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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
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Langenlois, Pfk. Hl. Laurentius |
(1415?) |
Schmerzensmannskulptur mit erklärender Beischrift und Reliquienkatalog, Sandstein, außen an der Turmostseite im Erdgeschoß. In mehrfach profilierter Spitzbogennische vollplastische Halbfigur Christus als Schmerzensmann mit über dem Bauch überkreuzten Armen, unter der Nische achtzeilige Inschrifttafel. Noch 1907 Nischenrahmung und gesamte Inschrifttafel unter neuzeitlichem Verputz. Nischenprofil und Schrifttafel durch Oberflächenausbrüche (wohl im Zuge der Entfernung des Verputzes) teilweise stark beschädigt, in der Längsachse leicht rechtsschräger Sprung. Alle Ausbrüche bei Restaurierung unter Leitung des BDA im Spätsommer 2003 (Erich Pummer, Rossatz) unter minimalem Verlust an Schriftdetails verschlossen, die Figur steinfarbig geschlämmt1). Die Transkription erfolgt nach der 1997 entstandenen Aufnahme im Fotoarchiv der Arbeitsgruppe Inschriften der ÖAW.
H. (der Schrifttafel) 47 cm, B. 83 cm, Bu. 3,5 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.
Textedition
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ist · uorc) · de[sd) ·] gvrtel · maria · Alle · / inert · andrein · hailtv[m] · is[t] ·
[– – –]i[– – – p]ilde) / stain · Sa[n]d · iorigens · phite · einf[...]f) · vnd [– – –] /
[– – – g]emaiteg) · und · auch · sand · Cristoff · vi[..] / tag · [– – –]av · der ·
[p]issoholffh) · her · iorig · / ge[– – –]ll[– – –]a · [v]or · uallen · Avf · ir · / sinne
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Anmerkungen
Kommentar
Wahrscheinlich handelt es sich bei der gegenständlichen Skulptur um jene ursprünglich (wohl im Rücken der Halbfigur) eine Kreuzpartikel und andere Reliquien enthaltende Skulptur („bild“), die Hans Drosendorfer auf dem Langenloiser Friedhof aufstellen ließ, und die 1415 vom Passauer Bischof Georg von Hohenlohe mit einem 40-tägigen Ablaß begabt wurde2). Eine Datierung der Skulptur samt der zugehörigen Inschrifttafel vor 1423 ergibt sich jedenfalls aus dem Sterbejahr des offenbar in der Inschrift, einem Katalog von in der Halbfigur verschlossenen Reliquien, genannten Passauer Bischofs Georg von Hohenlohe3).
Typologisch steht die Skulptur mit den überkreuzten Armen als gröberes und provinzielleres Beispiel dem bekannten sogenannten „Zahnwehherrgott“ aus St. Stephan in Wien (um 1395)4) nahe. Heiligenfiguren als Reliquienbehälter sind im Spätmittelalter häufig anzutreffen5). Auch die Begabung von öffentlichkeitswirksam auf Friedhöfen von Pfarrkirchen aufgestellten oder angebrachten Statuen und Wandgemälden mit Ablässen ist im Untersuchungsgebiet anderweitig belegt6).
Die relativ geringe Zahl und die überwiegend konservativen, meist dem Kanon der Gotischen Majuskel verhafteten Formen der Versalien, die geringe Ausdehnung von Ober- und Unterlängenbereich und die häufige Verwendung von v auch für den vokalischen Lautwert und im Wortinneren entsprechen ganz dem überwiegenden Befund der Gotischen Minuskel im Bearbeitungsgebiet im ersten Jahrhundertviertel. Die Buchstaben wurden moderat gedrungen proportioniert und unter sorgfältiger Beachtung regelmäßiger Abstände von etwa doppelter Schaftbreite relativ locker gesetzt. An Einzelformen seien erwähnt a mit mindestens drei Viertel der Höhe des Mittelbands einnehmendem gebrochenen unteren Bogen, der senkrechte Teil oben waagrecht abgeschnitten, d mit fast zum Quadrangel verkürzten oder nahezu waagrecht verlaufendem Linksschrägschaft an der Oberlinie des Mittelbands, e mit Balken aus steil rechtsschräg bis fast an die Basislinie reichendem, dort nach rechts umgebogenen Haarstrich, f mit etwa in zwei Drittel der Höhe des Mittelbands verlaufendem, den Schaft überschneidendem Balken, dieser ganz rechts vom an die Fahne angesetzten senkrechten Haarzierstrich überschnitten, und i mit rund eingebohrtem i-Punkt. Der untere Bogen des g holt leicht nach rechts aus, am kurzen, am gebrochenen rechten oberen Bogenabschnitt angesetzten Balken befindet sich ebenso wie am Balken des t und an der zum Quadrangel reduzierten Fahne des r ein knapp nach oben und bis an die Basislinie reichender senkrechter Haarzierstrich. Das obere Schaftende von h trägt ein kleinen krallenartigen Sporn, der Schaft des p reicht bisweilen nicht bis in den Unterlängenbereich, wodurch der gebrochene Bogen lediglich die oberen zwei Drittel des Mittelbands einnimmt. Der schlichte, im Mittelteil kräftig verstärkte Versal S endet in starken dreieckigen Sporen.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Langenlois, Pfk. Hl. Laurentius • Schmerzensmannskulptur • Beischrift • Reliquienkatalog • Sandstein • Gotische Minuskel mit Versalien •
Drosendorfer, Ulrich, •
Kaschauer, Jakob •
Ledler, Peter •
Örtl, Wolfgang II. •
Pummer, Erich •
Röster, Hans •
Stöckl, Heinrich •
Flachau •
Krems a. d. Donau •
St. Michael •
St. Pölten •
Wien, St. Stephan
Abbildungen
Abb. 29: Schmerzensmannskulptur (1415) ©
ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)
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