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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

109 Langenlois, Rathausstr. 9 (Heimatmuseum) (1458?)/E. 15. Jh.

Altarpredella mit Darstellungen von Franziskanerheiligen mit Tituli, Tempera (?) auf Holz, im Ober­geschoß des Museums in der Schausammlung, aus dem Langenloiser Franziskanerkloster stammend. Breite querechteckige, oben und unten mit einem schmalen roten Streifen eingefaßte Tafel. In der Mitte Christus als Schmerzensmann (I), beseitet von zwei Engeln mit Märtyrerpalme (oder Rutenbündel?) und Essigschwamm. Ganz links Hl. Ludwig von Toulouse in bischöflichem Ornat, die Rechte klemmt ein rotgebundenes Buch mit Messingbuckelbeschlägen unter die Achsel, die Linke hält das Pedum samt Velum, rechts unten der ihm zugeordnete Wappenschild unter Königskrone, daneben der Hl. Franziskus (II), seine stigmatisierten Handflächen vorweisend. Rechts von Christus der Hl. Bernhardin von Siena (III), in der Rechten eine Monstranz als Strahlenkranz, im Zentrum das Jesugramm (IV), in der Linken ein Buch mit Buckelbeschlägen, daneben der Hl. Antonius (V), in der Linken ein Buch mit Buckelbeschlägen, ganz rechts die Hl. Klara (VI), in der Rechten eine Monstranz mit eingelegter Hostie. Alle Figuren als Halbfiguren ausgeführt und zur Mitte hin orientiert, die Ordensheiligen in brauner Kukulle mit weißem Cingulum bzw. mit weißem Wimpel und schwarzem Weihel. Namensbeischriften in den Nimben gold auf braun aufgemalt, teilweise beschädigt. Tafelbild 1961/62 und 1999 restauriert, an einzelnen beschädigten Stellen der Aufbau des Malgrunds mit einer Kreideschicht über Leinwand erkennbar.

H. 41 cm, B. 183 cm, Bu. 1,5–1,8 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien (II-III und V–VI) und Frühhumanistische Kapitalis (I und IV).


Textedition
			

I. O IES(VS)a) IES(VS)a) II. Sanctvs Francyscusb) III. Sanctus · vernhardinusb) IV. IES(VS)a) V. Sanctus · Anthonivsb) VI. Sancta [· Clara]b)

Anmerkungen
a) Nomen sacrum, Bestand: IHS.
b) vor und nach dem Namen jeweils vegetabile Ornamente bzw. Quadrangel mit angesetzten Zierhäkchen als Füllzeichen; alle Trennzeichen quadrangelförmig, teils mit angesetzten Zierhäkchen.

Wappen: Königreich Frankreich.


Kommentar

Von den Schäden, die die Verteidigungsanlagen und das Konventsgebäude des Langenloiser Franziskanerklosters im Zuge eines osmanischen Einfalls 1532 erlitten hatten, war die Ausstattung der Klosterkirche im wesentlichen verschont geblieben, sodaß die ursprünglichen, am 27. Oktober 1458 vom Passauer Weihbischof Sigmund auf Bitte des Vikars der österreichischen Provinz, Christophorus de Varisio (Cristoforo di Varese), und des Langenloiser Guardians Bernhardin von Ingolstadt geweihten Altäre noch bis ins 18. Jahrhundert erhalten blieben. Die Weiheurkunde1) nennt in der Kirche den Hochaltar zum Hl. Bernhardin von Siena, den nördlichen Seitenaltar zur Hl. Gottesmutter Maria und den südlichen Seitenaltar zum Hl. Kreuz und Hl. Franziskus Seraphikus sowie zwei Altäre zu den Hll. Antonius und Ludwig in der Sakristei. Die Predella eines der beiden hat sich vielleicht in der vorliegenden Tafel erhalten. Nicht nur sind die beiden genannten Titelheiligen der Altäre auf der Predella abgebildet, auch deren eher bescheidene Ausmaße scheinen für einen Sakristeialtar gut vorstellbar. Für die Identifizierung mit dem Ludwigsaltar würde die ausgezeichnete Position der Heiligenfigur am linken Rand sprechen sowie die Tatsache, daß sich unter den sechs 1728 neu geweihten Altären im Kirchenraum zwar ein Antonius-, aber kein Ludwigsaltar mehr findet. Während das Objekt stilistisch kaum vor das späte 15. Jahrhundert zu datieren ist, weist zwar die eher konservative singuläre Verwendung von v für den vokalischen Lautwert in Is. II auf einen früheren Zeitansatz, doch ist dagegen für 1458 der Einsatz der Frühhumanistischen Kapitalis-Formen des Jesugramms weitgehend auszuschließen. Denkbar wäre sowohl eine gegen Ende des 15. Jahrhunderts erfolgte Überarbeitung der Originalpredella oder eine Neuschaffung zum bestehenden Altar. Während die übrigen spätmittel­alterlichen Altäre der Kirche spätestens zwischen 1708 und 1730 durch Neuanschaffungen ersetzt wurden, blieb der in der Sakristei wenig öffentlichkeitswirksam aufgestellte Altar vermutlich bis zur Klosteraufhebung in situ erhalten.

Die Dreiergruppe aus den Franziskanerheiligen Franziskus, Ludwig von Toulouse und Antonius von Padua wurde im Spätmittelalter besonders als Wandmalerei häufig in Italien ausgeführt2). Die konventionelle Trias ergänzt im vorliegenden Fall neben der Hl. Klara der Patron des Langenloiser Klosters, der 1444 verstorbene und schon sechs Jahre später kanonisierte Bernhardin von Siena, der binnen weniger Jahre – wohl auch unter dem Einfluß seines in Ostösterreich als Prediger wirksam tätigen jüngeren Freunds und Weggefährten Johannes Kapistran – eine auch in Niederösterreich einiger­maßen populäre Heiligengestalt wurde und nicht nur im engeren Zusammenhang franziskanischer Frömmigkeit Verehrung fand3). Bei der Darstellung des Hl. Bischofs von Toulouse, Ludwig von Anjou (gest. 1297) ist die ikonographisch häufigere Darstellung der ihm beigegebenen drei Kronen durch die Beigabe des französischen Königswappens (Sohn König Karls II., Enkel König Karls I. und Großneffe König Ludwigs IX. des Heiligen) ersetzt worden. Während sonst reguläre gebrochene s als Gemeine der Gotischen Minuskel Verwendung finden, wird mitunter am Wortende auch ein sehr rund ausgeführtes s als verkleinerte Form des S-Versals in Sanctus eingesetzt. Der senkrechte Teil des gebrochene Bogens von h ist in Anthonivs leicht geschwungen, ohne jedoch als Schwellzug gestaltet zu sein, und reicht in den Unterlängenbereich, i trägt konsequent einen kleinen vollrunden i-Punkt. Von der zum Quadrangel reduzierten Fahne des r läuft ein Haarstrich gegen die Basislinie.

Die Frühhumanistische Kapitalis des Jesugramms (IV) entspricht mit an den Schaftenden spachtelförmig verbreitertem I, in der Buchstabenmitte mit kräftigem Nodus versehen, H mit nach oben weisendem Siculus und sehr schmalem S durchaus dem im Bearbeitungsgebiet zu Erwartenden. Dieselben Buchstaben in Inschrift I sind dagegen in Form und Proportion fast als rein kapital anzusprechen, lediglich der Schaft des I trägt einen Nodus in der Mittellinie.

1) S. den Text im Druck bei Herzog, Cosmographia 375f.
2) S. Lanc, Darstellungen 506.
3) Vgl. etwa ein um 1480 vom niederadeligen Wolfgang Arndorfer gestiftetes qualitätvolles Bildfenster in der Pfk. Neukirchen a. Ostrong, das den Stifter im Gebet kniend mit Anrufung des Hl. Bernhardin zeigt, s. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum Kat.-Nr. 44. Das Fenster hatte zu einer bereits 1469 von Arndorfer bestifteten Kapelle zum Hl. Bernhardin in der Pfk. gehört, s. DASP, PA Münichreith am Ostrong, Steuern und Stiftungen 1, Fasz. Stiftungen (1469 Mai 8; vid. Abschr. 2. H. 17. Jh.), vgl. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Reg. 75. Schon anläßlich des Einzugs des Johannes Kapistran in Wien 1451, also im Jahr nach der Kanonisation Bernhardins, hatte die Stadt Wien beim Maler Hans von Zürich ein Bild des neuen Heiligen in Auftrag gegeben, s. Perger, Künstler 269. Zu Bernhardin vgl. knapp Onorati, Bernhardin.
Literatur

ÖAW, NLH, 13. 4. 1965.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 109,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj109.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 72: Altarpredella (E. 15. Jh.), Detail
©  Bundesdenkmalamt, Wien, Fotoarchiv