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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

88† Dürnstein, ehem. Chorherrenkloster (?) 1481

Bildliche Darstellung mit erklärender Beischrift, (Wandmalerei?), vermutlich bis etwa 1721 im Klostergebäude an unbekanntem Standort, vielleicht im Zimmer des Klosterkämmerers oder im Refektorium. Darstellung eines außergewöhnlich großen Huchens, wohl darunter die Inschrift.

(Wohl) Gotische Minuskel.

Beschreibung und Textwiedergabe nach Ölbild, 1. H. 18. Jh.


Textedition
			

Dvrcha) der + dreyvaltigkeit vnd vnser(er) lyeben vrawn hülff vyngg dysen hvechen zve Tyrn=/stain bey der kvgel vndterthalben des closters p[rv]e[der] Kvnibert der Plabenstainerb) / des / vermeldten selben styffts khamer(er)b) / nach Christes gepvrt vyerczehenhvndert jar darnach / in deme ains vnd achtziksten jar des nachstenc) mittichen vond) Andreae des zwelifboten tage / mit ainer am altar sand Peters geweyheten angeln zve gemainer woltat vnd vrewd weyll / daz vngehewr an gennsz vnd andten vil groszen schaden angericht jtem gar ainem av=/szer boehmerlandt zween vinger abgebyszen. hat gewogen 76 wynner phvndte).

Anmerkungen
a) Anfangsbuchstabe als reich verzierter Frakturversal rot, die ersten drei Zeilen einnehmend, in den Textblock eingerückt und diesen überragend.
b) der folgende Schrägstrich in der Vorlage.
c) dem a ein kleines e übergestellt.
d) sic! fälschlich für vor.
e) folgt ein wellenförmiges Füllzeichen.

Datum: 1481 November 28.


Kommentar

Das im Dürnsteiner Hotel Richard Löwenherz in den ehemaligen Gebäuden des Klarissenklosters (Dürnstein Nr. 8, s. Einleitung S. XXI) aufbewahrte Ölgemälde auf Leinwand dürfte eine in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts angefertigte Wiedergabe einer älteren bildlichen Darstellung mit Gedenk­inschrift auf den außergewöhnlichen Fischfang von 1481 in der Donau unterhalb des Chorherren­klosters sein. Trotz mancher verdächtiger Passagen des Texts, die zunächst an eine barocke Parodie1) denken lassen (etwa der „Rittername“ Kunibert oder die Weihe der Angel am Petersaltar), dürfte die Formulierung der Inschrift angesichts der Fülle an überlieferten Details und der exakten Datierung wenigstens überwiegend historisch sein. Die Übernahme des Ereignisses aus einer erzählenden Quelle des Klosters, etwa einer Hauschronik, und dessen erst sekundäre Darstellung im Bild wäre zwar grundsätzlich denkbar, allerdings deutet die Kombination aus bildlicher Wiedergabe des Fischs und explizit auf die Darstellung bezogener Formulierung der Inschrift (vyngg dysen hvechen) auf das Vorliegen einer bereits ursprünglich bildlich/inschriftlichen Überlieferung hin. Diese Vermutung stützt auch die Nachahmung oder Übernahme einzelner typisch spätmittelalterlicher Kürzungen (-er) sowie die offensichtlich auf einen Abschreibefehler zurückgehende Lesung mittichen von Andreae statt mittichen vor Andreae in Z. 4 des Gemäldes. Zudem hat die Fraktur der Inschrift durch den stark gitterartigen Charakter des Mittelbands mit scharfen Brechungen einen gewissen „gotisierenden“ Charakter, wobei einzelne Versalien eine freie Umsetzung spätmittelalterlicher Vorbilder zu sein scheinen. Möglicherweise war eine ursprüngliche Bild/Inschrift-Kombination 1481 als Wandmalerei im Zimmer des Klosterkämmerers – ähnlich wie eine vergleichbare spätere Inschrift auf den Fang eines riesigen Hausen in Göttweig (s. Kat.-Nr. 505†) – oder auch im Refektorium ausgeführt worden. Im Zuge der barocken Umbauten unter Propst Hieronymus Übelbacher (s. Einleitung S. XIXf.) ab etwa 1717/1721 könnte zwar das Original zerstört, in Anbetracht der Kuriosität der Überlieferung aber eine vielleicht textlich erweiterte Kopie in Form des erhaltenen Ölbilds angefertigt worden sein. Die Lokalisierung des Fangs bey der kugel vndterthalben des closters bezieht sich auf einen unterhalb des ehemaligen Chorherrenklosters gelegenen Uferfelsen der Donau. Der in der Inschrift als Kämmerer genannte Bruder Kunibert Plabenstainer ist jedoch im Kloster zum Jahr 1481 nicht nachweisbar. 1478 war ein elf Jahre später verstorbener Bruder Friedrich Kämmerer, auch unter den Kapitularen von 1484 ist der Name Plabenstainers nicht zu finden2). Das Chorherrenkloster besaß im 15. Jahrhundert vermutlich die Fischwaide in der Donau vom Klostergarten bis zum Steiner Burgfrieden3).

Der in Österreich vom Aussterben bedrohte Huchen (Hucho hucho, auch: Donaulachs), ein vor allem in der Donau lebender einzelgängerischer räuberischer Lachsfisch mit bis zu 1,5 m Länge und in Einzelfällen bis zu 50 kg Gewicht ist tatsächlich imstande, neben anderen Fischen kleine Säugetiere und Vögel in sein Beuteschema einzufügen4).

1) Um eine „epigraphische Fälschung“ in dem von Neumüllers-Klauser, Problematik, bes. 175 und 178f. verstandenen Sinn handelt es sich jedoch keinesfalls.
2) Vgl. Schmettan, Chorherrenstift 156.
3) Eine offenbar im 18. oder 19. Jahrhundert zu 1420 Dezember 8 inhaltlich wie formal plump gefälschte Urkunde, die noch 1932 im Speisesaal des damaligen Gasthofs Richard Löwenherz aufbewahrt wurde, gestand seitens des Klosters (als Aussteller Abt [!] Augustin [zu 1420 richtig: Propst Martin] dem Kuenringer [!] Burggrafen, Leutold von Dürnstein, unter bestimmten Bedingungen das Recht auf Huchenfang in der klösterlichen Fischweide zu, s. Rott, Anglerlizenz (mit Abb.). Die Fälschung wurde bereits von Plesser, Kirchengeschichte (1932) 153 als solche erkannt, von [Dworschak], Dürnstein 83 jedoch wieder unkritisch referiert.
4) Junge Enten oder Küken bzw. Bisamratten werden mitunter von Huchen gefressen, kaum jedoch ausgewachsene Tiere wie die in der Inschrift aufgeführten. Für diesen Hinweis bin ich Herrn Manfred Mayerhuber (Klosterneuburg) zu herzlichem Dank verpflichtet. Vgl. im übrigen Schremser, Fischerei 125f. und 136–142.
Literatur

Waldstein/Semrad, Wachau 143 (Inschrift teils inhaltlich falsch referiert). – Zajic, Denkmäler 330f.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 88,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj88.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Dürnstein, ehem. Chorherrenkloster (?)    •  Bildliche Darstellung  •  Beischrift  •  Wandmalerei  •  Gotische Minuskel  •  Augustin  •  Dürnstein, Leutold  •  Friedrich  •  Martin  •  Plabenstainer, Kunibert  •  Dürnstein, Klarissenkloster

Abbildungen

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Abb. 66: kopiale Überlieferung:
bildliche Darstellung (1481)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)