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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

444 Hausdorf (Straßburg), Fk. hl. Andreas 1563 (?)

Glocke im Turm, von mittlerer Größe; am Hals ist zwischen je zwei glatten Zierleisten eine umlaufende Is. (I) angebracht, die sich am Mantel fortsetzt (II). Unter dieser zweiten Is. ist in einem länglichen Schild mit Rollwerkrahmung in Relief eine weibliche Gestalt angebracht, die möglicherweise als Fortuna, als Schicksals- und Glücksgöttin, auch in der Art einer renaissancezeitlichen Brunnenfigur oder, was weniger wahrscheinlich erscheint, als Wappenbild deutbar ist1), weiters ein erhaben gearbeiteter Puttokopf. Datiert wird die Gl. durch ein Münzbild am Mantel der Gl.

H. 50 cm, D. 56 cm, Gw. 90 kg (110 kg)2), Bu. 2,2 cm. – Gotische Minuskel.


Textedition
			

I. sebastiana) + zin + vnd + glockhengisser + und + purger + zu wolsberg + hat + mich + gossenb) II. i(e)soc)

Anmerkungen
a) die Is. beginnt mit dem Relief eines geflügelten Engelskopfes.
b) Als Trennzeichen stehen Ankerkreuze. Textwiedergabe bei Größer: J. Sebastian Zin und Glockengisser vnd pvrger zv wolfsperg hat mich gegossen. Maximilian II. d. g. ro. hun. bo. rex. 1563.
c) Buchstabenfolge ohne Angabe von Kürzungen, möglicherweise Dativform von iesus.

Kommentar

Als Münzbild diente eine Schaumünze3) auf die Krönung Maximilians II. in Ungarn 1563: auf der Vorderseite ist als Brustbild Maximilian II. und seine Frau Maria dargestellt, die Umschrift lautet MAXIMILIAN(VS) D(EI) G(RATIA) RO(MANORVM) HVN(GARIAE) BO(HEMIAE) REX 1563. Auf der am Glockenmantel natürlich nicht sichtbaren Rückseite wäre Kaiser Ferdinand I. im Brustbild wiedergegeben, mit der Umschrift FER(DINANDVS) D(EI) G(RATIA) EL(ECTVS) RO(MANORVM) IM(PERATOR) S(EMPER) AVG(VSTVS) GE(RMANIAE) HV(NGARIAE) BO(HEMIAE) R(EX) 1563. Diese Münze kann als terminus post quem für die Datierung der Gl. herangezogen werden, nach oben hin wäre der Zeitraum offen. Da es sich bei der Schaumünze aber um eine Prägung mit einem jahresbezogenen Ereignis handelt, wird der Auftraggeber für diese Gl. – möglicherweise ein Vertreter des Gurker Bistums, der bei der Krönung persönlich anwesend war4) – diese Münze im Auftragsjahr dem Glockengießer übergeben haben. Der Glockengießer Sebastian – Woulich – aus Wolfsberg ist durch mehrere Glocken in Kärnten belegt, vgl. dazu Kat.-Nr. 391†. Vermutlich identisch mit der in der KT 1889, 103 mit „1463“ angegebenen Gl. (vgl. Kat.-Nr. 145†)5).

1) Jungwirth, Glockenkunde 120 spricht irrtümlich von einem Wappenschild, darin „in reicher barocker Umrahmung ein stehender Ritter“.
2) Gewichtsangabe nach Jungwirth, Glockenkunde 120, in Klammern nach Weißenbäck/Pfundner, Tönendes Erz 282. – Zum Münzabdruck vgl. Luschin von Ebengreuth, Münzen LXXIf.
3) Kremnitz 1563, D. 0,35 cm; vom Münzstempelschneider Lucas Richter aus Kremnitz. – Forrer, Medallists, 121f.
4) Die Fk. St. Andreas in Hausdorf wurde der Pfk. St. Margraetha in Lieding einverleibt und zur Finanzierung des Kollegiatkapitels in Straßburg herangezogen. Durch die Nähe zum Kollegiatkapitel wäre ein Gurker Bischof – im konkreten Fall Fürstbischof Urban Sagstetter (1556–1573) – oder ein Dompropst als Auftraggeber und Besitzer der Schaumünze denkbar. – Erläuterungen Kirchen- und Grafschaftskarte 212.
5) Nach freundlicher Auskunft des Landeskonservators DI Dr. Harb befand sich die Gl. wegen eines Sprunges in den letzten Jahren beim Innsbrucker Glockengießermeister Graßmayer.
Literatur

Größer, Glockeninschriften CXIX. – Jungwirth, Glockenkunde 120. – Weißenbäck/Pfundner, Tönendes Erz 226, 282. – Hartwagner, Kärnten 100. – Dehio Kärnten 2001, 280.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 444,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil3/kaernten-2-obj444.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten  Politischer Bezirk St. Veit an der Glan  Hausdorf (Straßburg), Fk. hl. Andreas    •  Glocke  •  Turm  •  Gotische Minuskel  •  Ferdinand I.  •  Maximilian II.  •  Sagstetter, Urban  •  Sebastian  •  Gurk  •  Hausdorf, Fk.