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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
110 |
Maria Laach a. Jauerling, Pfk. Mariä Heimsuchung |
1480, 1514/E. 15. Jh. (?) |
Doppelflügelaltar mit Beischriften, Lindenholz (und mehrere Weichhölzer; Fichte und Tanne) polychromiert und vergoldet, als Hochaltar im Chor der Kirche. An der Vorderseite der Predella (durch die Tabernakeltüren getrennt) zwei Temperabilder der Hll. Maria Magdalena (links in grün/rotem Gewand)) und Ursula (rechts in rotem Gewand) in Rundbogenfeldern (in den jeweils äußeren Zwickeln je ein Wappenschild), unter den Figuren die goldgelb aufgemalten Namensbeischriften (I und II), auf dem Salbgefäß der Magdalena ein einzeilig schwarz beschriftetes Etikett (III). An den beiden Schmalseiten der Predella je eine Prophetenfigur (links in rotem, rechts in grün/rotem Gewand) mit einzeilig schwarz auf weiß aufgemaltem Spruchband mit roter Zeilenlinierung (IV und V). Über der Predella der mit geschnitztem und vergoldetem Maßwerk sowie krabbenbesetztem Kielbogen reich verzierte Schrein mit thronender Maria als Himmelskönigin mit Kind unter Maßwerkbaldachin, beiderseits je ein Engel, ein (Ehren-)Tuch aufspannend. Die einfach geöffneten Flügel zeigen in flachem Relief in je zwei hochrechteckigen geschnitzten Bildtafeln die Verkündigung und Geburt Christi (links; oben und unten) bzw. Heimsuchung und Anbetung der Könige (rechts; oben und unten). Verkündigung: unter rahmendem vegetabil belebten Rundbogen ein Innenraum mit Steinmauerwerk und Kreuzrippengewölbe über einer Säule. In der rechten Hälfte Maria an einem Lesepult mit aufgeschlagenem Buch, mit der Rechten ein Buch mit Buckelbeschlägen an die Brust pressend. Der Raum im Hintergrund mit einem Vorhang abgeteilt. Von links an Maria herantretend Erzengel Gabriel mit zwei Engeln als Assistenzfiguren, in der Linken einen kurzen Stab mit mehrfach gewundenem Spruchband (VI) haltend. Geburt Christi: im Vordergrund Maria und Josef mit dem Kind in der Krippe, links im Mittelgrund der Stall mit zwei bei einem Fenster heraussehenden Hirten. Reich durchgestalteter Hintergrund (Burgstadt, Brunnenszene), am oberen Bildrand über dem Dach des Stalls drei Engel, vor sich ein Spruchband (VII) haltend. Das geschlossene erste Flügelpaar zeigt in Tempera gemalte Szenen aus dem Marienleben (Beschneidung Christi, Darstellung im Tempel, Marientod und Marienkrönung). Bei vollständig geöffneten Flügeln erscheinen acht Szenen aus der Passion Christi (von links nach rechts, obere Reihe): Gebet am Ölberg, Judaskuß, Geißelung und Christus vor Pilatus bzw. (von links nach rechts, untere Reihe): Dornenkrönung, Kreuztragung, Kreuzigung und Auferstehung. Im Hintergrund der Kreuzigung (VIII) im oberen Bilddrittel Ansicht der Stadt Passau. Christus vor Pilatus: In weitem hallenartigen Raum mit dreischiffigem, netzrippengewölbten hinteren Abschluß Pilatus in dunkelblaugrauem Kleid mit großem hellgrauen Muster und rotem Mantel in der Bildmitte, rechts der gefesselte Christus in rotem Mantel, zu beiden Seiten das dynamisch auf die beiden Zentralfiguren hin orientierte Volk. Links einer Figur in Rückenansicht zugeordnetes s-förmig gewundenes Spruchband (IX), über der Rechten des Pilatus s-förmiges Spruchband (X). Am Saum des Mantels Christi von der linken Schulter bis zum unteren Rand laufende gold aufgemalte Buchstabenfolge (XI). Dornenkrönung: am Armausschnitt und Saum des kurzen Wamses des linken unteren Schergen rot auf gold aufgemalte Buchstabenfolgen (XII und XIII). Auf mehreren Tafeln pseudohebräische bzw. hebraisierende buchstabenähnliche Zeichen (als Gewandsauminschriften bzw. auf Schrifttafeln u. a.). Auf dem Schrein reiches Gesprenge, eingestellt die Figuren Christus als Schmerzensmann bzw. Paulus (links) und Johannes (rechts). Drei Jahreszahlen, an der Altarhinterseite am Oberrand der Predella (XIV) und am Nacken der Marienstatue rot bzw. weiß aufgemalt (XV, unzugänglich). Gesamter Altar vollständig farbig gefaßt bzw. vergoldet, im Rokoko überfaßt, 1809, 1841 (vom Kustos der k. k. Gemälde-Galerie, Erasmus von Engerth, und dem Bildhauer Joseph Kaehsmann) und 1950 überarbeitet. Inschriften VI und VII wohl 1841 mit dem ursprünglichen Text, jedoch in Kapitalis mit zeitgenössischen Formen übermalt. Gesamter Altar 1978 umfassend restauriert, dabei die Originalfassung von Architektur und Reliefs freigelegt, die der Figur Marias rekonstruiert. Die damals verlorenen Figuren zu Füßen Marias wurden durch Kopien der Engel vom Pacher-Altar in Gries bei Bozen ersetzt. Zuletzt 1998 gereinigt und neu gefirnißt.
H. (des gesamten Altars) 1092 cm1), B. (des gesamten Altars bei geöffneten Flügeln) 504 cm1), H.(der Flügel) 368 cm, B. (der Flügel) 122 cm1), Bu. 1,8 cm (I und II), 0,5 cm (III), 4,5 cm (IV und V), ca. 3 cm (VI–IX) bzw. 6 cm (XIII). – Frühhumanistische Kapitalis (I, II, VIII, XI–XIII) und Gotische Minuskel mit Versalien.
Textedition
I.
S(ANCTA) M(ARIA) MAIALE(NA)
II.
S(ANCTA) VRSALA
III.
Uirarsfgra)
IV.
Te · // ma//rtiru(m) · ca(n)d[idatus] · // laudat // [exerci]t(us)
V.
Te · p(ro)phetarv(m) · lautabil//isb) · nune//rusc)
VI.
Avea) // · gracia // plena domin[us]d) // tecume)
VII.
[in] excelsisf) ·
VIII.
· I · N · R · Ig) · / i · n · r · i ·
IX.
Crucifigea) · // crucifi//ge · eumh)
X.
Eccea) · homoi) ·
XI.
IACK//A[.]ARCIV//AKI//Nj) · NSDRNj) · // MRIESA//SONj) · AVCMIWHj)
· RCVIPATEMk)
XII.
RMHSVHTASRW
XIII.
SDVEDLM
XIV.
1 · 4 · 8 · 0
XV.
148l) / 1514
Anmerkungen
Wappen: Truchseß von Staatz-Drasenhofen2).
Kommentar
Ein älterer Maria Laacher Altar war bereits 1476 von Wolfgang (?) Uttendorfer bestiftet worden, die Aufstellung des gegenständlichen Hochaltars bzw. wenigstens von Teilen davon erfolgte nach den aufgemalten Jahreszahlen wohl zwischen 1480 und 1514, vermutlich als Stiftung der Schwestern Ursula Hohenberger und Magdalena Fünfkircher, Töchter des Rats, Hubmeisters und Hofmarschalls König Ladislaus’, Niklas’ (II.) Truchseß von Staatz-Drasenhofen, deren Wappen neben Darstellungen ihrer Namenspatroninnen auf der Predella abgebildet sind. Die 1545 mit Hans Truchseß von Staatz im Mannesstamm ausgestorbenen Truchsessen von Staatz-Drasenhofen waren in Maria Laach ab 1428 etwa ein Jahrhundert lang Lehensleute der bayerischen Herzöge, 1480 wurden die Laacher Lehen von Herzog Georg von Bayern-Landshut an sie ausgegeben3).
Die Verwandten der genannten Frauen, Hieronymus und Kaspar Truchseß von Staatz, hatten Stephan Uttendorfer zu Goldegg vor 1495 ein Stück Grund in der Nähe der Maria Laacher Kirche übereignet, auf dem Uttendorfer dann ein Benefiziatenhaus für einen eigenen Kaplan am von ihm gestifteten Heiligkreuzaltar im nördlichen Seitenschiff der Kirche bauen ließ. In der entsprechenden Stiftungsurkunde wurde neben regelmäßig zu lesenden Wochenmessen auch ein Jahrtag für die beiden Truchseß vorgesehen4).
Der Altar mit seiner bereits früh erkannten Verarbeitung von vorbildhaften Kupferstichen Martin Schongauers für einzelne gemalte Tafeln und Parallelen zum Kefermarkter Altar bei den Reliefs und beim Schnitzwerk wurde wiederholt – auch in Anbetracht der Passauer Stadtansicht in der Kreuzigungsszene – einer Passauer Werkstatt zugeschrieben. Christina Seidl glaubte, aus der inhomogenen und aus mehreren regional differenten Traditionen gespeisten Gestaltung der gemalten Tafeln neben unterschiedlichen Vorbildern auch die Hände mehrerer Werkstattangehöriger ablesen zu können und relativierte die Einordnung des Altars in einen Passauer Zusammenhang5). Die von Lothar Schultes in einem älteren Beitrag für Ulrich Kriechbaum reklamierte thronende Madonna samt Kind mit einem Saugläppchen im Schrein folgt einem Münchener Typus der Zeit um 1470 und könnte somit ebenso wie die Gesprengefiguren älter als der übrige Altar sein, für den Schultes zunächst eine Teilvollendung 1480, die endgültige Komplettierung erst für knapp vor 1496 annahm6). Noch 1848 waren die ursprünglich zugehörigen, offenbar im 18. Jahrhundert abgenommenen Tabernakeltüren in sekundärer Verwahrung im Maria Laacher Pfarrhof aufbewahrt gewesen. Die analog zu den Heiligendarstellungen der Predella ausgeführten Malereien zeigten damals die Hll. Katharina und Barbara an der Außenseite, die Hll. Apollonia und Margarete an den Türinnenseiten, am Altar sind heute Tabernakeltüren von 1956 eingebaut. Vor der Restaurierung von 1841 waren an der Predellenrückseite angeblich mehrere mit Kreide (?) geschriebene Graffiti mit Namensinschriften, darunter auch eine des Hans Jakob von Kuefstein (s. Kat.-Nr. 386), zu sehen gewesen7). Worauf sich die Jahreszahl 1514 an der Hinterseite der Schreinmadonna bezieht (endgültige Aufstellung des aus unterschiedlichen älteren Teilen zusammengesetzten Altars in der heutigen Form, Neufassung der Madonnenskulptur?), ist unklar.
Die abgebildete Form des Salbgefäßes der Hl. Maria Magdalena mit ausgestelltem Ober- und Unterrand entspricht dem gegen Ende des 15. Jahrhunderts nicht nur durch Bildquellen, sondern auch durch sieben erhaltene Apothekergefäße aus der ehemaligen Alten Adlerapotheke in Krems gut dokumentierten charakteristischen Behältnistyp8).
Aus inschriftenpaläographischer Sicht sind mindestens zwei verschiedene Hände zu unterscheiden, die die Beischriften in Frühhumanistischer Kapitalis angefertigt haben. Die Schrift auf dem Gewandsaum Christi in der Szene vor Pilatus weist einen stärker linearen Gesamtcharakter auf, da Haar- und Schattenlinien kaum unterschieden und freie Schaft-, Balken- und Bogenenden ohne besondere Gestaltung stumpf abgeschnitten werden. Die Einzelformen entsprechen mit Ausnahme weniger Buchstaben (epsilonförmiges E, A mit beidseitig überstehendem Deckbalken neben rein kapitalem A, retrogrades neben normalem N) und abgesehen von wenigen für die Frühhumanistische Kapitalis charakteristischen Zierlelementen (Siculus am Balken von H) völlig denen der Kapitalis, lediglich die Proportionen der insgesamt schmalen, fast gelängt wirkenden Buchstaben weisen deutlicher in den Schriftbereich der Frühhumanistischen Kapitalis. Die Schrift auf dem Ärmelloch des linken unteren Schergen der Dornenkrönung dagegen weist zusammen mit den Namensbeischriften der weiblichen Heiligen auf der Predella gemeinsame Merkmale auf. Die Buchstaben sind generell weniger schmal und weisen stärkere Stilisierungsmerkmale auf, die den rein kapitalen Kanon verlassen, wie trapezförmiges A mit beidseitig überstehendem Deck- und teilweise gebrochenem Mittelbalken sowie unziales D. Freie Schaft- und Bogenenden werden oft kräftig, meist dreieckig verbreitert, teils eingekerbt, teils gegabelt bzw. gespalten. Spielerisch findet sich auch der weit in den Oberlängenbereich ragende Schaft des L (VRSALA) mit einem geschwungenen Balken durchstrichen. Ob die wohl von einer Hand stammenden Beischriften in Gotischer Minuskel einem der beiden Schreiber der Majuskel zuzuordnen sind, oder von einem dritten Schriftgestalter stammen, ist nicht zu klären. Auffallend ist in den Inschriften IV und V neben regulärem a Kasten-a mit zwei rechtsschrägen haarfeinen Mittelbalken.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Maria Laach a. Jauerling, Pfk. Mariä Heimsuchung • Doppelflügelaltar • Beischriften • Lindenholz • Frühhumanistische Kapitalis • Gotische Minuskel mit Versalien • Altar • Beischrift • Bibelzitat • Gebetstext • Jahreszahl • Namensinschrift • Frühhumanistische Kapitalis • Gotische Minuskel mit Versalien •
Enenkel, Achaz •
Enenkel, Cornelius •
Engerth, Erasmus •
Erhart, Gregor •
Fünfkircher, Magdalena •
Fünfkircher, Veit •
Georg •
Hohenberger, Jörg •
Huber, Jörg •
Huetter, Sigmund •
Kaehsmann, Joseph •
Kriechbaum, Andreas, Martin, Stephan, Ulrich •
Prunner, Stephan •
Schatner, Matthias I. •
Schongauer, Martin •
Schultes, Lothar •
Seidl, Christina •
Truchseß von Drasenhofen, Niklas II., Hans, Hieronymus, Kaspar, Magdalena, Ursula •
Uttendorfer, Stephan •
Gföhl •
Göttweig, Benediktinerkloster •
Gries •
Kefermarkt •
Krems a. d. Donau •
Maria Laach a. Jauerling •
Mauer •
München •
Pergarn •
Salzburg •
Vilshofen, Kollegiatstift •
Wien
Abbildungen
Abb. 75: Flügelaltar (1480, 1514/E. 15. Jh.), Detail ©
Bundesdenkmalamt, Wien, Fotoarchiv
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Dich lobt das schneeweiße Heer der Märtyrer (IV.).
Dich (lobt) die lobenswerte Schar der Propheten (V).
Gegrüßet seist Du, voll der Gnade, der Herr ist mit Dir (VI).
In der Höhe (VII).
Kreuzige, kreuzige ihn (VIII).
Sehet den Menschen (IX).
Te Deum (IV und V); Lc 1,28 (VI); Gloria (VII); nach Io 19,15 (IX); Io 19,5 (X).