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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

26 St. Michael, Fk. Hl. Michael (nach 1352)

Drei Fragmente der Grabplatte des Georg von Wachau, roter Marmor, Fragment 1 und 2 als Stufen zum Chor unter dem Triumphbogen sekundär verwendet, Fragment 3 im Boden des Chors an der Nordwand unmittelbar neben der Hochaltarmensa. Zwischen zwei begrenzenden Linien angeordnete Umschrift, im ersten Schriftband nach Kreuzeszeichen im zweiten Drittel der Fläche einsetzend. Fragment 1 querrecht­eckig mit Ende des vierten, erstem, und Beginn des zweiten Schriftbands, Fragment 2 querrechteckig mit kurzem Teil des zweiten Schriftbands, Fragment 3 querrechteckig mit Teil des zweiten Schriftbands. Besonders Fragment 1 und 2 stark abgetreten.

H. 95 cm (Fragment 1) bzw. 50 cm (Fragment 2) und 26 cm (Fragment 3), B. 34 cm (Fragment 1 und 2) bzw. 55 cm (Fragment 3), Bu. 7–7,5 cm. – Gotische Majuskel.


Textedition
			

+ A͜NNO · D(OMI)NI · Mo · / CCCo[– – –]a) // [– – – O]BIIT · D(OMI)N(U)Sb) · [G//E]ORI(US) · DE · WA//[CHOVIA · PLEBANU]Sc) · I(N) · ST͜E/CZd) ·

Anmerkungen
a) hochgestellte Kasusendungen klein über der äußeren rahmenden Linie nahe am Plattenrand; folgt Inschrift von Fragment 2.
b) nach D(OMI)N(U)S noch die linke Bogenaußenlinie eines zu G zu ergänzenden Buchstabens sichtbar; danach folgt Inschrift von Fragment 3.
c) ergänzt nach dem Zusammenhang; evtl. auch WA[CHAW]; folgt Inschrift von Fragment 1.
d) Nexus litterarum T/E: am Schaft des T Mittel- und unterer Balken des E angesetzt; von C der Bogen deutlich, nur schwach die sporenförmigen, den Buchstaben mit einer abgetretenen Haarlinie schließenden Bogenenden sichtbar; alle Trennzeichen vollrund eingebohrt.

Im Jahr des Herrn 13(…) starb Herr Georg von Wachau, Pfarrer in Staatz.


Kommentar

Georg von Wachau stammte offenbar aus einem im 13. und 14. Jahrhundert mit einzelnen Vertretern urkundlich schwach belegten niederadeligen Geschlecht „von Wachau“ und dürfte wenigstens niedere geistliche Weihen empfangen haben. Urkundliche Quellen zeigen ihn in Verbindung mit den Dürnsteiner Kuenringern bzw. dem Kloster Göttweig. 1348 war er – offenbar auf Vermittlung Abt Wulfings (Wolfgangs) (I.) von Göttweig (s. Kat.-Nr. 521†) – zusammen mit Pfarrer Heinrich von Gobelsburg und zwei Laien Spruchmann im Streit zwischen dem Kloster Herzogenburg und den drei Brüdern Konrad (Pfarrer von Eibenstein), Jordan und Martin Zehentner zu Raabs wegen des dortigen Zehenthofs und besiegelte neben anderen die Frühmeßstiftung des Ybbser Richters Dietrich und dessen Frau Katharina an die Kirche in Weißenkirchen1). 1338, 1344 und 1348/49 war er Pfarrer von Mühlbach (entweder die dem Kloster Göttweig inkorporierte Pfarre Hl. Martin in Mühlbach am Manhartsberg oder die St. Florianer Pfarre Hl. Margarete in Niederranna, damals mitunter statt Mühldorf auch Mühlbach genannt), und wenigstens seit 1348 Pfleger der Kuenringer in der Wachau. In diesem Amt fungierte er zwischen 1349 und 1352 mehrfach als Siegelzeuge bei Rechtsgeschäften des Dürnsteiner Klarissenklosters2). Zum Zeitpunkt seines Todes scheint er nach Ausweis der Inschrift die Pfründe der Pfarre Staatz genossen zu haben. Ein Teil der urkundlichen Nennungen weist ihn jedoch signifikanterweise nicht als Kleriker, sondern lediglich als Herrn Georg von Wachau aus3).

Die Pfarrkirche St. Michael war offenbar die alte Begräbnisstätte der Vorfahren Georgs4).

Angesichts der zu erschließenden Datierung der Grabplatte überraschen mehrere konservative Formen wie das – wenn auch durch den Nexus litterarum mit T bedingte – E in kapitaler Grundform am Ende des dritten Schriftbands, (kapitales) T mit mächtigen dreieckigen Sporen am Balken und symmetrisches offenes unziales M mit leicht umgebogenen Bogenenden. Es steht zu vermuten, daß ursprünglich neben den „eckigen“ (kapitalen) Formen auch die entsprechenden „runden“ (unzialen) Buchstaben als Zweitformen verwendet worden waren. In Gesamteindruck und Einzelfomen erinnert die Inschrift an jene der Grabplatte des Andreas N. (Kat.-Nr. 20), die jedoch vermutlich noch vor der Jahrhundertmitte entstanden ist.

1) S. StiA Herzogenburg, H. n. 223a (1348 Juni 11: Die drei oben genannten Brüder, Söhne des Otto Zehentner zu Raabs, überlassen dem Kloster Herzogenburg gegen Entschädigung alle ererbten Ansprüche auf den Zehenthof in Raabs und die dorthin gehörenden Zehenten. Als Zeugen fungieren die Verwandten der Aussteller, der Raabser Richter Weikhard und Niklas auf der Prukke, Siegelzeugen sind der offenbar für das Zustandekommen des Vergleichs mit Herzogenburg verantwortliche Abt Wolfgang von Göttweig und die wohl von jenem ausgewählten oben genannten „schidleut“, zu denen auch Leb Truchseß und Konrad der Stozzel gehören), Fuchs, Mühlbach 853 und Plesser, Kirchengeschichte (1951) 519f. (1348 September 8).
2) Vgl. StiA Herzogenburg, K. n. 116 (1349 Februar 1; Bertold in dem Thalgraben zu Dürnstein und seine Frau Elisabeth verkaufen dem Dürnsteiner Klarissenkloster 1 lb. den. Dienst auf einem halben Weingarten im „Wenighaital“/Michelheutal), K. n. 117 (1349 April 24; Friedrich, Sohn des Leb am Kremsweg, und seine Frau Leukart reversieren über den von ihnen gegen eine jährliche zu Martini [November 11] zu erlegende Summe von ½ lb. den. in Bestand genommenen Weingarten des Dürnsteiner Klarissenklosters in der Achleiten bei Weißenkirchen, der der Pfk. Weißenkirchen dienstpflichtig ist), K. n. 121 (1351 August 3; Konrad Fritzelsdorfer von Lengenfeld und seine Frau Margarete verkaufen dem Klarissenkloster 6 lb. den. Burgrecht in Lengenfeld um 66 lb. den.) und K. n. 124 (1352 Mai 3; Erhard Weinmeister und seine Frau Kunigunde verkaufen dem Kloster das Harlandholz hinter der Burg Dürnstein), vgl. Gröbl, Klarissenkloster 38f., Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 488 (1349 April 5; Leibgedingsrevers der Elisabeth, Witwe nach Heinrich Chnoll von Dürnstein, über eine Göttweiger Hofstatt in Flinsdorf) und Ders., Mühlbach 853 (1349 April 5). Plesser, Kirchengeschichte (1911) 233 interpretierte Mühlbach als Mühldorf und bezeichnete Georg von Wachau daher als Pfarrer der St. Florianer Pfarre Hl. Margarete in Niederranna/Mühldorf von 1344 bis 1348. Fuchs, Mühlbach 853 bezog Mühlbach dagegen wohl zutreffender auf Mühlbach a. Manhartsberg (das Siegel Georgs zeigt den Kopf des Hl. Martin, des Patrons der Pfk. Mühlbach a. Manhartsberg) und erkannte jedenfalls keine Diskrepanzen zur ebenfalls von ihm konstruierten Reihe der Pfarrer von Mühldorf, vgl. Fuchs, Mühldorf passim. Als Pfarrer von Mühlbach fungierte er bereits 1338 neben anderen als Schiedsrichter Hans’ von Kuenring in einer Streitsache zwischen dem Kloster Imbach und mehreren Inhabern von Lengenfelder Gülten, s. HHStA, AUR 1338 XI 11, vgl. Plesser, Kirchengeschichte (1932) 596, Anm. 10 (Mühlbach hier auf Mühldorf/Niederranna bezogen) und Hausmann, Neudegger 17. 1341 erscheint er ohne nähere Funktionsbezeichnung als Spitzenzeuge in der Verkaufsurkunde der Willbirg, Witwe des Kotteser Richters Heinrich, und deren Sohn Konrad über einen Hof in Kottes an Göttweig, s. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 420 (1341 März 18; als Siegler anstelle der Aussteller Jans [Hans I.] und Leutold [II.] von Kuenring, unter den Zeugen Konrad Fritzelsdorfer). 1344 besiegelte er neben Leutold (II.) von Kuenring den Stiftbrief des Konrad Flander von Wösendorf über zwei Wochenmessen in Wösendorf, 1348 erscheint er als Pfarrer von Mühlbach und Pfleger von Wachau in einem Weißenkirchener Stiftbrief, s. Plesser, Kirchengeschichte (1932) 597, Anm. 1, und Ders., Kirchengeschichte (1954) 71. Als Siegler einer Imbacher Urkunde des Kuenringer Schreibers Stephan (von Haslach? vgl. Kat.-Nr. 40) wird er neben Leutold (III.) von Kuenring und Stephan von Maissau lediglich als Georg von Wachau genannt, s. HHStA, AUR 1351 III 5.
3) Die Position Georgs in der Aufführung der Siegelzeugen von 1348 (s. Anm. 1) zwischen dem Göttweiger Abt und dem Pfarrer von Gobelsburg gibt diesbezüglich aber auch implizit Aufschluß.
4) Vgl. eine Stiftung Ulrichs von Wachau von 1381, dem vom Kloster St. Florian im Revers freigestellt wurde, seine Grabstätte in der Pfk. St. Michael als dem Beisetzungsort seiner Vorfahren oder in Weißenkirchen vor dem von ihm bestifteten Allerheiligenaltar zu wählen, s. Plesser, Kirchengeschichte (1911) 282 und Ders., Kirchengeschichte (1951) 521 (1381 Juni 23; Revers des Klosters St. Florian).
Literatur

StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 113v. – DASP, Nachlässe 5, Heft K, fol. 14r. – ÖAW, NLH, 27. 8. 1962. – Dehio Nord 1022.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 26,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj26.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 21–22: Grabplattenfragmente des
Georg von Wachau (nach 1352)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)