristeibereich der Dominikanerkirche St. Nikolaus in Friesach. Im Jahre 1895 wurde er dem Steiermärkischen Landemuseum Joanneum, heute Abteilung Alte Galerie (Inv. Nr. 301), verkauft. Das Eichenholz der Türfassung ist mit rotem Pergament überzogen, darauf wurde wohl in einer Salzburger Werkstätte um 1280/90 die nahezu lebensgroße Frontalfigur des hl. Nikolaus in Tempera auf Kreidegrund gemalt. Gerahmt wird das rechteckige Bildfeld von einer weißen Schriftleiste, wobei der untere Teil der Inschrift wie auch der bildliche Darstellung nicht mehr erhalten ist. Der hl. Nikolaus von Myra ist als Bischof gekleidet, im prächtigen Ornat mit dem Pallium, der Mitra mit Inful, hinterlegt von einem feurig-rotem Nimbus, in der linken Hand das Pedum, die Rechte in Segensgestus erhoben. Die Beschriftung der Rahmenleiste, die die Bischofsgestalt vom roten Hintergrund der Türe abhebt, beginnt oben links und setzt sich, von den Fehlstellen unterbrochen, rechts umlaufend fort.

H. 202,5 cm, B. 110 cm, Bu. ± 2,2–2,7 cm. – Frühe Gotische Majuskel.


Textedition
			

+ RESPICE · DE · CELIS · CVSTOS ·/ NICOLAE · FIDELIS · VT · SERVA[– – – / – – – / – – –]NTE · PROTERVA [·] DEMONIS · E[N]ERVA · VIM · VIRTVTES · COACERVA ·

Anmerkungen

Sieh herab vom Himmel, treuer Kirchenpatron Nikolaus, um [– – –] zu bewahren [– – –] die schamlosen [– – –] lähme die Kraft des Dämons und mehre die Tugend.

Leoninische Hexameter.


Kommentar

Diese Türe wurde als Eingangstüre vom Chor in die Sakristei angeschafft, vermutlich handelt es sich dabei um eine Arbeit einer Salzburger Werkstätte am Ausgang des 13. Jahrhunderts. Die Beschriftung zeigt deutlich eine bereits frühe Gotische Majuskel. Die Bu. vermitteln noch einen linearen Grundzug, leicht gekrümmte Schäfte und Rundungen wie auch Schattenstriche bereichern schon das Schriftbild. Das E kommt streng kapital ebenso vor wie das unziale E, auch das geschlossene E ist schon vorhanden. Das A wirkt schon „pseudounzial“, mit gerundetem linken Schaft als Schattenstrich, der rechte ist dick und verstärkt, A und V stehen aber auch noch in breiter Trapezform, schon mit leicht verstärkten Schäften, D und L sind nicht mehr linear-kapital, beim I tritt bereits eine verdickte Schaftform mit einem Zierstrich in der Mitte auf.

Im Jahre 1216 erhielt der aus Altkastilien stammende Dominikus Guzman – er wurde schon 1234 heilig gesprochen – von Papst Honorius III. (1216–1227) die Erlaubnis zur Ordensgründung: der Dominikanerorden sollte in direkter Bindung an den Papst dessen geistliche und weltliche Machtansprüche verteidigen und jede Form der Ketzerei bekämpfen. Der geistige Hintergrund der Dominikaner wurde im 13. Jahrhunderts insbesondere von der scholastischen Philosophie eines Albertus Magnus und Thomas von Aquin geprägt. Schon ein Jahr nach der päpstlichen Bestätigung der Ordensgründung sind erste Dominikaner auf dem Wege nach Wien in Friesach eingetroffen und haben hier 1217 die erste Niederlassung dieses Predigerordens im deutschen Sprachraum begründet. Als eigentlicher Klostergründer des Dominikanerordens in Friesach wird der heilige Hyazinth von Oppeln verehrt, der 1221 nach Friesach kam. Die erste Niederlassung war in einer Heilig-Geist-Kapelle, um 1221 übersiedelte der Orden in die von den Viktringer Zisterziensermönchen aufgegebene „Kirche im Sack“, die heutige Heiligblutkirche, die zwischen 1211 und 1215 einem Brand zum Opfer gefallen war. Hier wurden die Friesacher Dominikanermönche nun von Erzbischof Eberhard II. angesiedelt und noch heute kann man hier die Überreste einer romanischen Klosteranlage erkennen. Im Jahre 1251 kauften die Dominikaner außerhalb der Stadtmauern ein Grundstück und bauten hier das neue Konventsgebäude (ab 1255) und in den Jahren von 1265 bis 1300 ihre Ordenskirche, die durch ihre beachtenswerte Architektur zu den besten Beispielen der frühen Gotik in Österreich zählt. Der hl. Nikolaus, seine Lebensgeschichte ist uns in der im 13. Jahrhundert entstandenen „Legenda aurea“ des Jacobus de Voragine1) überliefert, ist der Patron der Dominikanerkirche in Friesach.

1) Voragine, Legenda aurea 1979, 26f.
Literatur

Herrmann H., Friesach in Kärnthen XXVI. – Essenwein, Mittelalterliche Baudenkmale 201 u. Fig. 36. – Kunsttopographie Kärnten 55f., Fig. 46. – Stange/Swoboda, Werke 198f. – Stange, Romanische Tafelmalerei 175f. – Zedrosser, Friesach 1953, 137. – Romanische Kunst Kat.-Nr. 181, Farbtaf. 16 (Hermann Fillitz). – Biedermann, Kunst des Mittelalters 16. – Steindl, Lateinische Inschriften Kärnten 175. – Biedermann, Joanneum 57f., Nr. 1. – Dehio Kärnten 2001, 169.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 19,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil1/kaernten-2-obj19.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten  Politischer Bezirk St. Veit an der Glan  Graz, Landesmuseum Joanneum    •  Türflügel  •  Frühe Gotische Majuskel  •  Aquin, Thomas  •  Eberhard II.  •  Guzman, Dominikus  •  Honorius III.  •  Graz  •  Salzburg  •  Wien

Abbildungen

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Abb. 19: Türflügel (9.Jz. 13.Jh.)
©  Landesmuseum Joanneum (Alte Galerie, Graz)