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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

67 Aggsbach Markt, Pfk. Mariä Himmelfahrt 1. H. 15. Jh.

Gruftplatte (?) des Albrecht Puschinger und seiner Familie, roter Marmor, im ersten Chorjoch an der Südwand, noch 1932 im Chor der Kirche im Boden über dem Gruftabgang. Die zwischen zwei begrenzenden Linien angeordnete Umschrift rahmt ein vertieftes unregelmäßig paßförmiges Feld mit Vollwappen (Schild gelehnt).

H. 261 cm, B. 132 cm, Bu. 8–9 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

Hie · ist · b(e)gr(eb)nusa) · albrechtz / Puschinger · als ma(n) · Czalt · mo · cccco · vnd · darnach · J(n) · d͜em / <– – –> Vnd / leit · hie · sei(n) · geschle(ch)tb)

Anmerkungen
a) Kürzungszeichen fehlen.
b) Kürzungszeichen fehlen; restliches Schriftband zu zwei Dritteln leer; Trennzeichen quadrangelförmig.

Wappen: Puschinger1).


Kommentar

In Aggsbach Markt gesessene Angehörige der niederadeligen Familie Puschinger (ursprünglich nach Pisching) erscheinen im späteren 14. Jahrhundert häufig in der Umgebung der Maissauer. Jans (Hans) Puschinger und seine Frau Verona stifteten 1369 mit 11 ½ lb. den. Gülten vom Weingarten „Schütt“ (in Unterloiben?) ein Amt und zwei Messen in der von ihren Vorfahren erbauten und bestifteten Marienkirche in Aggsbach2).

Albrecht Puschinger, vielleicht ein Sohn Konrads (d. J.) und der Euphemia Puschinger, fungierte von wenigstens 1438 bis 1441 als Pfleger und Verweser der bayerischen Herrschaft Spitz3). 1441 stiftete er für sich und seinen in der Kapelle (später Pfarr- und Wallfahrtskirche) in Annaberg bestatteten Bruder Hans drei Jahrtage4). Im selben Jahr besiegelte er als Burgherr die Verkaufsurkunde des Hans Fleischhacker von Aggsbach (Dorf ) über einen Weingarten und eine Wiese an die Kartause Aggsbach und verkaufte dem Kloster im Folgejahr seine an die Klosterau grenzende Au, 1444 verschiedene Gülten in Aggsbach Dorf5). Im selben Jahr setzte er testamentarisch seine Verwandten („vettern“) Sigmund von Pottenbrunn und Hermann (d. J.) Schad zu Lengenfeld zu Gerhaben seiner unvogtbaren Kinder, von denen wenigstens zwei Töchter Hedwig und Margarete bekannt sind, ein6). Wenigstens 1446 war er noch am Leben7), starb aber vor 1461 März 18). Ob eine heute verschwundene, noch zu Ende des 19. Jahrhunderts im südlichen Seitenschiff der Pfarrkirche lose an die Wand gelehnte ehemalige Mensenplatte eines Altars, die das Wappen der Puschinger trug, zu einem von Jans (Hans) Puschinger 1369 oder einem von Albrecht Puschinger gestifteten Altar gehörte, ist unklar9).

Der gegenständliche monumentale, qualitativ jedoch eher bescheidene Stein war offensichtlich zu Lebzeiten Puschingers in der ersten Jahrhunderthälfte sowohl als dessen Grabplatte als auch als kollektives Familiendenkmal mit einem sonst auf Gruftplatten begegnenden Formular angefertigt worden. Ob die Platte tatsächlich schon ursprünglich als Gruftplatte verwendet wurde, ist angesichts der fehlenden Datumsergänzung fraglich. Der freigebliebene Raum für das Sterbedatum wurde in der älteren Literatur häufig als Beschädigung angesehen.

Ganz offensichtlich stammt der vorliegende Stein aus derselben Werkstatt wie die Wappengrabplatte des Hans Hirschfelder (gest. 1432) in der ehemaligen Klosterkirche Suben, die in allen Details der Wappengestaltung (Formen von Schild, Helm und Helmdecke, Position des Helms am linken Obereck des gelehnten Schilds) und der unregelmäßigen paßförmigen Rahmung des Vollwappens sowie auch in der charakteristischen Form des Versals H (bestehend aus Minuskel-h mit verkürztem Schaft, links von weiterem, im Mittelband verbleibenden Schaft begleitet, der an der Basislinie fast rechtwinkelig umknickt und sich mit dem kurzen waagrechten Balken unter den eigentlichen h-Schaft schiebt) mit jener übereinstimmt10). Anhand der meisten der genannten Kriterien sind auch die Wappengrabplatten des Jörg (Georg) Schachner (gest. 1423) in der ehemaligen Klosterkirche Erla, der Wolfstein in der Pfk. Steinakirchen am Forst (nach 1431), des Michael Fleming von Getzersdorf (gest. 1434) und des Stephan Fronitzhauser (gest. 1440) in der Pfk. Nußdorf ob d. Traisen und die Wappengrabplatte des Leonhard von Kirchsteig (gest. 1437) in der Klosterkirche Reichersberg sowie vielleicht auch die jedoch in der Wappengestaltung qualitativ bessere Wappengrabplatte des Stephan Feuchter (gest. 1438) in der Pfk. Ober-Grafendorf derselben Werkstätte zuzuschreiben11). Das mit Abstand aufwendigste und qualität­vollste Produkt der Werkstätte ist jedoch die mit sechs Ahnenwappen und der Bilddevise des Zopfordens (?) versehene Wappengrabplatte des Ulrich Laun (gest. 1428) und seiner Kinder in Baumgartenberg12), die die charakteristischen Merkmale sowohl der Inschrift- als auch der Wappen­gestaltung aufweist.

Die Ober- und Unterlängen der Inschrift sind zugunsten einer optischen Betonung des locker gesetzten Mittelbands relativ kurz gehalten.

1) Sparren; geschlossener Helm; Stulphut mit Pfauenfederstutz.
2) S. DASP, PA Spitz, Pfarrakten 2 (Fasz. Aggsbach; Urkundenabschriften, 1369 Mai 12), vgl. Kerschbaumer, Beiträge (1890b) 294 und 297 (1369 Mai 12), Plesser, Baugeschichte 93, Ders., Kirchengeschichte (1932) 123f. und DASP, Pfarr- und Klosterakten Aggsbach Markt (1769 Jänner 31, Niederalteich: Abt Augustin [II. Ziegler] von Niederalteich ersucht den Pfarrer von Aggsbach um Bestätigung eines aus den Archivalien des Klosters wegen Verlust der einzelnen Original-Stiftbriefe erstellten „universal-stüfft-brief der älteren jahrtägen in der filial-kirchen zu Aggspach anno 1769“).
3) S. Kerschbaumer, Beiträge (1890a) 265, Plesser, Kirchengeschichte (1951) 277f. (1438 Dezember 4 und 1441), Schöner, Geschichte 1, 102, und StiA Herzogenburg, K. n. 264b (1439 März 3: Peter Wagner zu Schwallenbach schenkt dem Dürnsteiner Klarissenkloster einen Weingarten und vermacht demselben für den Sterbfall zwei weitere Weingärten in Schwallenbach. Als Siegler fungieren der Burgherr der Weingärten, Albrecht Puschinger, Pfleger und Verweser der Herrschaft Spitz, anstelle Herzog Albrechts III. von Bayern-München, und der Richter von Dürnstein, Andreas Humel), vgl. Gröbl, Klarissenkloster 32.
4) S. Winner, Urkunden Nr. 1079f. (1441 April 11, Lilienfeld und April 19, ebd.; Stiftbrief Puschingers und Revers des Zisterzienserklosters Lilienfeld). Als Zeuge des Stiftbriefs fungierten die Verwandten des Ausstellers, Sigmund von Pottenbrunn und Hermann Schad. Die im Stiftbrief erwähnte Bestattung Hans Puschingers bezieht sich ohne nähere Lokalisierung allgemein auf das damalige Kirchengebäude, wurde jedoch fälschlich auf die nördliche Seitenkapelle der Kirche bezogen, deren Erbauung man daher zu 1441 setzte, vgl. Dehio Süd 56. Noch 1450 herrschte vor dem Wiener Rat Streit um das Lilienfeld zur Erfüllung der Stiftbefindlichkeiten zugedachte Erbe Hans Puschingers zwischen dem Erben von dessen verstorbener Witwe Dorothea von Velben, Wolfhard Greul, sowie Wolfgang Missingdorfer und dessen Onkel Sigmund Fritzelsdorfer, s. Winner, Urkunden Nr. 1118 (1450 März 5).
5) S. Fuchs, Urkunden (1906) Nr. 327 (1441 Dezember 18), 335 (1442 August 23) und 343 (1444 Jänner 25), vgl. auch Floßmann, Aggsbach Dorf 55. Ob jener N. Puschinger, der 1419 Besitzer eines Hauses in Spitz unter der Burg neben dem Haus der Katharina Fleischess war, bereits Albrecht war, ist unsicher, aber angesichts seiner späteren Funktion als Pfleger von Spitz wahrscheinlich, vgl. HHStA, AUR 1419 III 12 (Verschreibung der Morgengabe von Katharina Fleischess an ihren Mann Matthias).
6) S. NÖLA, Privaturk. 2575 (1444 April 18, Wien), vgl. NÖLA, Hs. 236/6, pag. 75 und Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Reg. 45.
7) S. Schloßarchiv Greillenstein, Urk. 1446 April 6 (Andreas Maurl, Vikar von Gerolding, verkauft Hans Augspurger einen Baumgarten in Aggsbach Markt, der Albrecht Puschinger 6 den. zu Burgrecht dient) und vgl. Puschingers Funktion als Siegler des Kaufbriefs über einen Hof in Fuglau seines Verwandten Hermann Schad von Lengenfeld an das Kloster Altenburg, vgl. Burger, Urkunden Nr. CCCXCI (1446 September 24).
8) S. NÖLA, Privaturk. 2919 (1461 März 1; Margarete, Tochter des Albrecht Puschinger und Frau des Matthias Schirmer, quittiert über die Gerhabschaft des Sigmund von Pottenbrunn). Vgl. auch Schmidt, Kopialbuch 50 (1466 November 11, St. Pölten; Revers der Hedwig Puschinger über die Gerhabschaftserklärung des Pottenbrunners). 1469 wurde Hartung Hämäder (auch: Heumader) von Herzog Ludwig von Bayern mit dem wohl nach Puschingers Tod heimgefallenen Sitz in Aggsbach belehnt, s. Plesser, Kirchengeschichte (1911) 62 (1469 April 17, Landshut).
9) S. DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 3.
10) S. den Subener Stein bei Lind, Atlas 42 (Fig. 7).
11) Der Zusammenhang der Aggsbacher Platte mit dem Erlaer Stein bereits richtig hergestellt bei Adamek, Grabdenkmäler (1968) 14, jedoch unter falscher Miteinbeziehung der Wappengrabplatte der Cimburg von Winkl (Kat.-Nr. 65). Zu den Steinen in Erla und Steinakirchen s. DI 10, Kat.-Nr. 41 (Abb. 18) und 460 (Abb. 140), zu den Nußdorfer Steinen vgl. Koch, Grabdenkmäler 111f. und 115–117 (Taf. 61, Nr. 1 und Taf. 62, Nr. 2) und Dehio Süd 1578, zur Platte in Ober-Grafendorf Dehio Süd 1586. Hinsichtlich der Gestaltung des Vollwappens steht dem Aggsbacher Stein auch die Bauinschrift des Jörg (d. Ä.) Scheck von Wald auf Burg Aggstein von 1429 nahe, aus den Schriftformen ergeben sich jedoch keine näheren Beziehungen.
12) S. Dehio Mühlviertel 88.
Literatur

NN., Notiz IX, 106 (Nr. CXIX; „Albrecht Puchaimer 1418“). – NN., Notiz XIII, 205 (Fig. 4; „Puechmayer“, stark fehlerhafte Transkription). – Kerschbaumer, Beiträge (1890b) 294, Anm. 3 (1403; fehlerhafte Transkription). – Lind, Atlas 232f. (Nachtrag Taf. I, Fig. 1; fälschlich „Puechmayer“, gest. 1418). – DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 3 und Heft E, fol. 16r. – ÖKT 1, 67 („Albrecht Pillsburger“, 1413). – Plesser, Baugeschichte 94 (1403). – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 13 („14 Grabsteine vom 15. bis 19. Jh.“). – Plesser, Kirchengeschichte (1932) 131. – ÖAW, NLH, 22./23. 8. 1962. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 13f., 18 und Kat.-Nr. 14 (Abb. 13). – Zotti, Kunst 2, 13 („Albrecht Pillsburger“, 1413). – Dehio Nord 3 (1403). – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 269.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 67,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj67.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 48: Gruftplatte des
Albrecht Puschinger (1. H. 15. Jh.)
©  Bundesdenkmalamt, Wien, Fotoarchiv