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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

687 Gurk, Pfk. u. ehem. Domkirche
Mariae Himmelfahrt
1629, (1631), 1654

Hochaltar, die gesamte Höhe und Breite der Mittelapsis des Gurker Domes ausfüllend; der Altar gliedert sich über einer Sockelzone bei der Altarmensa in einem zweigeschossigen Aufbau, wobei den zentrale Blickpunkt und zugleich Mittelpunkt des Altaraufbaues die Madonna im Strahlenkranz bildet, himmelwärts schwebend. Auf dem Gürtel Mariens steht eine einzeilige Is. (I). Umgeben ist sie von einem singenden und musizierenden Engelschor; manche Engel tragen Schriftbänder mit einzeiligen Iss. (II/1 links, II/2 rechts, II/3 Mitte). Darunter gruppieren sich die Zwölf Apostel, darüber die Dreieinigkeit (Taube) mit Gottvater und Christus mit dem Weltszepter. Der Thron Gottes wird flankiert von zwei Stifterinnen, rechts die selige Hemma von Gurk1), links die Kaiserin Kunigunde, beide sind durch Schriftbänder zusätzlich ausgewiesen (III/1 rechts, III/2 links). Die Sockelzone begleiten lebensgroße Statuen der vier Evangelisten als Fundament des katholischen Glaubens, darüber vertreten vier Kirchenlehrer die Tradition in der Kirche: Hieronymus, Augustinus, Gregorius und Ambrosius. In den Nischen des ersten Geschosses stehen rechts Graf Wilhelm II. von Friesach, der Gemahl der hl. Hemma von Gurk, mit erläuternden Iss. (IVa, b), und links Kaiser Heinrich II. Über Heinrich II. ist das pers. W. des Dompropstes Georg III. von Vizdom als Stifter des Altares angebracht, über Graf Wilhelm II. das Propsteiwappen von Gurk und das pers. W. des Dompropstes Johann IV. Georg von Miller, unter dem der Altar 1654 seine Fassung erhielt. Das zweite Geschoß bringt vier volkstümliche Heilige, dabei jeweils eine dreizeilige Iss. (V/1 links, V/2 rechts): hl. Georg, Thomas Becket von Canterbury, ein Papst (Leo d. Große) und der hl. Florian. Hier in der Sockelzone des Obergeschosses findet sich auch eine Jz. (VI). Im Aufsatz darüber sind vier Hll. Frauen versammelt, links die hl. Katharina von Siena (VII/1), daneben die Märtyrerin Katharina mit dem Rad, rechts die hl. Barbara, daneben die hl. Monika, die Mutter des hl. Augustinus (VII/2). Unterhalb der Is. VII/1 bzw. VII/2 steht je eine einzeilige Is. (VIII/1, 2). Die Giebelzone wird von Engeln eingenommen. Nach S. Hartwagner ist auf dem Rückendeckel einer Schnitzstatue eine Is. (IX) mit „sehr schwungvoller Schrift“2) festgehalten. Sie wurde anläßlich der Restaurierung 1955 aufgedeckt, Foto von der Is. existiert allerdings keines.

H. ± 16 m, B. ± 9 m3), (Fläche der Altarwand H. 17,50 m, B. 7,30 m). – Kapitalis.


Textedition
			

I. ECCE ANCILLA DOMINI II/1a. ROSA MYSTICA II/1b. TVRRIS DAVIDICA II/1c. TVRRIS TEBVRNEAa) II/2a. STELA MATVTINA II/2b. DOMVS AVREA II/2c. FOEDERIS ARCA II/3. IANVA COELI III/1. B(EATA)b) HEMMA FVNDATRIX / H(VI)VS / ECC(LES)IA͜Ec) III/2. CVN͜ EGVNDISb) / FVNDATRIX · BAM=/BERGENSISc) IVa. WILHELMVS COMES IVb. CHRISTVS SPES MEA V/1a. S . GEORGIVS / MILES ET / MARTYR . V/1b. S . THOMAS / CANTVARIEN(SIS)c) / MARTYR . V/2a. [S . LEO – – –/– – –]CONd) / [– – – V/2b. S . FLORIAN / MILES ET / MARTYR VI. 16 54 VII/1. S . CATHARINA SENENSIS VII/2. S . MONICA MATER S. AVGVSTIN(I) VIII/1. SPES VIII/2. TEMPERANTIA IX. Michael Hönel fertigte das Bildhauerwerk im 1629 Jar

Anmerkungen
a) für EBVRNEA.
b) alle Anfangsbuchstaben vergrößert.
c) die letzten beiden Worte in zwei Zeilen, die Bu. halb so groß wie vorher.
d) die Is. wurde nach Schnerich absichtlich „verlöscht“.

Siehe, (ich bin) die Magd des Herrn (I).
Mystische Rose (II/1a).
Turm Davids (II/1b).
Turm aus Elfenbein (II/1c).
Morgenstern (II/2a).
Goldenes Haus (II/2b).
Arche des Bundes (bzw. Bundeslade) (II/2c).
Himmelspforte (II/3).
Selige Hemma, Stifterin dieser Kirche (III/1).
Kunigunde, Stifterin von Bamberg (III/2).
Graf Wilhelm (IVa).
Christus, meine Hoffnung (IVb).
Heiliger Ritter und Märtyrer Georg (V/1a).
Heiliger Märtyrer Thomas von Canterbury (V/1b).
Heiliger Ritter und Märtyrer Florian (V/2b).
Heilige Katharina von Siena (VII/1).
Heilige Monika, Mutter des hl. Augustinus (VII/2).
Hoffnung (VIII/1).
Mäßigkeit (VIII/2).

Lc 1,38 (I).


Kommentar

Der Gurker Hochaltar wurde vom Dompropst Georg III. von Vizdom (1617–1648) in Auftrag gegeben, die Fassung erhielt er unter dessen Nachfolger Johann IV. Georg von Miller (1648–1674). Schon 1618 erteilte Propst Vizdom dem Klagenfurter Bildhauer und Steinmetz Martin Pacobello den Auftrag4), einen neuen monumentalen Hochaltar für Gurk zu fertigen. Die Auftragsvergabe war von Anfang an nicht genau definiert, Meister Pacobello geriet mit seinen Arbeiten in Verzug und so kam es 1626 zu einem Prozeß zwischen dem Künstler und dem Gurker Dompropst. Der Prozeß endete 1629 zu Ungunsten von Pacobello. Noch 1626 beauftragte der Propst den aus Pirna in Sachsen stammenden Bildhauer Michael Hönel5), einen über die Hauptapside gehenden Hochaltar zu fertigen. Meister Hönel vermochte die Erwartungen des Dompropstes Vizdom nicht nur zu erfüllen, er übertraf mit seiner Planung die ursprüngliche Konzeption, die einen etwas kleineren Altar in die Hauptapside eingestellt hätte. Dieses bedeutende barocke Altarwerk füllte nun den ganzen Raum der Hauptapside aus und wurde 1631 fertiggestellt6) (vgl. Kat.-Nr. 691), 1654 wurde von Johann Seitlinger eine neue Fassung und Vergoldung angebracht7). Das Altarwerk wird unten durch die Cosmatenmensa mit dem Wappenstein des Dompropstes von 1631 (vgl. Kat.-Nr. 691) abgeschlossen.

1) Hemma steht als Stifterin eines Klosters in Gurk, sie war der Legende nach verwandt mit Kaiser Heinrich II., der das Hochstift Bamberg mit reichem Besitz in Kärnten ausgestattet hat. Er war der Gemahl der hl. Kunigunde.
2) Hartwagner, Dom zu Gurk Bildbeschreibungen 131. – Dehio Kärnten 2001, 260. – Milesi, Manierismus 58f.
3) Nach Ginhart/Grimschitz, Gurk 128.
4) Löw, Paccobello 9f.
5) Hann, Beiträge zur neueren Kunstgeschichte 162f. – Löw, Paccobello 13. – Löw, Domführer 129. – Ginhart/Grimschitz, Gurk 128.
6) Löw, Domführer 131: er erhielt am 30 April 1632 ein Honorar von 2890 Gulden.
7) Hann, Beiträge zur neueren Kunstgeschichte 166. – Schnerich, Dom zu Gurk 78. – Löw, Domführer 132.
Literatur

Hann, Beiträge zur neueren Kunstgeschichte 162f. – Schnerich, Dom zu Gurk 77f. – Löw, Paccobello 9f. – Ginhart/Grimschitz, Gurk 128f., Abb. 127–133. – Löw, Domführer 38f., 129f. – Hartwagner, Dom zu Gurk Bildbeschreibungen 131. – Milesi, Manierismus 58f. – Dehio Kärnten 2001, 260.



Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, Kat. Nr. 687,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/kaernten-2/teil4/kaernten-2-obj687.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
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