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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

59 Göttweig, „Apothekergang“ 1439

Figürliche Grabplatte des Abtes Lukas Lauchlaibl von Stockstall, roter Marmor, im sogenannten Apothekergang an der Ostwand der erste Stein von Süden, ursprünglich in der nördlichen (Andreas-, später Beicht-)Kapelle der Krypta im Boden, von dort erst im April 1982 an den heutigen Standort übertragen. Die zwischen zwei begrenzenden Linien angeordnete Umschrift rahmt ein Mittelfeld mit der graphisch-linear eingehauenen Figur des Abtes in Kukulle und Mitra, die Linke umfaßt das Pedum, die Rechte hält ein Buch mit Buckelbeschlägen vor der Brust.

H. 214 cm, B. 97,5 cm, Bu. 7,5 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

Anno · d(omi)ni · m · cccc · xxxix / Obijt · v͜enerabilis · Jn chr(ist)oa) · pater · et d(omi)n(u)s · d(omi)n(u)s Lvcas dict(us) / d͜e Stokstal · abb͜as · hvi(us) / monasterij · Jn die · s(an)c(t)i · mavricij Hic sepvltvsb)

Anmerkungen
a) Nomen sacrum, Bestand: xp͜o mit Kürzungszeichen.
b) folgt freier Raum bis zum Ende des Schriftbands; Trennzeichen quadrangelförmig.

Im Jahr des Herrn 1439 starb der in Christus ehrwürdige Pater und Herr, Herr Lukas, genannt von Stockstall, Abt dieses Klosters, am Tag des Hl. Mauritius (und liegt) hier begraben.


Datum: 1439 September 22.


Kommentar

Lukas Lauchlaibl, offenbar als Ulrich, Sohn des Thomas und der Elisabeth Lauchlaibl von (Mitter-?)Stockstall, wo das Kloster Göttweig seit dem frühen 12. Jahrhundert einen Wirtschaftshof besaß1), geboren, hatte seit wenigstens 1396 einen Eintritt in den geistlichen Stand beabsichtigt und eine entsprechende materielle Ausstattung erhalten2). Im Kloster Göttweig hatte er das wichtige Amt des Kellermeisters inne, als er am 27. Dezember 1431 in der Nachfolge Petrus’ (II.) von St. Pölten (s. Kat.-Nr. 55) zum 29. Abt von Göttweig gewählt wurde. Lauchlaibl, der die ökonomischen Belange des Klosters unter eine sorgsame Verwaltung stellte, regierte sieben Jahre lang und gilt in der Klostertradition als Vollender der von seinem Vorgänger begonnenen, mutmaßlich vom Steinmetz- und Baumeister Ulrich Nußdorfer ausgeführten Bauten (s. Kat.-Nr. 41, 43 und 55) und Bauherr der erst 1439 fertiggestellten und geweihten Kapelle Hll. Petrus und Paulus der alten Klosterkirche. Darüberhinaus kaufte er 1433 und 1437 neben mehreren mit Edelsteinen, Goldborten und Perlstickerei kostbar ausgestatteten Meßgewändern, Humeralia und anderen Textilien zum liturgischen Gebrauch zahlreiche Tafelbilder, überwiegend für Altäre in der Krypta an3). In den Jahren 1433 und 1434 begründete er die Konföderationen Göttweigs mit den Augustiner-Chorherrenklöstern St. Pölten, Dürnstein und St. Andrä a. d. Traisen, zum Basler Konzil hatte er einen Prokurator entsandt4). Am 29. Juni 1439 wurde vom Passauer Weihbischof Matthias die neue Kapelle Hll. Peter und Paul am Chor der Klosterkirche geweiht. Lukas’ Amtsnachfolger wurde Abt Thomas5).

Der leibliche Bruder Abt Lukas’, Erhard Lauchlaibl, Göttweiger Pfistermeister, kaufte 1439 zusammen mit seiner Frau Margarete, Tochter des Otto und der Susanna Oberndorfer von Eggendorf, eine Mühle in Aigen (heute Nr. 3)6).

Auch zu Abt Lukas hatte um 1600 in Göttweig eine Darstellung im Rahmen einer geschlossenen Serie von Äbtebildern existiert7).

Die gegenständliche Grabplatte Abt Lukas’ befand sich bis April 1982 in der nördlichen (Andreas-)Kapelle der Krypta, für die er 1437 einen Altar in Auftrag gegeben hatte, in situ im Bodenpflaster. Bei der Hebung des Steins wurde das noch intakte darunterliegende Grab mit den Überresten des Verstorbenen geöffnet und vermessen8).

Zur Annahme eines Werkstattzusammenhangs der gegenständlichen Grabplatte mit den Steinen des Stephan von Haslach, des Göttweiger Abtes Petrus (II.) von St. Pölten, des Hermann und der Anna Murstetter und des Seifried Ritzendorfer (Kat.-Nr. 40, 44, 46, 49 und 55) s. Kat.-Nr. 46. Tatsächlich stammt die vorliegende Grabplatte angesichts der Schriftformen und der Parallelen in der Figurenzeichnung aus jener vielleicht in Göttweig selbst zu vermutenden Werkstätte, die dort schon Bauplastik zu den Umbauten zwischen 1403 und 1417 ausgeführt und die entsprechenden Bauinschriften (Kat.-Nr. 41 und 43) sowie die Grabplatten für Stephan von Haslach und Abt Petrus (II.) von St. Pölten (Kat.-Nr. 40 und 55) angefertigt hatte. Zu Charakteristika der Schriftformen vgl. Kat.-Nr. 40 und 41. Auf der Grabplatte von Abt Lukas’ Vorgänger erscheint zudem dieselbe eigenwillige Form des s mit nicht gebrochenem, sondern nach rechts ausholendem und nach links zurückschwingendem unteren Bogen, jeweils als letzter Buchstabe der Inschrift.

1) S. Treiber, Situation 1–4 und Lechner, Göttweig 791.
2) S. die bislang offenbar unbeachtete Urkunde, mit der Ulrichs Eltern ihrem Sohn „zu priesterleicher wirdichait“ ihre Wiese im Wert von 50 lb. den. in Unterstockstall übertragen, bei Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 849 (1396 Februar 19). Der Name Lukas scheint demnach ein vergleichsweise sehr früher Beleg für einen Ordensnamen zu sein. Aus einer hinsichtlich der Verwandtschaftsverhältnisse komplexen Urkunde von 1436 geht hervor, daß Abt Lukas anscheinend neben den oben und unten genannten noch weitere Geschwister Niklas (Nikolaus), Katharina und Agnes hatte, die ihm und seiner Nichte Margarete, Tochter seines verstorbenen Bruders Georg, zusammen mit anderen Miterben und Verwandten eine Wiese in Unterstockstall aus dem Erbe der Elisabeth Lauchlaibl, Frau des Gilg Fleischhacker zu Hollenburg, und deren Sohn Andreas, übertrugen, s. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1215 (1436 April 8) und vgl. Lashofer, Professen 69.
3) S. StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 92 (Schenggl), pag. 89, StiB Göttweig, Cod. rot 668 (Bessel, Chronicon Gottwicense Tom. II), lib. V, cap. 2, Quaternio 66, StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 57r (Nachzeichnung eines Abtpetschaft) bis 58v und 60r, Dungel, Göttweig 545, Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1153 (1431 März 7, Wien), 1160 (1431 Dezember 27, [Göttweig]), ÖKT 1, 32 und 436, Dworschak, Ausläufer 148, Lechner, Stift 34, Lashofer, Professen 69 und Hödl, Göttweig 92f., 117 und 122. In dem von Dückelmann bzw. bei Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1163f. ([1431 Dezember 27–1432 Jänner 20] bzw. [1432 Jänner 20-Jänner 30]), 1165 (1432 März 30) exzerpierten Ausgabenverzeichnis Abt Lukas’ erscheint neben den laufenden Ausgaben u. a. eine detaillierte Aufstellung der Aufwendungen anläßlich der Wahl und Bestätigung seiner Installation durch den Passauer Bischof Leonhard von Laiming sowie der Ausgaben für künstlerische Ausstattungen in Göttweig. Am 4. April 1433 bezahlte er für eine Tafel zum Heiliggeistaltar in der Krypta inklusive Aufstellung 41 lb. den., am 8. Dezember desselben Jahres für eine Tafel zum Marienaltar in der Krypta 12 lb. 77 den. 1437 schaffte er zwei Tafeln für den Stephanus- und den Georgsaltar in der Krypta um 19 lb. 7 ß den. sowie drei kleinere Tafeln um 3 lb. den. an. Am 15. September 1437 beauftragte er den Wiener Maler Meister Ulrich von Zwettl vertraglich mit der Anfertigung einer Tafel für den Andreasaltar in der Krypta. Ob dieser Ulrich möglicherweise mit dem 1426 noch unvogtbaren Sohn des Wiener Malers Mathes (Matthias) und dessen Frau Anna identisch ist, ist unklar, vgl. Perger, Künstler 115f. Den von Hans Tietze in ÖKT 1, 436 angeblich nach Dückelmann (w. o.) zum Februar 1444 (sic!; richtig wohl 1434) referierten Vertrag mit Meister Simon über die Anfertigung von zwei weiteren Tafeln um 6 lb. den., noch von Dworschak, Ausläufer 150 wohl nach Tietze zitiert, konnte der Bearbeiter bei Dückelmann nicht finden und somit nicht verifizieren.
4) S. StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), pag. 5f., Dungel, Göttweig 545, Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1177 (1433 Mai 5, St. Pölten), 1179 (1433 Mai 30, Dürnstein), 1185 (1434 März 10, Wien), 1196 (1434 November 8, St. Andrä) und Hödl, Göttweig 108.
5) S. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1245 (1439 Juni 29, [Göttweig]; Weiheurkunde mit Reliquienkatalog der im Hochaltar der Kapelle Hll. Peter und Paul verschlossenen Reliquien). Zur Regierungszeit Lauchlaibls vgl. auch Zedinek, Göttweig 67 und 75.
6) S. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1249 (1439 Dezember 21), Maroli, Häuserchronik 731, vgl. auch Fischer, Atlas 153f. Susanna Oberndorfer stiftete als Witwe 1434 einen Jahrtag in Göttweig, vgl. zu ihr und Otto Oberndorfer Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1088 (1417 November 11), 1090 (1418 März 6) und 1187 (1434 März 15). Ulrichs/Lukas’ und Erhards Schwester Elisabeth war mit Niklas (Nikolaus) von Lang(en)au, dem Schreiber des Niklas (Nikolaus) G(e)veller von Langenlois (s. Kat.-Nr. 47) verheiratet, s. ebd., Nr. 862 (1397 März 12). Erhard und seine Frau Margarete lagen 1438/39 in Streit mit Ludwig (Fleischhacker?) von Gresten zu Eggendorf und dessen Frau Anna sowie Georg, Sohn des verstorbenen Georg Oberndorfer, wegen der Erbschaft nach Susanna Oberndorfer, s. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1236f. (1438 August 24) und 1242 (1439 April 25).
7) S. die Aufzeichnungen Job Hartmann Enenkels (vor 1603) in NÖLA, Hs. 78/3, pag. 400 („Catalogus abbatum monastery in Gothwico, veluti ibi depicti videndi sunt“). Im Rahmen dieser Reihe von Äbtebildern (vgl. ausführlicher Kat.-Nr. 365†) war Lukas jedoch fälschlich als 28. Abt mit einer Regierungszeit von 1417 bis 1425 gezählt worden. Schenggl gibt für „antiquae quaedam effigies abbatum“ vor 1719 einen Standort im Chor der Barbarakapelle an, s. StiA Göttweig Cod Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 134.
8) S. 900 Jahre Stift Göttweig 751f. Zum Altar der Andreaskapelle s. Anm. 3.
Literatur

StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 173r (ganzseitige Federzeichnung). – Dungel, Göttweig 545. – DASP, Nachlässe 5, Heft L, fol. 44r. – ÖKT 1, 473. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 89 („18 Grabsteine und Reliefs […] im sogenannten Apothekergange“). – Schaffran, Land 65. – ÖAW, NLH, 2.-4. 7. 1958. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 10–13, 19 und Kat.-Nr. 10 (Abb. 9). – Adamek, Grabdenkmäler (1969) 39f. – Lechner, Stift 34. – Lashofer, Professen 69. – 900 Jahre Stift Göttweig 751f. und Kat.-Nr. 1333 (Abb.). – Fischer, Hellerhof 23 (Abb.). – Fischer, Atlas 56 (Abb.). – Dehio Süd 572.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 59,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj59.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 41: Grabplatte des Abtes
Lukas Lauchlaibl (1439)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)