Inschrift-logo

  Suche         Druck     Hilfe  

 

Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

41 Göttweig, „Apothekergang“ 1403, 1415, 1418

Bauinschrift der alten Gotthardskirche und Gedenkinschrift sowie Sterbevermerk des Fr. Ulrich Lösel von Eferding, grauer Sandstein mit Resten farbiger Fassung, seit 1981/82 im sogenannten Apothekergang an der Nordwand der vierte Stein von Osten, unmittelbar über Kat.-Nr. 43, bis 1719 in der Gotthardskirche nahe dem linken Seitenaltar Mariä Himmelfahrt an der Nordwand, 1958 im Apothekergang an der Südwand der fünfte Stein von Westen, dort vielleicht schon seit wenigstens 1777. Querrechteckige Platte mit zehnzeiliger, in Resten schwarz nachgezogener Inschrift in einfacher, ehemals grün gefärbter Hohlkehlen­rahmung. Die vormals Rotmarmor vortäuschend gefaßte Leistenrahmung teilweise ausgebrochen.

H. 78,5 cm, B. 102,5 cm, Bu. 4,5–5,5 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

Anno · d(omi)ni · m · cccco · iijo · venerabilis · in ch(rist)oa) · / p(at)ris · ac · d͜omini · d(omi)ni · petri · de s(an)cto · ypoli/to · tv(n)c · abbatis · in · Gottwico · d͜e · (con)sensu · et / fauore · et chr(ist)ifid͜eliu(m)b) · svffragio · f(rate)r · vlric(us) · d(i)c/(t)us · loselc) · d͜e · Euerdinga · hui(us) · monasterij · / p(ro)fess(us) · i(n)vigilia · o(mn)i(u)m · s(an)c(t)or(um) · fundit(us) · i(n)choa(n)d͜o · / p(rese)ntis · eccl(es)ie · structura(m) · osid) · d͜euot(us) · coop(er)ator · / fuit · (et) p(ro)uisor · p(er) · q(uem) · a(nn)oe) · d(omini) · xvo · op(us) · e(st) · p(er)f(ec)t(u)m Obijt / aute(m) · id͜em · f(rate)r · Anno · d(omi)ni · mo · cccco · <xv·iijo> / <– – –> h(ic) · sepult(us) · petite · p(ro)eo · p(ro)pt(er) · d(eu)mf)

Anmerkungen
a) Bestand: inxo mit Kürzungszeichen, Kasusendung hochgestellt.
b) sic! Bestand: xpifideliu(m) mit Kürzungszeichen.
c) über o kleines e übergeschrieben.
d) sic! vermutlich Verschreibung statt quasi.
e) Kasusendung hochgestellt.
f) Worttrennzeichen quadrangelförmig.

Im Jahr des Herrn 1403 war mit Zustimmung und Willen des in Christus ehrwürdigen Paters und Herrn, Herrn Petrus von St. Pölten, damals Abtes in Göttweig, und aufgrund einer Abstimmung der Mönche Frater Ulrich von Eferding, genannt Lösel, Profeß dieses Klosters, beim Anfang des völligen Neubaus der gegenwärtigen Kirche am Vortag von Allerheiligen hingebungsvoller Mitarbeiter und Aufseher, durch den im Jahr 1415 der Bau vollendet wurde. Derselbe Frater aber starb im Jahr des Herrn 1418 (und liegt) hier begraben; bittet bei Gott für ihn.


Datum: 1403 Oktober 31.


Kommentar

Die alte Gotthards(pfarr)kirche südlich der Klosterkirche, ursprünglich vermutlich zwischen 1132 und 1135 errichtet, wurde unter Abt Petrus (II.) von St. Pölten (s. Kat.-Nr. 55) zwischen 1403 und 1415 durch eine geräumige zweischiffige Hallenkirche ersetzt. Die vorliegende Bauinschrift ist die einzige Quelle, die den Namen des Bauleiters aus dem Göttweiger Konvent, Fr. Ulrich Lösel von Eferding, Verwalter der Kirchenfabrik und wenigstens 1407 und 1411 zugleich Klosterpfarrer, nennt. Die Mitteilung des Baufortschritts wird ebenso wie in diesem Denkmal, offenbar 1415 anläßlich der Fertigstellung der Gotthardskirche entstanden, auch in der von derselben Werkstatt angefertigten Bauinschrift des gotischen Kreuzgangs samt Kapitelsaal (s. Kat.-Nr. 43) mit der Gedenkinschrift samt Sterbevermerk der maßgeblich beteiligten Person verknüpft. Die ursprünglich ausgesparte Jahresangabe des Sterbevermerks Lösels wurde 1418 nachgetragen, während der für ihn naheliegende Bestattungsort in dem von ihm während des Neubaus beaufsichtigten und seelsorglich betreuten Kirchengebäude schon zu Lebzeiten festgestanden hatte. Die bereits 1411 mit einer Bildfensterstiftung bedachte, aber erst am 26. Mai 1437 zusammen mit den Kapellen bzw. Altären im neuen Kreuzgang (Hl. Barbara bzw. Kapitelsaal, Hll. Katharina und Anna) (neu) geweihte Gotthardskirche, in der Frühen Neuzeit auch als Altmannikirche bezeichnet, stellte bis zu ihrem Abbruch zwischen 3. und 11. Juni 1719 die Pfarrkirche des Klosters und zusammen mit dem umgebenden Friedhof einen hochrangigen Bestattungsort für mehrere Äbte und Konventualen und den im Kloster bediensteten Niederadel sowie den Adel der Umgebung (vgl. Kat.- Nr. 301†, 370†, 415†, 416†, 420†, 439†) dar1).

Eine zeitlich und gestalterisch vergleichbare Bauinschrift von 1444 an der Langhauswestwand der ehemaligen Steiner Minoritenkirche nennt als Verantwortlichen für die infolge eines 1440 aufgetretenen Donauhochwassers notwendigen Reparaturmaßnahmen den Guardian des Klosters, Peter von Enns, und verknüpft mit dem Fertigstellungsvermerk des Gebäudes die Mitteilung des dafür kausalen Naturereignisses2).

Die Inschrift wurde offenbar von derselben Werkstatt ausgeführt wie die zwei Jahre jüngere Bauinschrift des alten Göttweiger Konventsgebäudes und die erst 1432 bzw. 1439 entstandenen Grabplatten Abt Petrus’ (II.) von St. Pölten und Abt Lukas Lauchlaibls von Stockstall (Kat.-Nr. 43, 55 und 59). Während die Übereinstimmung der gedrungeneren Schriftformen zwischen den drei letztgenannten Denkmälern ingesamt größer ist, verwendet auch die vorliegende Inschrift dieselben Einzelformen, wenngleich in dichterer und gedrängterer Schreibweise. Mit der jüngeren Bauinschrift stimmen die kurzen geraden, rechtsschräg abgeschnittenen Kürzungsstriche, die rund eingebohrten Worttrenner und die charakteristischen, teils gebrochenen us-Haken sowie tironisches et völlig überein, der deutlichste Zusammenhang zu den Grabplatten besteht in der identischen pseudounzialen Form des Versals A (hier Z. 9).

Es liegt nahe, in den ausführenden Kräften der Inschriften angesichts der hohen zeitlichen und stilistischen Kontinuität jene vielleicht in Göttweig selbst zu lokalisierende Werkstatt zu vermuten, die zwischen 1403 und 1417 mit Bauplastik zu den oben genannten Umbauten beschäftigt war. 1415 fertigte die Werkstatt offenbar auch die Grabplatte des Stephan von Haslach (Kat.-Nr. 40) an.

1) Vgl. StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 92 (Schenggl), pag. 89, Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 967 (1407 Juli 5, Göttweig; Fr. Ulrich, Pfarrer der Göttweiger Pfk., bestellt Prokuratoren im Streit mit Konrad Walich wegen eines der Kirchenfabrik gestifteten Palliums) und Zedinek, Göttweig 74f. mit anachronistischer Bezeichnung Lösels (hier: „Löcel“) als „Architekt aus Eferding“ und unzutreffender Einordnung als „Laienprofeß“; die Bezeichnung als Frater wurde im Spätmittelalter auch ordinierten Konventualen beigegeben, s. auch Lechner, Stift 31 („Ulrich Löchel, Architekt aus Eferding“) und Lashofer, Professen 66. Lösel bzw. seine Familie ist in Eferdinger Quellen nicht faßbar, wie mir Roland Forster freundlicherweise mitteilte. Der 1406 bei der Schätzung der Einkünfte der Göttweiger Pfarre Mautern neben lokalen Niederadeligen („armigeri[.] Pataviensis diocesis“) mitwirkende Martin von Eferding könnte jedoch ein Verwandter Ulrichs gewesen sein, s. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 960 (1406 November [recte: September] 27, Stein). Zur Stiftung von 10 lb. den. für ein „glas“ sowie einen Jahrtag in der Göttweiger Pfarrkirche durch Ulrich La(c)her 1411, die auch Ulrich Lösel als Pfarrer besiegelte, s. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1010 (1411 August 17) und vgl. Dungel, Göttweig 544, Lechner, Stift 42, Lechner, Glasmalerei 85 mit Kat.-Nr. 56–67 (Farbabb. im unpag. Bildteil), Fischer, Hellerhof 20–22 und Ders., Atlas 54, 57 (Abb.) und 82. Möglicherweise ist das damals gestiftete Fenster eines jener Glasgemälde, die 1896 in die Chorfenster der Klosterkirche eingesetzt wurden. Vgl. jedoch schon Frodl-Kraft, Glasgemälde 61 (Kat.-Nr. 153) und zuletzt Lechner, Göttweig 807 mit Datierungsansatz 1430/40 für die Chorfenster. Die Weihe der Kapellen im alten Kreuzgang und der Gotthardskirche 1437 durch den Passauer Weihbischof Matthias geht hervor aus der jüngeren Weiheurkunde der Kapelle Hll. Peter und Paul von 1439 desselben Konsekrators, s. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1245 (1439 Juni 29, [Göttweig]; die Urkunde enthält den Reliquienkatalog der in den Altären verschlossenen Reliquien).
2) S. Wagner-Rieger, Architektur 110 (Kat.-Nr. 32), Dehio Nord 597 und vgl. in Zukunft den vom Bearbeiter vorbereiteten Band mit den Inschriften der Statutarstadt Krems a. d. Donau.
Literatur

StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 123f. (an einer Stelle irrtümlich „lapis rubro-marmoreus“). – StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 223v (Federzeichnung). – StiB Göttweig, Cod. rot 891, 206r (von „in rubro quodam marmore“ ausgebessert zu „in albo quodam lapide“) und 211r. – DASP, Nachlässe 5, Heft L, fol. 40r. – ÖKT 1, 481. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 89 („18 Grabsteine und Reliefs […] im sogenannten Apothekergange“). – ÖAW, NLH, 2.-4. 7. 1958. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 62. – Lechner, Stift 31 und 49 (Löchel). – Lashofer, Professen 66. – 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 1306 („Löcel oder Löchel“). – Fischer, Atlas 56 (Abb.). – Dehio Süd 572.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 41,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj41.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Göttweig, „Apothekergang“    •  Bauinschrift  •  Gedenkinschrift  •  Sterbevermerk  •  grauer Sandstein  •  Gotische Minuskel mit Versalien  •   •  Altmann  •  Laher, Ulrich  •  Lösel, Ulrich  •  Lauchlaibl, Lukas  •  Martin von Eferding  •  Matthias  •  Peter von Enns  •  Petrus II. von St. Pölten  •  Stephan von Haslach  •  Walich, Konrad  •  Mautern a. d. Donau  •  Stein a. d. Donau, Minoritenkloster

Abbildungen

 zum Vergrößern anklicken
Abb. 30: Bauinschrift (1415)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)