Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
24† |
Spitz, Pfarrhof |
1. H. 14. Jh. |
Spruchinschrift, Wandmalerei, ehemals in der früheren (Wasch-)Küche im Osttrakt des Gebäudes im Erdgeschoß (?) wohl knapp unterhalb der Zimmerdecke an der Wand. Schwarz oder farbig aufgemaltes Schriftband zwischen zwei rahmenden Leisten. 1937 aufgedeckt (und offenbar restauriert), später wieder übermalt.
Gotische Majuskel.
Standortangabe, Beschreibung und Textwiedergabe nach rückseitig beschriftetem Schwarzweiß-Foto von Erich Schöner, Spitz, in ÖAW, NLH.
Textedition
– – –]USa) · EVE · PAXb) · ESTc) · IN CELLAd) · S(ED)e) N[– – –
Anmerkungen
Kommentar
Der auf dem Foto überlieferte Ausschnitt dürfte nur ein kleiner Teil einer längeren Inschrift religiösen oder spruchhaften Inhalts sein. Die Junktur „Pax est in cella (…)“ stellt die ersten Versfüße eines Hexameters dar, der in der Mitte des 14. Jahrhunderts offenbar sentenzartig in monastischer Literatur weit verbreitet war. Den vollständigen Hexameter „Pax est in cella, foris autem plurima bella“ (In der Zelle ist Frieden, draußen aber überall Unfriede) zitiert etwa der Prager Theologe und nachmalige Bischof von Worms, Matthäus von Krakau, in einer Predigt „De modo confitendi“1) ebenso wie in leichter Abwandlung als „Pax est in cella, foris autem non nisi bella“ der italienische Augustinereremit Wilhelm de Flete in einem Brief an die Augustinereremiten der englischen Provinz2). 1481 und 1509 führte der Autor des „Dialogus creaturarum moralizatus“ (Nikolaus Pergamenus oder Maino de Maineriis) die Sentenz als (nicht nachweisbares) Zitat aus den Vitaspatrum (?) an3).
Möglicherweise sollte die solcherart in den Zusammenhang monastischer Gebrauchsliteratur verweisende Inschrift den Pfarrer bzw. Pfarrvikar von Spitz, der auch schon im Spätmittelalter öfters aus dem Niederalteicher Konvent stammte (s. Einleitung S. XLV) an die Wahrung klösterlicher Zucht auch außerhalb des Mutterklosters erinnern. 1308 fungierte Otto, 1320 und 1328 Ulrich, 1358 Rich(k)er, 1361 Peter und von wenigstens 1362 bis 1376 (mit Unterbrechungen?) Friedrich Upshover (Upsoner?), Konventuale von Gleink, als Pfarrer bzw. Pfarrvikar von Spitz4).
Zu Wandmalereien im zweiten großen Niederalteicher „Amtsgebäude“ in Spitz, dem Erlahof, s. Kat.-Nr. 14 und 29.
Die moderat breiten Buchstaben weisen durchwegs starke Bogenschwellungen auf, während die offenen Buchstabenbestandteile mit feinen, oft tropfenförmig auslaufenden Haarlinien geschlossen werden. Im überlieferten Teil der Inschrift überwiegen runde Buchstabenformen, wobei zahlreiche Doppelformen auftreten: etwa A als pseudounziales A mit geradem rechten Schaft, gebrochenem Balken und als Haarstrich links überstehendem Deckbalken neben vollrundem A mit geradem Balken und links keilförmig überstehendem Deckbalken, E als geschlossenes unziales E, einmal mit gewöhnlicher runder linker Bogenaußenlinie sowie als Parallelform mit links schaftartig eingezogener Bogenaußenlinie und weit ausgezogenen serifenartigen Haarstrichen, L mit geradem Schaft und keilförmigem Balken sowie mit durchgebogenem, unten spitz zulaufenden Schaft und geschwungenem Balken mit starker Schwellung und tropfenförmigem Zierpunkt. Rundes T weist einen kompliziert aus leicht rechtsschräg tropfenförmig auslaufendem kurzen linken Balkenabschnitt und an diesem ansetzendem feinen durchgebogenen rechten Balkenabschnitt zusammengesetzten Balken auf. Die Nähe zu gleichzeitigen Majuskelauszeichnungsschriften des urkundlichen und Buchbereichs äußert sich nicht nur in der Gestaltung der Worttrenner aus mehreren dreieckig oder keilförmig zusammengesetzten Punkten, sondern vor allem in der des als Initiale ausgeführten P, das mit einer durchbrochenen Binnenzeichnung versehen ist und möglicherweise auch im Unterschied zu den wohl schwarz ausgeführten anderen Buchstaben im Original rot angelegt war5). Die auffallend exakte Ausführung der Inschrift, wobei gleiche Buchstaben in nur minimal abweichender Größe und Form auftreten, legt die Annahme der Verwendung einer Schablone nahe, worauf auch das retrograde S in EST hindeuten könnte.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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