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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

65 Aggsbach Markt, Pfk. Mariä Himmelfahrt 1448

Wappengrabplatte der Cimburg von Winkl, roter Marmor, innen an der Westwand unter der Orgelempore unmittelbar südlich des Eingangs, bis 1911 im Boden unter den Kirchenbänken. Die zwischen zwei begrenzenden Linien angeordnete Umschrift setzt sich unterhalb des ersten Schriftbands in zwei weiteren Zeilen fort und rahmt ein vertieftes paßförmiges Feld mit Vollwappen (Eheallianz­wappen in einem Schild mit zwei Helmen). Gesamter Stein stark abgetreten.

H. 229 cm, B.117 cm, Bu. 8–8,5 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

Anno · d(omi)ni · mo · cccco · xlviij · jar / ist · gestorben · an · sand · kathrein · tag dy · edel · fraw · Cinburkch · / hern · Sigmu(n)ds · von · Winkel · / seligen · tachter · vnd · ist · gewesen · kolman · d͜es · Scheken · vo(n) · Wald // hausfrau · vnd · leit · hye / begraben · d͜er · got · gnata)

Anmerkungen
a) die beiden letzten Zeilen unterhalb des ersten Schriftbands der Umschrift; Trennzeichen quadrangelförmig.

Datum: 1448 November 25.

Wappen: Scheck von Wald/Winkl1).


Kommentar

Die Herren von Winkl, im frühen 12. Jahrhundert als Ministerialen Markgraf Leopolds III. faßbar, gehörten ursprünglich zum Sittendorf-Maissauer Adelsverband. Sigmund, 1424 letztmals in Urkunden genannt, starb noch vor 1427, seine Erbtochter Cimburg brachte als letzte ihres de facto in den Niederadel abgesunkenen Geschlechts den Stammsitz Winkl 1437 in die Ehe mit ihrem Vetter Koloman Scheck von Wald ein, mit dem sie schon seit 1428 (beide noch unvogtbar) verlobt gewesen war2).

Koloman Scheck war ein Sohn des niederadeligen Aufsteigers Jörg (d. Ä.) Scheck von Wald zu Aggstein, Pfleger von Steyr, Rat, Regent und Kammermeister Herzog Albrechts V., und der Anna, Tochter Hans’ (III.) von Neidegg zu Ranna und der Kunigunde von Lasberg (s. Kat.-Nr. 50†). 1438 gestattete Albrecht Jörg die Einhebung einer Donaumaut bei seiner Burg Aggstein, 1439 verlieh er Scheck für die Burg Aggstein eine fürstliche Freiung3). Jörg (d. Ä.) Scheck starb als Kammermeister Herzog Albrechts VI. spätestens im Frühjahr 1450, vielleicht aber schon im Frühjahr 1448, da sein Sohn Koloman zu jenem Zeitpunkt selbständig Aggsteiner Lehen ausgab4). Zwei Töchter Jörg Schecks, Apollonia und Dorothea, waren vermutlich im ersten Drittel des 15. Jahr hunderts im Kindesalter während des Aufenthalts ihres Vaters am Wiener Hof verstorben, ihre Wappengrabplatte befindet sich in der Wiener Augustiner­kirche5).

Als „Raubritter“, Besitzer unermeßlichen Reichtums, grausamer Grundherr und Selbstmörder wurde Jörg (d. Ä.) Scheck von Wald seit dem späten 16., besonders aber im 19. Jahrhundert, teils unter dem verballhornten Namen „von Schreckenwald“, zur noch heute bekannten legendären Figur des romantischen Wachauer Sagenguts6).

Die abgesehen von einem spürbaren Schwanken des Duktus v. a. in den beiden Zeilen unterhalb des ersten Schriftbands recht sorgfältig ausgeführte Inschrift entspricht durch das eher gedrungen proportionierte, aber locker gesetzte Mittelband und die nur moderat ausgreifenden Ober- und Unterlängen (d vollständig im Mittelband mit nur zwei Drittel des Mittelbands einnehmendem senkrechten Teil des gebrochenen linken Bogenabschnitts) der überwiegend zu beobachtenden Entwicklungsstufe der Gotischen Minuskel im Bearbeitungsgebiet um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Von den Einzelformen ist k erwähnenswert, das aus einem in den Oberlängenbereich ragenden Schaft und drei übereinander locker neben diesen gesetzten Quadrangeln besteht. Für die Entstehungszeit noch eher ungewöhnlich ist die relativ hohe Zahl an Versalien, die jedoch zum größeren Teil lediglich Verfremdungen der Gemeinen darstellen, ebenso fortschrittlich ist die Verwendung von u für den vokalischen Lautwert. Ein gewisser Schwung eignet der Inschrift aufgrund der runden Buchstabenbestandteile der Versalien ebenso wie einzelner Gemeiner, bei denen nicht alle Bögen zu Brechungen verwandelt werden (vgl. Bogen-r, w und y).

1) Geviert aus Scheck von Wald (s. Si OÖ 327 und Taf. 86 und NÖ 2, 40 und Taf. 13, vgl. leicht abweichend NÖLA, Hs. 236/6, pag. 109) und Winkl (s. Si NÖ 2, 577 [Winkel] und Taf. 281, Wappen I); zwei geschlossene Helme: Flügel mit Schrägbalken; geschlossener Flug mit zwei Schrägbalken. Der Wappenstein mit Bauinschrift Jörgs (d. Ä.) Scheck von Wald von 1429 auf Burg Aggstein zeigt abweichend einen gespaltenen, mit Balken belegten Schild. Das Wappenbild der Winkl (Einhorn) entspricht entgegen der fälschlichen Annahme bei Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 164, Anm. 49, dem der Maissauer nicht aufgrund einer Lehens- oder Klientelbindung, sondern aufgrund der Stammesverwandtschaft beider Geschlechter, s. Marian, Anfänge (in Vorbereitung).
2) S. Koller, Herren passim, Marian, Winkl/Winklberg (in Vorbereitung) und Marian, Anfänge (in Vorbereitung) sowie NÖLA, Hs. 78/1, pag. 420 und 337.
3) S. Böhmer, Regesta Imperii 12/1, Nr. 360 (1438 September 30, Prag) und 582 (1439 Jänner 29, Breslau/Wrocław). Jörg Schecks Währinger Amtmann, Wolfgang Prunner, und der österreichische Kanzler und Pfarrer von Gars, Magister Hans von Maiersch (auch fälschlich: Meires) nannten ihn 1446 den „edeln vessten ritter hern Jörgen de[n] Schekchen von Wald“, s. NÖLA, Privaturk. 2610 (1446 September 11) und 2614 (1446 März 9). Mitunter erscheint Scheck in Kanzleivermerken als Urkundenreferent Albrechts, s. etwa Böhmer, Regesta Imperii 12/1, Nr. 133 (1438 Mai 19, Wien). Im Testament Albrechts wird er unter jenen Personen genannt, die mit dem Hubmeister Ulrich von Eitzing abrechnen sollten, s. Böhmer, Regesta Imperii 12/1, Nr. 1178 (1439 Oktober 23, Langendorf/Neszmély) und vgl. Gutkas, Bund 53 und 382–385, bes. 384, hier, 54 (Anm. 9), auch zu Scheck als Angehöriger der ständischen Vertreter in den folgenden Verhandlungen mit Friedrich.
4) S. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1351 (1448 Mai 31, Aggstein). Das Sterbedatum Schecks muß spätestens vor 1450 April 16 liegen, da König Friedrich bereits an jenem Tag dem Göttweiger Abt Wolfgang (II.) von Retz auftrug, seine Untertanen Jörg (d. Ä.) von Seisenegg als dem nach dem Tod Schecks neuen Inhaber von dessen vormaligem Landgericht und Vogtei den Gehorsamseid schwören zu lassen, s. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1363 (1450 April 16, Wiener Neustadt). Der Revers des Seiseneggers über den lebenslangen Bestand des Landgerichts auf dem Tullnerfeld, das früher Scheck innehatte, datiert erst von 1450 November 24, vgl. Regesten Kaiser Friedrichs III. 13, Nr. 184 (vor 1450 November 24). Ob Jörg d. Ä. Scheck zum Datum der vom Kloster Niederalteich beurkundeten Einigung mit ihm und seinem Sohn Koloman wegen der Messen in der (im späten 18. Jahrhundert?) abgekommenen Nikolauskapelle unmittelbar am Donauufer in Aggsbach Dorf und der Burgkapelle Aggstein tatsächlich noch am Leben war, ist fraglich, s. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 280 (1450 Oktober 8).
5) Die nach stilistischen und inschriftenpaläographischen Kriterien w. o. zu datierende Platte befindet sich derzeit in der Gruft der Kirche, die Umschrift lautet: Hie · sind · begraben / Jvnkhfraw · appolonia · vnd · Jvnkh fraw · Dorothea · / Hern · Jorgen · des · / Schekhen · von · wald · Tochter · den · baiden · / got · genad.
6) Belege für die gegen Ende des 16. Jahrhunderts bereits verdichtete Legendenbildung zu Jörg Scheck/„Schreckenwald“ etwa bei Reichard Streun von Schwarzenau, NÖLA Hs. 5/11, fol. 117v, weitere Nachweise zur „Schreckenwald“-Sage in Kontamination mit Legenden zu den Kuenringern bei Zawrel, Nachleben bes. 305–307.
Literatur

ÖKT 1, 67 („Im rechten Seitenschiff, ebenso in der Turmhalle mehrere abgetretene unleserliche Grabplatten“). – Plesser, Baugeschichte 94. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 13 („14 Grabsteine vom 15. bis 19. Jh.“). – Plesser, Kirchengeschichte (1932) 131. – ÖAW, NLH, 22./23. 8. 1962 (1403). – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 14 und Kat.-Nr. 15 (Abb. 14; „Emburkch von Winkel“). – Zotti, Kunst 2, 13. – Dehio Nord 3 („Embruch von Winkel“). – Andraschek-Holzer, Bezirk 12, Kat.-Nr. 8 („Embruch von Winkel“; Lichtbild von ca. 1970 in der Topographischen Sammlung der NÖ Landesbibliothek, [PK 8]). – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 276f. (fälschlich „Emburk“). – Marian, Anfänge (in Vorbereitung; Abb.).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 65,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj65.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 47: Grabplatte der
Cimburg von Winkl (1448)
©  Bundesdenkmalamt, Wien, Fotoarchiv