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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

6 Friesach, Deutschordensk. hl. Blasius 2. H. 12. Jh.

Wandmalerei im westlichen Chorjoch, an der Süd- und Nordwand, sowie im Gewände der beiden romanischen Rundbogenfenster ( jüngere Schichte, vgl. Kat.-Nr. 11). Die Malerei auf der Nordwand hat sich wesentlich besser erhalten und zeigt in zwei Bildstreifen, getrennt durch einen Palmettenfries, oben die fünf „Törichten Jungfrauen“ (I), darunter das Speisewunder mit Christus, die wundersame Vermehrung der Brote und Fische (Mt 15,32–39 u. Mk 8,1–10), gleichsam als „Praefiguration des Abendmahles“1). Auf der gegenüberliegenden Südwand haben sich die Fresken nur sehr schlecht und fragmentarisch erhalten (II). Die hier gemalten fünf „Klugen Jungfrauen“ sind nur mehr brustbildhaft zu sehen, die erste Jungfrau links vom Rundbogenfenster ist überhaupt nicht mehr vorhanden. Das Schriftband darüber erläutert auch hier den Bildinhalt. Die Darstellungen beziehen sich auf das Gleichnis von zehn Jungfrauen, die auf ihren Bräutigam warten: die fünf törichten Jungfrauen haben kein Öl in den Lampen, kommen daher zu spät und finden die Tür verschlossen; die Klugen hingegen sind wachsam, haben das Öl bei sich und werden eingelassen. Das Gleichnis (Mt 25,1–13) bezieht sich auch auf das Jüngste Gericht, wobei die klugen Jungfrauen die Seligen, die törichten Jungfrauen aber die Verdammten sind. In der Parabel eines Sittenbildes vertreten sie ab dem 15. Jahrhundert auch die Tugend bzw. das Laster. Die Darstellung der Anbetung der Könige auf der Südwand hat sich nur ganz schlecht erhalten und ist nicht beschriftet.

B. ca. 500 cm, Bu. 4,6 cm. – Romanische Majuskel.


Textedition
			

I. LVMINE · CARENTES · REMANEN͜T // FORIS [·] INSI//PIEN͜TES II. [OLEVM HA]BENTES · ADMITTVNTVR · SAPIENTE[S]a)

Anmerkungen
a) bei Steindl werden die beiden Is. I u. II irrtümlich zusammengezogen und es kommt daher zu einer mangelhaften Übersetzung.

Die Törichten (Jungfrauen), die kein Licht haben, bleiben draußen zurück (I).
Die Klugen ( Jungfrauen), die das Öl haben, werden eingelassen (II).

Leoninische Hexameter.


Kommentar

Bei der Renovierung 1946/47 wurden im gesamten Kirchenbereich Reste romanischer Freskomalereien freigelegt, die zeitlich in zumindest zwei Malperioden aufgebracht wurden. Die ältere Schichte betrifft die Darstellung der „Klugen und Törichten Jungfrauen“ und die Brotvermehrung, die jüngere Schichte ist nur mehr in der Laibung des romanischen Rundbogenfensters an der Südwand zu erkennen. Die Malereien im Langhaus waren auf Grund ihres schlechten Erhaltungszustandes übertüncht belassen worden, die Fresken an der Nord- und Südwand des Chores konnten jedoch freigelegt werden2).

Diese Malereien stammen aus der späteren zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und bereichern nicht nur den romanischen Freskenbestand in Kärnten, sondern sind auch eine Datierungshilfe für den Kirchenbau: die heutige Deutschordenskirche geht demnach auf einen frühen romanischen Bau zurück. Die Fresken stehen in einem Naheverhältnis zu den Wandmalereien der Johanneskirche zu Pürgg im Ennstal3) und beide könnten im Zusammenhang mit einer Admonter Stiftung4) gesehen werden. W. Koch5) hat die Beschriftung der älteren Schichte der Fresken in das späte 12. Jahrhundert datiert. Die Schrift wird noch von den kapitalen Formen der romanischen Majuskel bestimmt, als einziger Buchstabe wird E kapital wie auch unzial „gleichberechtigt“ nebeneinander verwendet, es erscheint auch schon mittels eines senkrechten Haarstriches geschlossen6), wobei der „Bogen in Form eines Kreissegmentes“7) auch schon verstärkt auftritt. Das C ist noch offen. Als Abschluss vom Balken findet sich hier statt der dreieckförmigen Verstärkung ein Schlussstrich. Das zeichnerische Element ist jedenfalls bei dieser Beschriftung der Fresken stärker ausgeprägt8).

1) Reichmann-Endres, Deutschordenskirche Friesach 12. – Reichmann-Endres, Deutschordenskirche 274f.
2) Hartwagner, Neuaufgedeckte romanische Wandmalereien 1947, 138f.
3) Hartwagner, Neuaufgedeckte romanische Wandmalereien 1947, 144f. – Reichmann-Endres, Deutschordenskirche Friesach 12. – Weiss E., Pürgg 28f.
4) Reichmann-Endres, Deutschordenskirche 12: hier wird als geistlicher Stifter Abt Gottfried I. von Admont in Betracht gezogen.
5) Koch, Inschriftenpaläographie Kärntens 121f.
6) Koch, Paläographie 10, 32.
7) Ebenda 11.
8) Koch, Inschriftenpaläographie Kärntens 130.
Literatur

Hartwagner, Neuaufgedeckte romanische Wandmalereien 1947, 138f. – Zedrosser, Friesach 1953, 130. – Koch, Paläographie 10f., 32. – Koch, Inschriftenpaläographie Kärntens 121f. – Steindl, Lateinische Inschriften Kärnten 177. – Reichmann-Endres, Deutschordenskirche Friesach 12. – Kuß, Romanische Fresken 76. – Reichmann-Endres, Deutschordenskirche 274f. – Dehio Kärnten 2001, 166.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 6,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil1/kaernten-2-obj6.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten  Politischer Bezirk St. Veit an der Glan  Friesach, Deutschordensk. hl. Blasius    •  Wandmalerei  •  Romanische Majuskel  •  Friesach, Deutschordenskirche

Abbildungen

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Abb. 4: Wandmalerei,
Törichte Jungfrauen (2.H. 12.Jh.)
©  Landesmuseum Kärnten (Friedrich W. Leitner)