Inschrift-logo

  Suche         Druck     Hilfe  

 

Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

4 Spitz, Pfk. Hl. Mauritius 3. Dr. 13. Jh.

Teil der Grabplatte des Konrad von Praitenloh, hellgrauer Granit, innen an der Südwand des südwestlichen Kapellenanbaus (Antoniuskapelle) im Boden. An zwei Rändern der Platte winkelförmige Beschriftung. Ein im oberen Drittel der Platte in der Längsachse eingehauenes vertieftes kleines kreisrundes Feld mit einer heraldischen Lilie ist nach 1962 durch die Basis eines auf die Platte versetzten Tauf beckens verdeckt worden.

H. 144 cm, B. 76 cm, Bu. 8 cm. – Romanische Majuskel.


Textedition
			

+ CHVNR[A]/T · VO(N) PRAITENLOHCa)

Anmerkungen
a) sic! Drei übereinandergestellte Punkte als Trennzeichen.

Kommentar

Konrad von Praitenloh ist im bearbeiteten Quellenmaterial nicht faßbar. Ein Rüdiger (Rudger) von Praitenloh erscheint urkundlich 1243, 1328 stifteten Ulrich und sein Sohn Meinhard von Praitenloh einen Jahrtag in der Pfarrkirche Spitz für den im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts urkundlich häufig als Klient Leutolds (I.) von Kuenring aufscheinenden Pilgrim (d. J.?) von Dobra. Vermutlich standen auch die Praitenloh im Dienst der Kuenringer. Ob jener „Stephan an der Braitenlaah“, Zechmeister von Spitz, der 1376 Gülten zum Unterhalt des Ewigen Lichts am Spitzer Gotthardsaltar und einen Jahrtag in der Pfarrkirche stiftete, mit den älteren niederadeligen Praitenloh verwandt war, ist unklar. Eine Häusergruppe im Spitzer Ortsteil Marstal trägt noch heute den Namen Breitlach1).

Die Platte entspricht in der winkelförmigen Beschriftung und im knappen Formular (Kreuzzeichen/ bloßer Name) dem Typus eines Teils der Heiligenkreuzer Grabplatten des 13. Jahrhunderts2). Die Inschrift selbst weist bei insgesamt noch sehr linearer Gestaltung der Buchstaben bereits für die Ausbildung der Gotischen Majuskel produktive Merkmale auf, so etwa starke dreieckige bzw. gabelförmige Sporen und dadurch eine beginnende optische Einschnürung der Schaftmitten. An Einzelformen stehen dem weniger fortschrittlichen moderat breiten A in Trapezform mit starkem beiderseits überstehenden Deckstrich und tief angesetztem Balken, den kapitalen N, T und V das durch eine geraden Schlußstrich geschlossene unziale E mit beginnender leichter Schwellung der Bogenlinie, unziales H mit stark geschwungenem und leicht einwärts gekrümmtem Bogen, sowie C mit beginnender Schließung der Bogenlinie durch weit ausgezogene Sporen gegenüber. An C und E läßt sich sehr deutlich die Genese der für den Beginn des 14. Jh. im Bearbeitungsgebiet typischen Gestaltung der Schlußstriche nachvollziehen, nämlich eine klare Trennung von geradem, senkrechten Schlußstrich zwischen oberem und unterem Bogenende und den daran angesetzten nach außen weisenden Sporen; durchgebogene Schlußstriche, die über die beiden Bogenenden hinausragen und somit die optische Funktion der stark ausgezogenen Sporen übernehmen, werden erst einige Jahre nach 1300 allgemein3). O ist bei einheitlicher Bogenstärke vollrund, P weist ebenfalls bereits leichte Bogenschwellung und einen starken Sporn am oberen Schaftende auf, R hat eine geschwungene und leicht ausgestellte Cauda. Insgesamt weist die Inschrift bei recht lockerem Gesamtbild ein beachtliches Gestaltungsniveau und einen klaren Formwillen auf.

1) S. Kerschbaumer, Beiträge (1890a) 263f., Plesser, Kirchengeschichte (1951) 256 (1328 April 24), und Schöner, Geschichte 1, 59. Als Zeugen der Urkunde von 1328 fungierten u. a. der Spitzer Richter Rudolf Wolfenreuter und Dietmar von Praitenloh. Zu den Brüdern Arnold und Pilgrim von Dobra, die oft zusammen mit Heinrich (d. Ä.) von Schwallenbach als Zeugen Leutolds von Kuenring fungierten, s. vor allem die Urkunden des Dürnsteiner Klarissenklosters, etwa StiA Herzogenburg K. n. 39 (1300 November 8) u. a. und vgl. Kat.-Nr. 49.
2) Vgl. Koch, Zu den Babenbergergräbern 203f.
3) Vgl. verschiedene C- und E-Formen auf dem sog. „Kumanenstein“ von etwa 1304 im Benediktinerkloster Altenburg, s. Zajic, Kumanenstein passim. Die solcherart trapezförmige Schließung des Bogens, aus einem schmalen geraden Schlußstrich und fetten Sporen entstanden, wird auf Denkmälern des frühen 14. Jh. sogar tlw. wieder mit Haarlinien wiedergegeben, sodaß die vormals von den Außenlinien der Sporen gebildeten Teile des Schlußstrichs nun wie Brechungen einer durchlaufenden Linie wirken, s. etwa entsprechende C-Formen auf der Grabplatte einer Gebwirg von 1303 (?) in der Pfk. Altpölla. Ähnliche Ausbildungen der Schlußstriche existieren aber auch noch im fortgeschrittenen 14. Jh., s. etwa die Grabplatte des Heinrich Tuchel von 1342 in der Pfarrkirche Friedersbach, s. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 3.
Literatur

ÖAW, NLH, 29. 9. 1962. – Schöner, Abriß 36. – Schöner, Geschichte 1, 59 und 188. – Dehio Nord 1107. – Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 1 (Abb. 1). – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 241.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 4,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj4.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Spitz, Pfk. Hl. Mauritius    •  Grabplatte  •  Granit  •  Romanische Majuskel  •  Inschriften des Totengedenkens  •  Arnold von Dobra  •  Kuenring  •  Kuenring, Leutold von  •  Schwallenbach, Heinrich d. Ä. von  •  Pilgrim von Dobra  •  PraitenlohDietmar vonKonrad vonMeinhard vonRüdiger vonUlrich von  •  Stephan an der Braitenlaah  •  Tuchel, Heinrich  •  Wolfenreuter, Rudolf  •  Altenburg, Benediktinerkloster  •  Altpölla  •  Breitlach  •  Dürnstein, Klarissenkloster  •  Friedersbach  •  Gebwirg  •  Heiligenkreuz, Zisterzienserkloster  •  Marstal

Abbildungen

 zum Vergrößern anklicken
Abb. 4: Grabplatte des Konrad
von Praitenloh (3. Dr. 13. Jh.)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)