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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

312 Friesach, Fk. St. Peter am Petersberg 1525

Tafelmalerei im linken Seitenaltar der Fk. auf dem Petersberg, bestehend aus einem großen Mittelbild und vier kleinen Tafelbildern, die wohl von einem spätgotischen bzw. frührenaissancezeitlichen Flügelaltar stammen. Das Mittelbild zeigt die Heilige Sippe, die Verwandtschaft der Maria: In der Bildmitte links sitzt die Muttergottes mit dem Jesusknaben, hinter ihr steht Joseph, vor ihr eine Gruppe mit der Mutter Anna und ihren drei Ehemännern, Joachim, Cleophas und Salomas (I/1a-g). Die Gruppe links vor der Muttergottes zeigt die sitzende Schwester Maria Cleophas mit ihrem Mann Alphäus und den Kindern Joseph Justus, Jakobus d. J., Judas Thaddäus und Simon Zelotes, den späteren Aposteln (I/2a-f ). Die Figurengruppe auf der rechten Bildhälfte wird angeführt von Maria Salome mit Johannes am Schoß, dem späteren Evangelisten, vor ihr zu Füßen sitzend Jakobus d. Ä., der spätere Apostel, hinter ihr steht ihr Mann Zebedäus (I/3- a-d). Der Architekturrahmen wird im Hintergrund durch einen Ausblick in eine Landschaft geöffnet, in der Mitte begleiten zwei musizierende Engel mit Laute und Harfe die heilige Familie, die in der Bildmitte in einem Medaillon im Strahlenkranz von Gottvater und der Taube des Hl. Geistes überhöht wird. Das Mittelbild ist vorne links datiert (I/4). Im linken Seitenbild wird das Opfer Annas und ihres greisen Mannes Joachim wegen Kinderlosigkeit vom Hohepriester zurückgewiesen (IIa,b), im rechten ist die Geburt Mariens dargestellt, mit Anna im Wochenbett, Maria im Wickelbettchen und einer Dienerin (IIIa, b). Im Aufsatz des Altares sind zwei Bildhälften zusammengefügt, auf der linken befindet sich der reiche Herdenbesitzer Joachim (IV) aus Jerusalem in der Einsamkeit einer Landschaft, in die er sich wegen der Kinderlosigkeit zu seinen Hirten zurückgezogen hat, um zu Gott zu beten; hier verkündet ihm ein Engel die Geburt der Tochter Maria. Die rechte Bildhälfte zeigt seine Begegnung mit Anna nach seiner Rückkehr an der Goldenen Pforte in Jerusalem (Va, b). Die heiligen Personen tragen alle einen dekorativ gestalteten Nimbus, der jeweils im Sinne einer genealogischen Zuordnung mit der entsprechenden Namens- Is. bezeichnet ist.

Mittelbild: H. 142 cm, B. 106 cm, Seitenbilder: H. 66 cm, B. 42 cm, Aufsatzbilder: H. 73 cm, B. 60 cm, Bu. ± 2,5 cm. – Frühhumanistische Kapitalis.


Textedition
			

I/1a. JOSEPH I/1b. MARIA I/1c. JESVS I/1d. S(AN)C(TA) . ANNA I/1e. JOACHIM I/1f. CLEOPHAS I/1g. SALOMA[S] I/2a. ALPHEVS I/2b. MARIA . CLEOPHAS I/2c. JOSEPH . JVSTVS I/2d. JACOWVS . M(INOR) I/2e. JVDAS . THATH[EVS] I/2f. SIMON I/3a. . S. MARIA . SALOME I/3b. JOHANES . EWANGEL(ISTA) I/3c. S. . JACOWVS . M(AIOR) I/3d. ZEBEDEVS I/4. . 15 . 25 . IIa. [ JO]ACHIMa) IIb. ANNA IIIa. ANNA IIIb. S. MARIA IV. JOACHIM Va. JOACHIM Vb. ANNA

Anmerkungen
a) der Anfang des Namens wird vom Bildrahmen verdeckt.

Kommentar

Die Tafelbilder sind noch in spätgotischer Zeit bzw. am Übergang in die Frührenaissance entstanden: Die Beschriftung ist nicht mehr in Gotischer Minuskel gehalten, sondern in den Zierformen einer Frühhumanistischen Kapitalis. Eingebettet in den Nimben der Heiligen Sippe, verstärken die kunstvoll-dekorativen Bu. dieser Schrift den Eindruck des Ornamenthaften bei den Personen: das A ist trapezförmig und mit einem Deckbalken gemalt, das E erscheint epsilonförmig, das M steht als H mit einer halben Haste in der Mitte. Die Beschriftung dient aber auch der besseren genealogischen Zuordnung, wie dies in der Epitaphik des 16. Jahrhundert dann üblich wurde.

Die Thematik der Heiligen Sippe1) beruht hier auf den Erzählungen in der „Legenda aurea“ des Jacobus de Voragine2), was aus der Benennung der Personen hervorgeht, teilweise abweichend vom NT3). Die Genealogie der Heiligen Sippe beginnt hier mit der hl. Anna4), der Mutter Marie. Sie war dreimal verheiratet (Trinubium): in erster Ehe mit Joachim, dem Vater von Maria und damit Großvater von Jesu Christi. Der zweite Ehemann war Joachims Bruder Cleophas, dieser Ehe entstammte Maria Cleophas, die mit Alphäus verheiratet war und vier Söhne hatte: Jakobus d. J., Joseph Justus, Simon und Judas Thaddäus. Nach dem Tode des Cleophas heiratete Anna ein drittes Mal, diesmal Salome (Salomas). Die Tochter aus dieser Ehe, Maria Salome, war mit Zebedäus verheiratet und hatte die beiden Söhne Johannes Evangelista und Jakobus d. Ä. Die Darstellung der Heiligen Sippe findet um 1400 Eingang in die Malerei und wird im späten 15. und im 16. Jahrhundert auch gerne auf Altartafeln gemalt5). Zur kunsthistorischen Beschreibung und Zuordnung vgl. zuletzt J. Höfler6). Im Dehio Kärnten wird sie dem Meister Melchior aus St. Paul zugeordnet7).

1) Mitgau, Heilige Sippe 546f. – Esser, Heilige Sippe 246.
2) Voragine, Legenda aurea 1979, 677f.
3) Vgl. Mt 1,16f. sowie Lc 1,5f.
4) Legenda aurea 1850 586, Cap. CXXXI. De nativitate beatae Mariae virgine: „Anna solet dici tres concepisse Marias, / Quas genuere viri Joachim, Cleophas Salomeque / Has duxere viri Joseph, Alpheus, Zebedaeus. / Prima parit Christum, Jacobum secunda minorem, / Et Joseph justum peperit cum Symone Judam, / Tertia maiorem Jacobum voluremque Johannem.”
5) Mitgau, heilige Sippe 550f.
6) Höfler, Tafelmalerei der Dürerzeit 199–201, Nr. 59, Abb. 256–259. – Vgl. Kunsttopographie Kärnten 60. – Lind, Reisenotizen 1880, LXXV. – Lind, Beiträge 11: die hier angeführte Is. O heilige Anna hillf 1526 ist nicht auffindbar.
7) Dehio Kärnten 2001, 157.
Literatur

Her(r)mann H., Schau 35. – Finster, Friesach 166. – Lind, Reisenotizen 1880, LXXV. – Hauser Hu., Profanund Kirchengeschichte 76 (wird hier Albrecht Dürer zugeschrieben!). – Lind, Beiträge 11. – Kunsttopographie Kärnten 58f. – Hauser Hu., Illustrierter Führer 33. – Zedrosser, Friesach 1926, 76. – Ginhart, Kunstdenk mäler Gurk und Friesach 33, Abb. 45. – Neckheim, Diözesanmuseum 681. – Zedrosser, Friesach 1953, 148. – Fritz, Flügelaltäre 140f. – Hartwagner, Kärnten 56. – Reichmann-Endres, St. Bartholomäus 25. – Demus, Spätgotische Altäre 706f., 725, Abb. 796, 911f. – Ders., Peterskirche, Annenaltar 83–86. – Kienzl/Deuer, Renaissance 93f. Abb. 65. – Höfler, Tafelmalerei der Dürerzeit 199f. – Dehio Kärnten 2001, 157.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 312,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil2/kaernten-2-obj312.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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