Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
77 |
Weißenkirchen i. d. Wachau, Pfk. Mariä Himmelfahrt |
1455 |
Glocke („Frauenglocke“) mit Gebetsanrufung und Angabe des Gußjahrs, im Turm der Pfk. Am Hals umlaufende Umschrift zwischen begrenzenden doppelten Stableisten, die letzten beiden Stellen der Jahreszahl unterhalb der unteren Leiste am Mantel. Unmittelbar darunter Darstellung Marienkrönung durch die Hl. Dreifaltigkeit: auf zweisitzigem Thron Gottvater (rechts) und Christus (links), zwischen den beiden Köpfen die Heiliggeisttaube, verkleinert dargestellt die im Gebet kniend gekrönte Maria. Beiderseits der Szene die Hll. Petrus (links) und Paulus (rechts). Auf der gegenüberliegenden Seite des Mantels Darstellung Maria mit dem Kind, flankiert von Hl. Katharina (links) und Barbara (rechts). Über dem Schlagring in Doppelleiste umlaufender Fries mit verschiedenen Tiergestalten (u. a. Hunde und Hasen). Auf der gesamten Mantelfläche 23 Pilgerzeichen und Münzen (Brakteaten) als Glockenzier aufgeschmolzen.
H. 115 cm, D. 142 cm, Bu. 5 cm. – Gotische Minuskel.
Textedition
maria + mater + gracie +
mater + misericordie +
tu + nos + ab + hoste + protege +
in horaa) + mortis + suscipe +
o + rex + glorie + christe + veni + cum + pace + anno + domini + mo +
cccco + / lvob)
Anmerkungen
Kommentar
Die Glocke wird – nicht zuletzt aufgrund der Reliefs und des tiergestaltigen Frieses am Wolm, der auch noch für einen seiner mutmaßlichen Werkstattnachfolger charakteristisch ist – dem produktiven Judenburger Glockengießer Hans Mitter bzw. einem seiner Schüler zugeschrieben1).
Die Anbringung der bislang nicht als solche erkannten, sondern insgesamt als Münzen gewerteten plakettenförmigen Pilgerzeichen auf der Mantelfläche der Glocke scheint – entsprechende Vorarbeiten für den österreichischen Raum liegen jedoch nach Kenntnis des Bearbeiters nicht vor – ein relativ früher Beleg für diese gegen Ende des 15. Jahrhunderts in Nord- und Mitteldeutschland häufiger zu beobachtende Dekorvariante zu sein2).
Die gegenständliche Glocke muß aus einem Vorgängerbau in den erst 1502 neugebauten Kirchturm von Weißenkirchen transferiert worden sein. Die schlechte Überlieferung zu einer ehemals angeblich in der Pfarrkirche Schönberg befindlichen Glocke mit weitgehend identischer Inschrift (Kat.-Nr. 78†) könnte auf einer Verwechslung mit dem vorliegenden Instrument beruhen. Der Hymnenvers entstammt mit einer geringen Abweichung (in hora statt et hora) dem im Rituale Romanum für die kleinen Horen der Marienfeste vorgesehen Hymnus „Memento, salutis auctor“, dessen zweite Strophe er bildet. Der Vers, der auch als Fortsetzung der Sequenz „Quem terra, pontus, aethera“ des Venantius Fortunatus angesehen wurde3), ist nach dem Rituale Romanum auch bei der Krankensalbung zu sprechen.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Maria, Mutter der Gnade, Mutter der Barmherzigkeit, beschütze Du uns vor dem Feind, nimm uns in der Sterbestunde auf. O, Ruhmeskönig Christus, komm mit Frieden. Im Jahr des Herrn 1455.
Hymnus.
Ambrosianische Strophe (iambischer Dimeter mit Endreim).