Inschrift-logo

  Suche         Druck     Hilfe  

 

Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

563 Althofen, Salzburger Platz Nr. 6 1590

Sgraffitomalerei an der Westfassade des so genannten Rieder-Hauses: Das Renaissancegebäude stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und wird architektonisch von einem Renaissanceportal, Zwillingsfenstern und Renaissancefenstergewänden bestimmt. Als besondere Dekoration bekam die Fassade einen Fries in Form einer Sgraffitomalerei, die zu den besten Beispielen dieser Maltechnik in Österreich gehört1). Die Malerei beginnt mit einem schmalen Sockel aus geschweiften Diamantquadern über dem Architrav des Tores und über den ebenerdigen Fenstern. Die unteren Darstellungen zeigen Szenen aus dem mühevollen Kampf des Herkules (Herkules erwürgt Antaeus, den Riesen von Libyen; Überreichung des Nessus-Hemdes an Herkules; Herkules tötet Cacus; Herkules tötet die Wasserschlange (mit Iolaos); Darstellung vom Wahnsinn des Herkules mit Bibelzitat (!); Iole führt Herkules hinweg); eine über den Diamantquadersockel gestellte Schriftleiste enthält in fortlaufender Folge Beschriftungen der Szenen (I). In der zweiten Ebene darüber werden zwischen den Fenstern die neun Musen abgebildet, zwei an der Südwand ursprünglich angebrachte Musen haben sich nicht erhalten. Über dem profilierten Steingesims der Fenster im zweiten Geschoß sind Dekorationen in Form von phantastischen Bekrönungen erhalten, in der Mitte mit einer Maske, mit Hörnern und Tierformen. Der obere Bildstreifen wird durch eine Rahmenleiste begrenzt, darauf stehen die Namen der Musen (II). Die Schriftleisten bilden gleichsam eine äußere Begrenzung und Einfassung der Malereien. Die Musen beginnen am nördlichen, etwas vorstehenden Teil des Hauses und sind in ihrer Abfolge zu nennen: Urania (Astronomie, mit dem Himmelsglobus), Klio (Geschichte, mit der Schriftrolle), Euterpe (Musik u. Lyrik, mit der Panflöte als Muse des Flötenspiels), Thalia (Komödie), Melpomene (Tragödie), Terpsichore (Lyrik und Tanz, mit dem Saiteninstrument) und Erato (Muse des Liebesliedes und des Tanzes). Verlorengegangen sind die beiden Musen Kalliope (Epos u. Elegie) und Polyhymnia (Pantomime und Lied). Die Sgraffitomalerei wurde erst 1930 wiederentdeckt und in den Jahren 1934/35 von F. Weninger aus Wien freigelegt und restauriert.

Bu. 7,6 cm. – Kapitalis.


Textedition
			

I. ANTAEVM . LIBA͜E . GVGANTEM . SVFFOCAT . HERCVLES . // DEIANIRA . NESSI . VESTEM . PER . LICHAM . SERVVM . HERCVLI . MITTIT // CACVM . FLAMMIV[ERVM] . OCCIDIT HERCVLESa) // HERCVLES . VNA . CVM . IOLOLA . DARAMb) . OCCIDIT // QVI . CONFIDIT . IN . DOMINVM . NON . PERIBIT . IN . AETERNVMb) . // HERCVLES 1590 EVRYTI . REGIS . FILIAM . IOLAM . OCCISO . PATRE . ABDVXIT . HERCVLES . NESSI . VESTE . RABIDVS . II. . VRANIA . DIE . I . MVSA͜Ec) . // . DEVS . EST . SPES . MEA . // . CLIO . DIE . 2 . MVSA . // . SI . DEVS . PRO . NOBIS . QVIS . / CONTRA . NOS . // . EVTERPE . DIE . 3 . MVSA . // . THALIA . DIE . 4 . MUSA . // . MELPOMENE . DIE . 5 . MVSA . // . TERPSICHORE . DIE . 6 . MVSA . // . ERATHO . DIE . 7 . MVSA . [...

Anmerkungen
a) anschließend vegetabiles Dekorelement.
b) wohl richtig: IOLAO für Jolaos (Iolaus, i) und zu ergänzen HYDRAM; dabei gehört DARAM nicht zu HYDRAM, sondern ist als Verbum do, dare zu sehen; bei Steindl, Rieder-Haus steht Iolao hydram, die Wasserschlange von Lerna bei Argos, wobei Iolao mit dem Wort hydra nichts zu tun hat (Art- oder Ortsbezeichnung!).
c) wohl später bei einer Restaurierung verschrieben, da ansonsten immer MVSA.

Herkules erwürgt den Riesen Antaeus aus Libyen. Deianira schickt dem Herkules das Gewand des Nessus durch den Diener Lichas. Herkules tötet den flammenspeienden Cacus. Herkules tötet zusammen mit Iolaos die Wasserschlange. Wer auf den Herrn vertraut, wird auf ewig nicht zugrunde gehen Herkules. 1590. Herkules, durch das Tragen des Gewandes des Nessus rasend geworden, führte Iole, die Tochter des Königs Eurytus nach der Tötung ihres Vaters fort (I).
Gott ist meine Hoffnung. Wenn Gott für uns ist, wer ist dann gegen uns? (II)

Nach Io 6,47 (I, 5. Teil); nach Ps 61,8 (II, 2. Teil); Rm 8,31 (II, 4. Teil).


Kommentar

Schon O. Demus2) hat auf den südländischen Einfluß bei diesen Malereien hingewiesen und R. Milesi3) bezeichnete sie als die „künstlerisch überragendste“ Sgraffitodekoration in Österreich. Schon E. Steindl4) hat darauf hingewiesen, dass zwischen der Herkulessage und den griechischen Musen kein thematischer Zusammenhang besteht. Beachtenswert für die Zeit des Humanismus in Kärnten ist hier nicht nur die Wiedergabe der Herkules-Szenen und der neun (sieben) Musen, sondern vor allem auch die thematische Verbindung mit mehreren Bibelzitaten. Die Sgraffiti des Rieder-Hauses stellen damit ein besonderes Zeugnis der humanistischen Kunst und Bildung in der Spätrenaissance in Kärnten dar.

1) Milesi, Manierismus 22f.
2) Demus, Althofen 202f.
3) Milesi, Manierismus 22.
4) Steindl, Rieder-Haus 6–9.
Literatur

Demus, Althofen 202f. – Milesi, Manierismus 22ff. – Steindl, Rieder-Haus 6f. – Ders., Lateinische Inschriften Kärnten 143. – Hartwagner, Kärnten 248, Abb. 147. – Gollmann, Althofen 57f., Abb. 28. – Kienzl/Deuer, Renaissance 125f., Abb. 88. – Dehio Kärnten 2001, 17.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 563,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil3/kaernten-2-obj563.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten  Politischer Bezirk St. Veit an der Glan  Althofen, Salzburger Platz Nr. 6    •  Sgraffitomalerei  •  Westfassade  •  Kapitalis  •  Althofen, Salzburger Platz

Abbildungen

 zum Vergrößern anklicken
Abb. 216: Sgraffitomalerei (1590)
©  Landesmuseum Kärnten (Friedrich W. Leitner)