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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

8 Imbach, Pfk. Mariä Geburt um 1300 (?)

Grabplatte, feinkörniger hellgrauer Granit (?), innen im westlichen Torvorbau unmittelbar neben dem Aufgang zur Orgelempore an der Wand, ursprünglich (?) und noch Ende des 19. Jh. im Boden des nördlichen Schiffs, von Kirchenbänken verdeckt, vor 1989 außen an der Umfassungsmauer (Friedhofsmauer) nördlich der Pfarrkirche1). An der linken Längs- und der oberen Schmalseite der Platte winkelförmige Inschrift, gegen das Mittelfeld mit dem seicht eingehauenen, aus dreipaßförmigem Maßwerksockel wachsenden (Stangen-?)Kreuz (am oberen Schaftende ein Nodus mit ausgesparter vollrunder Innenkontur) durch seicht eingehauene umlaufende Linie abgesetzt. Gesamte Platte stark abgetreten, Feuchtigkeitsschäden und Oberflächenbeschädigungen im unteren Teil, besonders an der rechten unteren Ecke.

H. 215 cm, Bu. 75,5 cm, Bu. 4–5 cm. – Gotische Majuskel.


Textedition
			

[HIE · LEITa)] · HER · CHVNR[A]Tb) · / [– – –

Anmerkungen
a) das sinngemäß bzw. in Analogie zu Kat.-Nr. 16 zu erg. HIE völlig verloren; von LEIT Reste von Schaft und Balken des L, Bogen des unzialen E, Schaft des I und Schaft und minimale Reste des Balkens von T schwach erkennbar.
b) von A nur der Balken erkennbar; als Trennzeichen schmale senkrecht gestellte Ellipsen; die äußerst geringen Schriftreste in zweiten Schriftband nicht mehr zuordenbar.

Kommentar

Der Verstorbene läßt sich mit keinem der in den Imbacher Urkunden der Zeit auftretenden Träger dieses Namens schlüssig identifizieren. Möglicherweise handelt es sich jedoch um den 1289 belegten Kaplan Konrad des Imbacher Konvents2). Die Gestaltung der Kreuzesarme, deren Außenkontur durch bis an die Randlinie reichende Viertelkreise gebildet wird und das im Kreuzesmittelpunkt ausgesparte quadrangelförmige Feld weisen gemeinsam mit den Merkmalen der Inschrift im regionalen Vergleich jedenfalls auf die Zeit um 1300 hin3). Die winkelförmige Beschriftung in deutscher Sprache entspricht einem im Bearbeitungsgebiet schon vor 1300 nachweisbaren Typus (vgl. Kat.-Nr. 4).

Die – soweit der Erhaltungszustand erkennen läßt – offenbar relativ linear ausgeführte Inschrift weist mit Ausnahme des unzialen E ausschließlich kapitale Formen auf, die Bogenschwellungen an den mit leicht durchgebogenem Haarstrich geschlossenen C und E sind kaum als solche erkennbar. Signifikant ist v. a. die Form des R, bei dem der fast vollrunde Bogen und die im oberen Teil ebenfalls annähernd vollrund durchgebogene Cauda einander mit deutlichem Abstand zum Schaft berühren und so in der Mittellinie einen keilförmigen Freiraum zwischen Schaft, Bogen und Cauda bilden. Diese auffällige Gestaltung hat Walter Koch für die Buchstaben B und R in den ebenfalls winkelförmigen Beschriftungen der Babenbergergräber in Heiligenkreuz aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts als charakteristisch beobachtet4).

1) Vgl. DASP, Nachlässe 5, Heft K, fol. 39r („von den Kirchenstühlen der Nordseite verdeckt goth. Platte ohne Inschrift. Stangenkreuz“) bzw. Zotti, Kunst 2, 164 und Fux, Schleier 280 (Abb. mit undat. Foto der Mauer mit den heute im Kircheninneren befindlichen Grabplatten).
2) Vgl. StiA Zwettl, Urk. 1289 Jänner 28. Als Zeugen der Urkunde (Priorin Lucia und der Konvent von Imbach verkaufen Hartwig Tuchel verschiedene Waldviertler Gülten) fungieren neben zahlreichen anderen geistlichen und weltlichen Zeugen „frater Chunradus et dominus Chunradus cappellani nostri in Minnbach“. Während der Erstgenannte als Angehöriger des Kremser Dominikanerkonvents den Gottesdienst der Nonnen feierte, betreute letzterer als Weltgeistlicher wohl die erst acht Tage vor dem Ausstellungsdatum der genannten Urkunde mit Pfarrechten ausgestattete Imbacher Kapelle des Konvents.
3) Vgl. die identische Kreuzesform auf der wohl etwas jüngeren Grabplatte im benachbarten Senftenberg (Kat.-Nr. 16) bzw. die ähnlich gestaltete Grabplatte einer Gebwirg (gest. 1303) in der Pfarrkirche Altpölla, s. Polleroß, Kunst 180f. (Fig. 16).
4) S. Koch, Zu den Babenbergergräbern 207f. Auch die Namensinschrift des Hadmar von Sonnberg aus dem späten 13. Jh. im Zwettler Kreuzgang weist dasselbe charakteristische R auf, s. Koch, Epigraphik 155f. (Kat.-Nr. 162c; Abb.).
Literatur

DASP, Nachlässe 5, Heft K, fol. 39r. – Dehio Nord 469 (14. Jh.).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 8,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj8.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 8: Grabplatte (um 1300)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)