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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

54 Langenlois, Fk. Hl. Nikolaus 3. Jz. 15. Jh.

Bildfenster mit Namensbeischriften zu Heiligendarstellungen, im ersten Chorjoch an der Südseite (Fenster süd IV). Zweibahniges Maßwerkfenster mit zwölf Rechteckscheiben. Zuunterst (1a und b) in reicher Architektur links Johannes Ev. in blauem Kleid und rotem Mantel, den eucharistischen Kelch in der Linken mit der Rechten konsekrierend, rechts Maria in blauem Kleid und weißem Schleier mit dem Jesusknaben auf dem Arm, darüber reiche Architektur vor blauem Hintergrund (2a und b), darüber (3a und b) zentrale Anbetung der Könige (links) vor der sitzenden Maria mit dem Kind (rechts), darüber (4a und b) zwei Architekturscheiben, darüber links (5a) Kreuzigung des Hl. Petrus in weißem Gewand durch zwei Schergen in violettem bzw. gelb/grünen Gewand, am unteren Rand die schwarz auf gelbem Grund aufgemalte Namensbeischrift (I), rechts (5b) Hl. Johannes Ap. in rotem Kleid und grünem Mantel auf einer Banktruhe sitzend, am unteren Rand die schwarz auf gelbem Grund aufgemalte Namensbeischrift (II), darüber zwei Architekturscheiben (6a und b), zuoberst, die Dreipaßenden der Fensterbahnen ausfüllend, zwei Scheiben mit Engelsfiguren mit ausgebreiteten Armen (7a und b). Im oben abschließenden Vierpaß des Maßwerks befindet sich eine Scheibe (1AB) mit zentralem Wappenschild, von vier verschiedenfarbigen Rosetten umgeben. Nach inschriftlicher Bezeichnung am Unterrand des Fensters (1a) vermutlich 1907/08 von der bayerischen Hofglasmalerei-Werkstätte Ostermann und Hartwein (München), zuletzt 1999 restauriert.

Bu. ca. 12 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

I. · S(anctus) · petrus · II. · S(anctus) · Johannes ·

Wappen: Rueber1).


Kommentar

Das vorliegende Bildfenster ist offenbar als einziges von einer älteren Ausstattung der Kirche mit Glasgemälden erhalten geblieben. Die übrigen Fensterflächen des Chors wurden 1907/08 als Stiftung des damaligen Langenloiser Stadtpfarrers Konsistorialrat Franz Thür mit neugotischen Bildfenstern versehen2).

Die Gestaltung des spätgotischen Bildfensters schließt in der Resistenz gegenüber den Tendenzen des „Weichen Stils“ in der Figurenzeichnung und der strengen kompositionellen Ordnung mit geschoß­weisem Szenenwechsel und prominenten Architekturbekrönungen an das bereits eine Generation ältere Schema der niederösterreichischen Glasmalerei in der Art der Weitener Bildfenster um 1380 an3). Sollte die Wappenscheibe 1AB zeitgleich und zugehörig sein, was der Bearbeiter nicht zu entscheiden vermag, angesichts der Wappenform aber möglich und in Anbetracht der geschlossenen Erhaltung des gesamten Fensters wahrscheinlich ist, dürfte sie auf Angehörige der niederadeligen Familie Rueber als Stifter hindeuten (vgl. Kat.-Nr. 249, 252). Aufgrund der Zeitstellung des Fensters kommen mit großer Wahrscheinlichkeit Konrad Rueber, 1426 Verweser des Feldgerichts innerhalb des Kamps und 1431 Richter von Langenlois, und seine Frau Katharina in Frage4). Als Kaplan an der Nikolauskirche fungierte damals möglicherweise der 1417 in diesem Amt genannte Ulrich5).

Die Bögen der beiden Versalien S der Namensbeischriften (in Formen der Gotischen Majuskel) sind durch von den teils dreieckig ausgeweiteten Serifen ausgehende feine Haarzierstriche fast völlig geschlossen, in den Scheitelpunkten sitzen jeweils in den Binnenraum weisende Halbnodi.

1) In rot ein goldener Balken, belegt mit einer natürlichen Rübe, s. Si NÖ 1, 383 (Rueber von Pixendorf und Grafenwert) und Taf. 215 (Stammwappen), vgl. auch NÖLA, Hs. 236/5, pag. 446.
2) Der aus Litschau stammende Thür ließ 1911/12 auch in der dortigen Stadtpfarrkirche im nördlichen Seitenschiff ein Bildfenster mit der bis in jüngste Zeit für historisch gehaltenen, quellenmäßig aber nicht belegten Belehnung der österreichischen Herzöge Wilhelm und Albrecht IV. durch König Wenzel IV. in Litschau im Jahr 1398 anfertigen, vgl. zur Sache Hruza, Budweis 65f. Ausgeführt wurde die Glasmalerei ebenso wie die in Langenlois von Ostermann und Hartwein.
3) Frodl-Kraft, Einleitung XXXIX.
4) S. NÖLA, Hs. 78/1, pag. 464 und 502 und Plesser, Kirchengeschichte (1939) 612f. (1431 April 13: Konrad Rueber und seine Frau Katharina verkaufen Abt Johann von Zwettl ihr Haus im Langenloiser Oberen Aigen „am Anger“ neben den Häusern des Hans Wagner und des Simon Dekch und weitere Güter). Spätestens 1435 war Konrad Rueber offenbar bereits Widemrichter in Krems, vgl. Gall, Siegel 493 (Kat.-Nr. 584; Stadtarchiv Krems, Urk. 257, 1435 Februar 4).
5) S. NN., Beiträge 474.
Literatur

DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 138 und 140. – Topographie 5, 659. – ÖKT 1, 33 und 292 (E. 15./A. 16. Jh. bzw. um 1500). – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 163 (um 1490). – Plesser, Kirchengeschichte (1932) 408 (um 1490). – ÖAW, NLH, 12./13. 4. 1965. – Eppel, Waldviertel 58 (um 1500). – Frodl-Kraft, Einleitung XXXIX. – Koch, Schrift LV (Abb.). – Zotti, Kunst 2, 214. – Dehio Nord 638.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 54,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj54.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 39: Bildfenster (3. Jz. 15. Jh.)
©  Bundesdenkmalamt, Wien, Fotoarchiv