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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

381 Gurk, Pfk. u. ehem. Domkirche Mariae Himmelfahrt vor 1549

Epitaph des Gurker Dompropstes Christoph Galler, innen am Westende des nördlichen Seitenschiffes an der Südwand. Die rektanguläre Platte war zumindest im Reliefteil polychromiert und zeigt links in einer renaissancezeitlichen Nischenarchitektur den knienden Propst und Stifter, die Hände zum Gebet gefaltet, im Ornat mit Mitra und Inful, über der linken Schulter das Pedum. In den Eckfeldern des Rundbogens bzw. an den Basen der Halbsäulen findet sich je eine Wappendarstellung; alle vier Relief-W. geben nach Art einer Ahnenprobe die vier engsten Familienwappen wieder; dabei eine jeweils einzeilige Namens-Is.(Ia-d): Rechts davon vermittelt ein erhabenes, gerahmtes Schriftfeld eine 16-zeilige Is. (II). Der Gedenkstein dient gleichsam als Untersatz für einen von Propst Galler gestifteten Flügelaltar (vgl. Kat.-Nr. 385), der wohl etwa um die gleiche Zeit entstanden sein dürfte.

H. 188 cm, B. 100 cm, Bu. I. 2,8 (4,2) cm, II. 2,5 (3,5) cm. – Kapitalis.


Textedition
			

Ia. GALLERa) Ib. ZOBELSPERGERb) Ic. WELTZERa) Id. HALLEGKERa) II. ELECT(VS)a) . IN P(RAE)POSITV(M) · VLTIMA · IANVA͜RY . CON͜FIRMA/T(VS)c) . VERO . SEXTA DIE APRILLIS · AN͜NO · M · D · XXVo · TA͜(͜N͜)͜DE(M)d) / DIE TERCIA MAY DICTI AN͜NI · SVI INCEPTI REGIMI/NIS · CIRCA HORA(M) V(N)DECIMA(M)e) POM͜ERIDIANA(M)f) · LAM͜E(N)=/TABILE SVBORIV(M)g) EST INCE(N)DIV(M) P(RAESE)NSQVE ECCL(ES)IA CV(M) / TECTIS · TESTVDINIB(VS) · CAMPA(N)IS · ET ALYS AN͜NE=/XIS TOTALITER (COM)BVSTA · Q(VAE) O(MN)IA FIDELITER RESTI=/TVIT · ET · REEDIFICA͜VIT · AC ECCL(ES)IAMh) M(V)LTIS ORN͜ ATIB(VS) / LIBERALITER DOTA͜VIT · TE(M)P(OR)E O(MN)I(V)M RERV(M) CA͜LAMI=/TATE PLENO · TVRPISSIMIS MORIB(VS) · INSANISSIMIS / H͜ERESIB(VS) · TRVCVLE(N)TISSI(MI)Sa) I(M)MANISSI(M)OR(VM)i) TVRCAR(VM) / ET CH͜RI(STI)ANOR(VM) . PRINCIPV(M) INTER SE BELLIS · SEDa) IN / O(MN)IB(VS) HIS ADVERSITATIB(VS) · V(E)N(ER)A(BI)L(IS) P(ATE)R · FIDEI CH͜RI(STI)A=/N͜E SCVTV(M)a) SV(M)PSIT · IN Q(V)Oj) O(MN)IAk) · TELA · NEQ(VI)SSIMI IGN͜EA / EXTINXIT · ET FELICITER DE ERV(M)NOSO M͜V(N)DO TRI=/V(M)PHAVIT · A(N)NO · INCARNATI VERBI · M · D · <49l)>

Anmerkungen
a) vergrößerter Anfangsbuchstabe.
b) vergrößerter Anfangsbuchstabe – zweites R über E gestellt.
c) O kleiner und in C eingestellt.
d) Nexus Litterarum AD.
e) beim V fehlt das Kürzungszeichen.
f) POSTMERIDIANA(M).
g) sic! fälschlich für SVBORTVM; über dem SVB ein Kürzungszeichen.
h) erstes C mit kurzem Mittelbalken, ähnlich einem unzialen E.
i) über NIS ein Kürzungszeichen, sinngemäß nicht aufzulösen.
j) O verkleinert über Q gesetzt.
k) Auflösung nicht gesichert.
l) Die arab. Ziffern 49 der Jz. 1549 sind von zweiter Hand und später nachgetragen worden, wohl aber vermutlich noch im Auftrag und zu Lebzeiten des Stifters.

Erwählt als Propst am letzten (Tag) des Januar, bestätigt aber am dritten Tag des April im Jahre 1525; am dritten Mai des besagten Jahres schließlich, zu Beginn seiner Regentschaft, entstand um die elfte Nachmittagsstunde ein beklagenswerter Brand, und die gegenwärtige Kirche verbrannte vollständig samt Dächern, Gewölben, Glocken und den anderen angrenzenden (Baulichkeiten). Das alles hat er getreu wiederhergestellt und wiederaufgebaut und die Kirche mit vielen Ornaten reichlich beschenkt zu einer von allen möglichen Gefahren und Drangsalen erfüllten Zeit, bei (Herrschen) schamlosester Sitten, wahnwitziger Irrlehren, unter erbittertsten Kriegen mit den schrecklichen Türken bzw. der christlichen Fürsten untereinander. Doch bei all diesen Widerwärtigkeiten nahm der ehrwürdige Pater den Schild des christlichen Glaubens auf, durch den er alle flammenden Pfeile des Erzbösewichts auslöschte und glückhaft über die mühselige Welt triumphierte, im Jahre der Fleischwerdung des Wortes 1549.


Wappen: Galler1), Zobelsperger2), Welzer3), Hallegg4).


Kommentar

Christoph Galler wirkte von 1525 bis 1549 als Gurker Dompropst und gibt in der Gedenkinschrift nicht nur die genauen Tagesdaten seiner Wahl und Konfirmation an, sondern er berichtet auch vom großen Brand des Gurker Domes am 3. Mai 1525 und dem von ihm betriebenen Wiederaufbau. Die Is. nennt ihn nicht beim Namen, er ist also nur durch die Wappen und durch die Lebensdaten ausgewiesen: Die heraldische Ahnenreihe findet sich mehrfach wieder (vgl. Kat. Nrr. 383, 385 u. 428).

Eine sehr eigenwillige Formulierung des lateinischen Textes mit vielen Abbreviaturen und mittellateinischen Wortbedeutungen ergibt eine interessante und inhaltsreiche Übersetzung; auf Grund der schwierigen Textwiedergabe ist er wohl bislang in der Lit. kaum erwähnt worden. A. Schnerich bietet die erste vollständige Wiedergabe mit Auflösung der Kürzungen, die bis auf einige Kleinigkeiten durchaus entspricht5). Ginhart-Grimschitz datieren den Gedenkstein in die Zeit „etwa um 1530“6) und übersehen dabei, dass er mit 15(49) datiert ist. Dieser Datierung folgen einige Autoren dann auch bei der Zuweisung des von Propst Galler gestifteten Flügelaltares, der kunsthistorisch mit dem Gedenkstein in enger Beziehung steht7). Wahrscheinlich erscheint eine Datierung noch zu Lebzeiten des Stifters, des Dompropstes Christoph Galler, da es sich um kein Epitaph/Grabdenkmal handelt: Nach Fertigstellung könnte später in seinem Auftrag eine zweite Hand die Ziffern 49 nachgetragen haben.

1) Vgl. Kat.-Nr. 328, Anm. 1.
2) Vgl. Kat.-Nr. 385, Anm. 3.
3) Vgl. Kat.-Nr. 264, Anm. 1.
4) Vgl. Kat.-Nr. 242, Anm. 2.
5) Schnerich, Gurker Miszellanea 1929, 20f.: hier vollständige, aber nicht ganz korrekte Textwiedergabe ohne Übersetzung. – Diesem folgt Steindl, Lateinische Inschriften Kärnten 155f., allerdings mit Transkriptions- und Übersetzungsproblemen.
6) Ginhart/Grimschitz, Gurk 120. – Neckheim, Grabmalplastik 1940, 127, 191. – Neckheim, Grabmalplastik 1941, 68.
7) Demus, Spätgotische Altäre 672f. (Anm. 6). – Vgl. dazu auch Schnerich, Gurker Miszellanea 1929, 25.
Literatur

KA Klagenfurt, Liber memorabilium Capituli Gurcensis p. 126. – KLA, Hs. GV 10/53, 259. – Dworschak, Werke 86f. – Schnerich, Dom zu Gurk 67. – Ders., Gurker Miszellanea 1929, 20f. – Ginhart/Grimschitz, Gurk 120, Abb. 119. – Löw, Domführer 24f. – Neckheim, Grabmalplastik 1940, 127, 191. – Ders., Grabmalplastik 1941, 68. – Steindl, Lateinische Inschriften Kärnten 155f. – Demus, Spätgotische Altäre 672f. (Anm. 6). – Kienzl/Deuer, Renaissance 21. – Dehio Kärnten 2001, 262.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 381,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil2/kaernten-2-obj381.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 167: Epitaph Propst
Christoph Galler (vor 1549)
©  Landesmuseum Kärnten (Ulrich Peter Schwarz)