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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

115 Zöbing, Pfk. Hl. Martin 4. V. 15. Jh.

Flügelaltar mit Beischriften, Tempera auf Holz, im südlichen Seitenschiffchor. In die Flügeln des neugotischen Altars von 1905/06 (Leopold Hofer/Vinzenz Langer) zwei um 1876/77 in einem Bauernhaus in Senftenberg in Sekundärverwendung als Türfüllungen aufgefundene1) beidseitig bemalte spätgotische Tafelbilder (beschnitten) eingefügt (Anordnung: links innen oben neugotische Heimsuchung Mariä, unten spätgotische Geburt Mariä, rechts innen oben neugotische Geburt Christi, unten spätgotische Verkündigung, links außen oben neugotische Dornenkrönung Christi, unten spätgotische Geißelung, rechts außen oben neugotischer Sturz Christi unter dem Kreuz, unten spätgotische Kreuzigungsgruppe). Szene Geburt Mariä: in Raum mit spätgotischer Balkendecke vor punziertem Goldgrund Maria in blauem Kleid und weißem Schleier im Bett unter gold/schwarzer Brokatdecke liegend, rechts eine Magd in rotem Unter- und grünem Oberkleid mit weißer Bundhaube, das Neugeborene in einem hölzernen Amper waschend. Ganz links vorne auf dem Ziegelfußboden hellgrauer, dunkelblau und schwarz ornamentierter Henkelkrug mit drei weißen Lilien, an der Vorderseite blaugrauer Marienname (I). Verkündigungsszene: vor punziertem Goldgrund links der Erzengel Gabriel in Alba und rotem Schultermantel, ein senkrecht gestelltes gefälteltes Spruchband mit schwarz aufgemalter Inschrift (II) zwischen den sichtbar gebliebenen roten Linierungen haltend, rechts in Rundbogenarchitektur Maria in rotem Kleid und blauem Schultermantel an einem Lesepult stehend, ein Buch mit rotem Deckel in der Hand. Kreuzigungsszene: vor schwarz übermaltem Bildgrund Christus am Kreuz, am oberen Bildrand, leicht beschnitten bzw. von der Rahmung überdeckt, der schwarz auf weiß aufgemalte Kreuzestitulus (III), links Maria in blauem, fast schwarzem Kleid mit weißem Schleier, rechts Johannes in grünem Kleid und rotem Mantel. Geißelungsszene ohne Beischrift. 1935 teilrestauriert und überfaßt (Fa. Wilhelm Kohlich, Wien). Durch Hochwasser vom August 2002 Mensa und Predella stark beschädigt, gesamter Altar 2003/04 in den Amtswerkstätten des BDA aufwendig restauriert.

H. (der spätgotischen Tafeln, mit Rahmen) 78 cm, B. 74 cm, Bu. 0,8 cm (I) bzw. 1,7 cm (II) und 4 cm (III). – Gotische Minuskel mit Versal.


Textedition
			

I. maria II. · Auea) gratia · // · plena domin(us) tecvmb) III. ·i·n·r·ic)·

Anmerkungen
a) am Beginn Quadrangel mit angesetztem Zierhäkchen; Versal rot.
b) dritter Schaft des m unter dem eingerollten Ende des Spruchbands.
c) Trennzeichen quadrangelförmig.

Gegrüßet seist du, voll der Gnade, der Herr ist mit dir (II).

Lc 1,28 (II).


Kommentar

Die Datierung folgt weitgehend dem nach stilistischen Kriterien in der unten genannten Literatur vorgeschlagenen Ansatz für die Malereien.

Der rot aufgemalte Versal A in Is. II zeigt pseudounziale Grundform in breit trapezförmiger Ausprägung, der linke, mit fetter Bogenschwellung versehene Schrägschaft wird innen von einem parallelen Haarstrich begleitet, der rechte Schrägschaft ist an der Basislinie stark spachtelförmig verbreitert, der Mittelbalken verläuft rechtsschräg, der beiderseits weit überstehende Deckbalken bildet kräftige Sporen aus. Der gebrochene untere Bogen des g holt nach rechts aus, der waagrechte Teil zieht als spitz auslaufender duchgebogener Schwellzug nach links, am Brechungspunkt des rechten oberen Bogen­abschnitts sitzt ein kurzer Balken, von dem eine Haarzierlinie, in einer tropfenförmigen Verstärkung endend, gegen die Basislinie zieht.

1) Die Fundsituation und der Ankauf am ausführlichsten beschrieben von Johannes Fahrngruber, der die Tafelbilder um 1896 noch in Verwahrung im Zöbinger Pfarrhof sah: „Zwei mittelalt. Tafelgemälde – auf Holz – längere Zeit eine Küchenthüre zu Senftenberg bildend. Pf. Ertl pr. 5 fl.“, s. DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 290.
Literatur

DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 290. – ÖKT 1, 31 und 576–579 (Fig. 477–479). – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 387 und Taf. LXXXIX. – Plesser, Kirchengeschichte (1954) 96 (die Tafelbilder „aus Bayern stammend [?] und in einem Bauernhause gefunden“). – ÖAW, NLH, 13. 4. 1965. – Eppel, Waldviertel 59 und 240 (um 1480). – Eppel, Kunst 234 (um 1480). – Zotti, Kunst 2, 432. – Dehio Nord 1332 (Tafeln „um 1480“, Datierung des Altars fälschlich 1882). – Koller, Flügelaltäre 3–5 (Abb.) und 6f. – Höring/Koller/Vigl, Restaurierung passim.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 115,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj115.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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