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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
55 |
Göttweig, Klosterkirche |
1432 |
Figürliche Grabplatte des Abtes Petrus (II.) von St. Pölten, hellroter Marmor, in der Kirchenvorhalle an der Westwand der erste Stein von Süden, bis 1719 im Boden der Barbarakapelle (ursprünglich Kapitelsaal) im Ostflügel des alten Kreuzgangs vor dem Altar1). Die zwischen zwei begrenzenden Linien angeordnete Umschrift rahmt ein seicht vertieftes Mittelfeld mit der leicht erhabenen, mit graphisch-linear eingehauener Binnenzeichnung gestalteten Figur des Abtes in Kukulle, das Pedum unter die zum Gebet gefalteten Hände bzw. Arme geschoben, das Haupt mit Mitra auf einem mit Buckelbeschlägen versehenen Buch aufruhend. Kleinere Oberflächenbeschädigungen, v. a. im vierten Schriftband. Zeilenlinierung sichtbar.
H. 209 cm, B. 110,5 cm, Bu. 8,5 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.
Textedition
+ Anno · d(omi)nia) · mo·cccco·x/xxijb) · obijt · venerabilis · Jn chr(ist)oc) · p(ate)r
· et · d(omi)n(u)s · dominus / Petrus · d͜e · s(an)cto · ypo/lito · abbas · hui(us) ·
monasterij hic · sepvltvsd) ·
Anmerkungen
Kommentar
Petrus (II.) von St. Pölten wurde am 18. August oder 19. September 1402 als Nachfolger des nach dem Nekrolog des Göttweiger Frauenkonvents (heute StiB Altenburg AB 15 E 6) vergifteten Abtes Johannes (III.) von Rohrendorf (Radendorfer) in schwieriger finanzieller und disziplinärer Situation des Konvents zum 28. Abt von Göttweig gewählt. Nach einem Brand des Klosters entwickelte er schon ab seinem ersten Regierungsjahr mit der Neuerrichtung des Kreuzgangs samt Kapitelsaal (Barbarakapelle), des Konventsgebäudes mit Dormitorium und Refektorium sowie der neuen Krypta der Klosterkirche rege Bautätigkeit, die durch den völligen Neubau der ursprünglich zwischen 1132 und 1135 errichteten Gotthards(pfarr)kirche südlich der Klosterkirche ausgeweitet wurde (vgl. Kat.-Nr. 41 und 43). Die Herstellung des neuen Chors an der Klosterkirche, für die bislang eine Beteiligung des aus der Wiener Dombauhütte stammenden Baumeisters Ulrich Nußdorfer angenommen wurde, dürfte erst in die zweite Jahrhunderthälfte zu setzen sein. Um diese Aufwendungen sowie die Hussitensteuer des Jahres 1426 und Ausgaben späterer Jahre bestreiten zu können, verkaufte oder verpfändete er Klosterbesitzungen und Zehente in Mautern, Niederranna, Stratzing, Spitz (Muestinger- oder Mißlinghof ), Hainfeld, Ofenbach, an Schwarza und Leitha und im Viertel unter dem Manhartsberg, sorgte jedoch später während insgesamt 29-jähriger Sedenzzeit für eine Arrondierung der nähergelegenen Güter2). 1414 stiftete er bei den Minoriten in Stein einen am Dienstag nach Oculi abzuhaltenden Jahrtag mit Vigil und gesungenem Seelamt für seine Vorfahren und Nachfolger in der Abtswürde3). In die Regierungszeit Abt Petrus’, der am 24. Dezember 1431 starb (wohl in der Nacht auf den Weihnachtstag, vgl. dazu die Jahresangabe der Inschrift mit dem Weihnachtstag als Jahresbeginn), fällt die Visitation des Klosters im Sinne der Melker Reform im Juli 1418 und die Einrichtung der Konföderation Göttweigs mit Obernburg 14314). Die Errichtung des Kapitelsaals (zugleich Barbarakapelle) und der beiden Altäre Hl. Katharina und Hl. Anna im neuen Kreuzgang dürfte einer persönlichen Verehrung dieser weiblichen Heiligen durch Abt Petrus entsprochen haben, da die Gestalten der Hll. Barbara und Katharina auch die Figur des unter reichem Baldachin thronenden Abtes auf seinem neuen Abtsiegel flankieren, und die Bauinschrift des Kapitelsaals (s. Kat.-Nr. 43) eine abschließende Gebetsanrufung an die Heilige enthält5). Sein Nachfolger wurde Lukas Lauchlaibl von Stockstall (s. Kat.-Nr. 59).
Auch zu Petrus (II.) hatte um 1600 in Göttweig eine Darstellung im Rahmen einer geschlossenen Serie von Äbtebildern existiert6).
Zu der von Gert Adamek formulierten Annahme eines Werkstattzusammenhangs der gegenständlichen Grabplatte mit den Grabplatten Stephans von Haslach, des Göttweiger Abtes Lukas Lauchlaibl von Stockstall, des Hermann und der Anna Murstetter und des Seifried Ritzendorfer (Kat.-Nr. 40, 44, 46, 49 und 59) s. Kat.-Nr. 46.
Tatsächlich stammt die vorliegende Platte aus jener vielleicht in Göttweig selbst zu lokalisierenden Werkstatt, die an den oben genannten Umbauten in Göttweig zwischen 1403 und 1417 wohl mit der Anfertigung von Bauplastik beteiligt war, 1415 angesichts der weitgehend übereinstimmenden Schriftformen und der offensichtlichen Parallelen in der graphisch-linear eingehauenen Figurenzeichnung die Grabplatte des Stephan von Haslach bzw. 1415/17 die Göttweiger Bauinschriften angefertigt hatte und auch die Grabplatte von Abt Petrus’ Nachfolger Lukas Lauchlaibl von Stockstall herstellte (s. Kat.-Nr. 40, 41, 43, 59). Zu Charakteristika der Inschriften vgl. Kat.-Nr. 40 und 41.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Göttweig, Klosterkirche • Grabplatte • hellroter Marmor • Gotische Minuskel mit Versalien • Inschriften des Totengedenkens •
Adamek, Gert •
Enenkel, Job Hartmann •
Hülber, Anna •
Johannes von St. Pölten •
Lauchlaibl, Lukas •
Murstetter, Hermann •
Nußdorfer, Ulrich •
Petrus II. von St. Pölten •
Prunner •
Ritzendorfer, Seifried •
Stephan von Haslach •
Göttweig, Benediktinerkloster •
Hainfeld •
Mautern a. d. Donau •
Niederranna, Brandhof •
Obernburg •
Ofenbach •
Spitz •
St. Lambrecht, Benediktinerkloster •
Stein a. d. Donau •
Stratzing
Abbildungen
Abb. 40: Grabplatte des Abtes Petrus von St. Pölten (1432) ©
ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)
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Im Jahr des Herrn 1432 starb der in Christus ehrwürdige Pater und Herr, Herr Petrus von St. Pölten, Abt dieses Klosters, (und liegt) hier begraben.