Inschrift-logo

  Suche         Druck     Hilfe  

 

Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

422 Gurk, Pfk. u. ehem. Domkirche Mariae Himmelfahrt 1557

Grabplatte aus graubraunem Kalkstein des Petrus Schlantell, im nördlichen Seitenschiff beim Aufgang in das Querhaus: Der Stein befand sich ursprünglich in der Durchfahrt des Propsthofes und wurde vor 1930 in die Domkirche übertragen. Eine 14-zeilige Inschrifttafel (I) wird oben bekrönt durch die reliefhafte Darstellung des Verstorbenen in Talar in einer muschelartig gefächerten Nischenarchitektur, in den Händen ein Buch, darüber ein waagrecht geschnittener Giebel. Rechts vor der Nische eine Tafel mit Jahreszahl (II). Unterhalb der Is. ist sockelartig in einer schmalen Bordüre ein Totenkopf mit Gebein und einer Schlange abgebildet, seitlich flankiert von je einem W.-Schild: links das persönliche Wappen, rechts ein Kelch mit Patene und Hostie. Der Stein ist an seiner linken Seite stark ausgeschlagen, die Is. teilweise zerstört.

H. ± 160 cm, B. ± 78 cm, Bu. 3,2 (4,5) cm). – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

I. Aichstat me genuit que nomen ab ilice traxit Urbs et olerini nempe vetusta soli [P]etrus ego vocitor gentis cognomine schla(n)tell Auripolim dvctvs artibvs ervdior [In]de magistery claro decoratvs honore [A]rtes profiteor qvas didicisse ivuat [Et] rego distipvlosa) prefect(vs) in ede stvdentv(m) [O]rdinor angelica sic volvere patris […]ctusb) nvlli secte conmvnia disco Et teneo stvdy libera vota mei […] mihic) dv(m)q(ue) alys m(v)lt(v)m p(ro)desse laboro Mors oc(v)los clavdit me(m)braq(ve) lassa p(re)mit Et vite resecat longa(m) spe(m) fidere debet Nemo fvgit te(m)pvs more flventis aqve II. 1557

Anmerkungen
a) sic!
b) vor dem c noch ein Schaft erkennbar.
c) möglicherweise Dvm zu ergänzen

Die uralte und auf fruchtbarem Boden stehende Stadt Eichstätt, die ihren Namen von der Eiche ableitet, hat mich hervorgebracht. Petrus werde ich genannt, mit dem Familien- und Beinamen Schlantell. Nach Ingolstadt übersiedelt, wurde ich in den freien Künsten ausgebildet. Mit dem hehren Titel eines Magisters ausgezeichnet lehrte ich von da an die freien Künste, deren Studium mir nützlich war, und leitete die Schüler an als Präfekt eines Studentenwohnhauses. Nach dem Willen der Stadtväter wurde ich zu Gesandtendiensten bestellt. Ich erfuhr, was keiner Konfession gemeinsam ist, und hielt mich an die Gelöbnisse meines Studiums. Während ich also danach strebte, mir und den anderen nützlich zu sein, schloss der Tod meine Augen, drückte die müden Glieder nieder. Wenn er (d. h. der Tod) auch die Hoffnung auf ein langes Leben nimmt, muss man doch vertrauen; niemand entflieht der Zeit nach der Art des davonfließenden Wassers.

Elegische Distichen (I).


Wappen: Schlantell1).


Kommentar

Petrus Schlantell stammte aus Eichstätt2), wurde an der Jesuitenuniversität in Ingolstadt, wo er dem Kreis um Jakob Locher (Philomusus) angehörte3), ausgebildet und wirkte als Pfarrer zu Pisweg4); er wurde schließlich auch Assessor5) und Rektor der Gurker Domschule. Die Is. wurde noch zu Lebzeiten des Geistlichen verfertigt, der Text der Is. stammt vermutlich von dem humanistisch gebildeten Petrus Schlantell selbst. Er war ein enger Vertrauter des Gurker Bischofs Hieronymus I. Balbi (1522–1526), der ihn als seinen „venerabilis amicus meus perseverandus“6) bezeichnet hat. Er ist nach J. Obersteiner im Jahre 1557 gestorben7).

1) Ein Schrägrechtsbalken, oben und unten begleitet von einer Krone.
2) Schnerich, Gurker Miszellanea 1929, 19f.
3) Obersteiner, Bischöfe 294.
4) Obersteiner, Gurker Bistumsgeschichte 1960, 266. Vgl. auch Ders., Tagebuch 1949, 367 (Anm. 15).
5) Obersteiner, Gurker Bistumsgeschichte 1955, 568 (Anm. 130). – Ders., Gurker Bistumsgeschichte 1960, 229.
6) Obersteiner, Bischöfe 294 (Anm. 57).
7) Obersteiner, Gurker Bistumsgeschichte 1960, 266.
Literatur

KA Klagenfurt, Liber memorabilium Capituli Gurcensis p. 144f. – Schnerich, Dom zu Gurk 110f. – Ders., Gurker Miszellanea 1929, 19f. – Ginhart/Grimschitz, Gurk 121. – Löw, Domführer 28 (hier richtig: Schlantell). – Neckheim, Grabmalplastik 1940, 189, 191. – Steindl, Lateinische Inschriften Kärnten 161. – Dehio Kärnten 2001, 263.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 422,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil3/kaernten-2-obj422.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten  Politischer Bezirk St. Veit an der Glan  Gurk, Pfk. u. ehem. Domkirche Mariae Himmelfahrt    •  Grabplatte  •  Kalkstein  •  Gotische Minuskel mit Versalien  •  Inschriften des Totengedenken  •  Balbi, Hieronymus I.  •  Locher, Jakob  •  Schlantell, Petrus  •  Gurk, Pfk.  •  Pisweg, Pfk.

Abbildungen

 zum Vergrößern anklicken
Abb. 154: Grabplatte
Petrus Schlantell (1557)
©  Landesmuseum Kärnten (Ulrich Peter Schwarz)