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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
71 |
Imbach, Pfarrhof (Klosterhof 1) |
M. 15. Jh. |
Tafelbild Maria im Ährenkleid (Maria als Tempeljungfrau) mit erklärender Beischrift, Tempera auf (Linden-?)Holz, im Museum im Obergeschoß des Pfarrhofs ausgestellt, 1836 und noch 1861 in der Katharinenkapelle ( Josefskapelle) der Pfk., von spätestens 1896 bis 1989 an der Ostseite des mittleren Langhauspfeilers. Maria mit langen rotblonden, in einen Schapel geschlungenen Haaren und Nimbus in langem, schwarzgrünen Kleid mit goldenem Ährenmuster nach links gewendet auf rot/weiß geschachtem Boden stehend, die Hände zum Gebet gefaltet. Ärmel- und Halssaum mit goldenen, strahlenartigen Borten akzentuiert, ein schmaler goldener Gürtel, in einen Knoten geschlungen, fällt fast bis zum Boden. Hinter Maria ein von zwei den Nimbus flankierenden Engeln aufgespanntes braunrotes Tuch mit Preßbrokatmusterung. Bildhintergrund über roter Grundierung gold. Unterhalb der Darstellung auf weißem Grund fünfzeilig schwarz aufgemalte Inschrift. Gesamtes Bild von vergoldeter Hohlkehle umgeben, der schmale Rahmen rot mit goldpunktierten Rosetten. Möglicherweise 1928 restauriert (akad. Maler Gustav Steinschorn, Krems)1).
H. (mit Rahmen) 132,5 cm, B. 73 cm, Bu. 2,5–3 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien und
schreibschriftliche spätgotische Kursive (Z. 5).
Textedition
Dasa) erst zaihen ainer lag gefange(n) pey mailant / der bart verurtailt d͜em tod
da rueft er an das pilt / mocht im d(er) züchtig(er) nit tun Auch sin an ainem
tag / · v · kindl gesvnt boren Auch hange(n) weis Rosen vor d͜em / <der
prachb) dy herczogin vo(n) mailant aine ab des morge(n) bas>
Anmerkungen
Kommentar
Der Text der Inschrift ist offensichtlich defekt. Nicht nur das Ende des Texts fehlt, auch der Anschluß der letzten Zeile an die vorhergehende ist syntaktisch mangelhaft, offenbar ist ein Substantiv entfallen. Das Tafelbild der Madonna im Ährenkleid aus der Mitte des 15. Jahrhunderts in der ehem. Dominikanerkirche Budweis bringt neben einer rahmenden Umschrift, die das Bild als Darstellung Mariens als Tempeljungfrau erklärt (nach dem apokryphen Protoevangelium des Jakobus im Alter zwischen 3 und 12 Jahren) und als Kopie eines in der lombardischen Stadt „Osana“ bei Mailand befindlichen wundertätigen Originals bezeichnet, unterhalb der bildlichen Darstellung eine 15-zeilige Inschrift, die den offenbar auch dem Imbacher Bild zugrundeliegenden längeren Text bietet und eine inhaltliche Ergänzung erlaubt2). Eine wahrscheinlich im 15. Jahrhundert im oberösterreichisch-südböhmischen Raum angefertigte Kopie des Budweiser Bildes mit weitestgehend mit jenem übereinstimmenden Beischriften, die als Jahr der Wunderereignisse 1413 angeben, befindet sich wenigstens seit 1576 im Prämonstratenserkloster Schlägl3).
Der ikonenartige Votivbild-Typus der Ährenkleidmadonna – diesem Charakter entsprechen die weitgehend übereinstimmenden Abmessungen und die grundlegende Konzeption der einzelnen Tafelbilder sowie die stark kanonisierte erklärende Inschrift – geht auf die von Christophorus de Mottis im Auftrag der Visconti für den Dom von Mailand geschaffene und als wunderttätig verehrte „Madonna di cohazzone“ zurück. Eine der Legende nach von der Deutschen Kolonie in Mailand gestiftete silbermontierte Holzplastik der Ährenkleidmadonna wurde 1387 im Mailänder Dom aufgestellt, 1456 oder 1465 durch das Gemälde de Mottis und schließlich vor 1485 durch eine vergoldete Marmorskulptur des Pietro Antonio Solari ersetzt4). Tafelbilder mit Darstellungen Mariens im Ährenkleid als Reflex von Hld 7,3 und den darauf aufbauenden literarischen Bildern Mariens als guter Acker, der reiche Frucht trägt, als Symbol der unbefleckten Empfängnis, sind in über 50 Exemplaren in Oberitalien, Österreich und Süddeutschland erhalten, wo sie bis ins 18. Jahrhundert volkstümliche Verehrung genossen. Neben der relativ kanonisierten Darstellung Mariens selbst variieren die einzelnen Beispiele in der Gestaltung des Bildraums und der Assistenzfiguren ebenso wie in der Beigabe oder dem Fehlen der erklärenden Beischriften.
Ein weiteres Tafelbild ohne Inschriften aus der ersten Hälfte bis Mitte des 15. Jahrhunderts, vielleicht eine Stiftung des Ritters Bernhard Praun für die Wiener Neustädter Kirche St. Peter a. d. Sperr, damals Dominikanerklosterkirche (1444–1546), befindet sich heute im Keresztény Múzeum (Christliches Museum) in Esztergom5). Eine um 1450 datierte Darstellung aus der Pfarrkirche Sterzing mit einem Teil der Inschrift befindet sich seit 1977 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum6). Ob das Bildmotiv bei Konventen des Predigerordens besonders populär war, wie die genannten drei Beispiele nahelegen, wäre zu untersuchen, zumal auch ein Ursprung des ikonographischen Motivs in deutschen Frauenklöstern des 14. Jahrhunderts angenommen wurde7). Die letzte Zeile des Imbacher Bilds (mit dem deutlichen syntaktischen Bruch im Text) dürfte im Zuge einer Restaurierung spätestens im frühen 16. Jahrhundert nachgetragen worden sein, wobei auch die untere Hohlkehlenleiste entfernt wurde. Während die ersten beiden Worte (bis pr in prach) weitestgehend den Gotischen Minuskelformen der vorhergehenden Zeilen entsprechen, wird die Inschrift bis zum Ende immer kursiver, während die Schriftgröße abnimmt. Charakteristisch für den bastardaartigen Formenbestand der schreibschriftlichen Kursive sind einstöckiges a und das g, bei dem der obere Bogen so gestaltet ist, daß das obere Schaftende und das obere Ende des linken Bogenabschnitts vom waagrechten oberen Bogenabschnitt überschnitten werden, eine etwa für die französische lettre bâtarde charakteristische Form. Insgesamt sind die Buchstaben überwiegend schmal, leicht spitzoval, die Buchstabenbestandteile im Mittelband weisen starken Schwung auf. Der umgebogene Haarzierstrich am Balken des t in mailant (Z. 5) entspricht in der Stilisierung dagegen dem Haarzierstrich des Gotischen Minuskel-t in Z. 1 (ebenfalls in mailant). Die variationsfreudige Gotische Minuskel-Inschrift verwendet zwei verschiedene a-Formen nebeneinander, einerseits a mit durch tropfenförmig auslaufendem Haarstrich geschlossenem oberen Bogen, andererseits Kasten-a mit zwei rechtsschrägen Haarzierstrichen als Balken. Das r wird konsequent als Bogen-r mit gebrochenem Bogen und langer Cauda wiedergegeben.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Imbach, Pfarrhof (Klosterhof 1) • Tafelbild • Beischrift • Gotische Minuskel mit Versalien • schreibschriftliche spätgotische Kursive •
Mottis, Christophorus •
Praun, Bernhard •
Steinschorn, Gustav •
Visconti •
Wenzel •
Bamberg •
Brixen, Diözesanmuseum •
Budweis, Dominikanerkirche •
Freising, Diözesanmuseum •
Imbach, Dominikanerinnenkloster •
Innsbruck •
Mailand, Dom •
München •
Osana •
Schlägl, Prämonstratenserkloster •
Sterzing, Pfk. •
Tratzberg •
Tscham •
Valtice •
Wiener Neustadt, St. Peter an der Sperr
Abbildungen
Abb. 53: Tafelbild (M. 15. Jh.) ©
ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)
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