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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

148† Dürnstein, ehem. Klosterkirche und Pfk. Mariä Himmelfahrt 1512 (?)

Grabdenkmal des Wenzel Nersichgern, der Agnes und des N. von Herasditz (?), bis etwa 1721 unter der Orgelempore nahe dem Augustinusaltar an der Wand1).

Standortangabe und Textwiedergabe nach StiA Herzogenburg, Descriptio Monumentorum Nr. 14 (mit Verbesserungen nach NÖLA, Hs. 428, pag. 124).


Textedition
			

Hier liegt begraben der Edle Veste Watzla Nersichgern von Gatfridtßa) Vndt ist gestorben Anno D(omi)ni M CCCC undt in dem [– – –]b) Vndt Agneß Sein einigec) haußfraw Von Heraßdits, die gestorben ist in dem M D X II Jahr, auch Ligt hie begraben der Edle Vest [– – –]d) Von Heraßdits, der gestorben Anno D(omi)ni M CCCC in dem XCV Jahr am Sambstag vor S(anc)t Gilgen Tage)

Anmerkungen
a) sic! für Gotfridtß.
b) folgt ein langes Auslassungszeichen, das wohl den am Stein freigelassenen Raum für die Jahresangabe anzeigen sollte, vgl. demgegenüber die Textgestaltung nach NÖLA, HS. 428, pag. 124 in Anm. e.
c) sic! wohl fälschlich für ehlige.
d) folgt ein langes Auslassungszeichen; es ist unklar, ob damit eine Beschädigung der Inschrift angezeigt werden sollte, oder ob der Abschreiber den Namen nicht lesen konnte, vgl. demgegenüber die Textgestaltung nach NÖLA, Hs. 428, pag. 124 in Anm. e.
e) Tagesdatierung nach NÖLA, Hs. 428, pag. 124; StiA Herzogenburg, Descriptio Monumentorum Nr. 14: RnnCL (sic!). Text nach NÖLA, Hs. 428, pag. 124: Hie Ligt Begraben der Edl Vesst Wazlab Nersichgern, vom gozfriz ist gestorben Anno D(omi)ni : 1403 : Agnes von Herolez die gestorben ist Anno D(omi)ni : 1412 : Auch Ligt Hie Begraben der Edl Vesst Gundl von Herolez der gestorben ist im : 1495, Jahr, am Sambstag St. Gilgen Tag.

Datum: 1495 August 29.


Kommentar

Wenzel Nersichgern (auch: Norschgern, Nersinger), in den Quellen abwechselnd nach Weißenkirchen („von Wachau“) oder (Groß-)Göttfritz zubenannt, fungierte 1494 als Richter der Wachau2). 1500 fungierte er neben dem Wachauer Richter Hans (d. J.) Zipf als Spitzenvertreter der Gemeinde Wachau im Schuldbrief über 350 lb. den. an die Weißenkirchener Marienbruderschaft (Pfarrzeche) und die Marienbruderschaft von St. Michael3). Im selben Jahr kaufte er den festen Sitz Himberg samt Dorf, Bauhof und einer Hofstätte von Michael Kreuß, verkaufte alles jedoch noch im selben Jahr wieder an Jörg Heidelberger von (Groß-)Heinrichschlag (s. Kat.-Nr. 127)4). 1508 war er auf dem Kremser Landtag unter den Teilnehmern des Ritterstands5) und schenkte dem Kloster Dürnstein einen Grund „in den Greitlüssen“, der zu einem Weingarten gebaut wurde6). Zu nicht näher bekanntem Zeitpunkt (nach 1487) hatte er von Leopold (III.) von Neidegg zu Ranna die freieigene halbe Burg Albrechtsberg a. d. Gr. Krems, das Kirchenpatronat über die Pfarrkirche und alles weitere Zubehör erworben, verkaufte beides jedoch samt dem Leibgedinge bzw. Pfand auf der zweiten Hälfte, das er von seinem Stiefsohn Achaz Vindinger (s. Kat.-Nr. 145) ererbt hatte, schon 1514 wieder an den ursprünglichen Besitzer7). 1518 setzte ihn Kaiser Maximilian I. zum Spruchmann in einer Streitsache der Gerhaben der Kinder des Achaz Vindinger ein8). Der seit 1521 regierende Propst Urban Hanal von Dürnstein hatte ihm 30 fl. geschuldet9), dem Kloster Göttweig hatte er vor 1517 212 fl. rh. und 4 ß den. geliehen, wogegen er den Göttweiger Hof in Dankholz bei Kottes zu Pfand erhielt10). Noch 1523 wird er im Urbar der Herrschaft Dürnstein/Wachau als Inhaber eines dienstpflichtigen Hauses in Weißenkirchen genannt. Im Anschlag über die Häuser in Weißenkirchen des gleichen Jahrs wurde das Haus (heute vielleicht [Marktpl.] Nr. 24 als Teil des ursprünglich zusammengehörigen Komplexes der heutigen Häuser Nr. 24/20/18 im Bereich Marktpl./Kremserstr.) als im Marktviertel gelegen beschrieben und zusammen mit drei weiteren Häusern und Weingärten auf einen Wert von 1648 lb. den., davon das erste Haus 180 lb. den., geschätzt11).

Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau Agnes von Herasditz war Wenzel Nersichgern spätestens 1516 mit Margarete Truchseß von Tachenstein verheiratet. Aus jenem Jahr scheint eine Darstellung der Vollwappen der beiden letztgenannten Eheleute, neben zahlreichen anderen Wappen wohl als Wandmalerei an einem nicht näher bekannten Standort in der Burg Dürnstein ausgeführt, gestammt zu haben12). Ein mutmaßlicher Sohn Wenzels, Matthias Nersichgern, soll 1514 in der Pfarrkirche St. Michael bestattet worden sein13).

Die Entstehungszeit der Grabplatte ist aufgrund der kopialen Überlieferung nicht sicher einzuordnen. Der in der Inschrift erstgenannte Wenzel Nersichgern starb, wie oben ausgeführt, erst nach 1521. Die Vermutung liegt nahe, daß die Inschrift 1512 anläßlich des Todes der Agnes angefertigt wurde. Die wahrscheinlich für Zehner- und Einerstelle freigelassene Angabe des Todesjahrs Wenzels hätte dann jedoch zweifellos M CCCCC <– – –> lauten müssen. Möglicherweise liegt ein Versehen des Abschreibers vor.

1) StiA Herzogenburg, Descriptio Monumentorum Nr. 14: „Infra chorum figuralem versus altare S. Augustini in magno lapide ad parietem“. Zur Interpretation des „Figuralchors“ als Orgelempore s. Pühringer-Zwanowetz, Baugeschichte 111.
2) S. Plesser, Kirchengeschichte (1932) 437f. (1494 Oktober 20).
3) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 535 (1500 März 29). Vielleicht ist das Geldgeschäft in Zusammenhang mit den damals begonnenen Umbauten an der Weißenkirchener Kirche zu sehen, zu denen Nersichgerns Frau („Waczlabin“) 1502 den Wein für die Schiffleute beistellte, die das Bau- und Gerüstholz für den neuen Kirchturm auf der Donau heranführten, s. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 536.
4) S. Plesser, Kirchengeschichte (1932) 271f.
5) S. Si NÖ 1, 166 und Plesser, Kirchengeschichte (1951) 574.
6) S. Plesser, Kirchengeschichte (1939) 118.
7) S. HHStA, AUR 1514 I 9 und vgl. Hausmann, Neudegger 120. Die Besitzgeschichte von Albrechtsberg um 1500 ist nicht leicht rekonstruierbar; 1498 wurde Zacharias Steinberger nach Albrechtsberg (wohl das oben genannte und nicht das an der Pielach) zubenannt, s. NÖLA, Privaturk. 3445 (1498 Jänner 7, Wien).
8) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 576 (1518 Juli 28).
9) S. StiA Herzogenburg, jüngeres Kopialbuch, fol. 54r.
10) S. StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 76r, hier genannt als „Watzlabe ex Weisenkirchen“.
11) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 579f. (1523 Mai 3) und 581f. mit Identifizierung als Haus Nr. 24. NÖLA, Hs. 428, pag. 124, bringt zur Grabinschrift des Wenzel Nersichgern eine kuriose Anmerkung: „NB: gedachter Nersichgern soll nach anzaigung des priors im Closters [!], ainmall das Ungarlandt ybergeben haben, unnd darnach zue straff enthaubt hieher gefüerth und begraben sein worden“.
12) S. Enenkels Aufzeichnungen in NÖLA, Hs. 78/3, pag. 813, wo nach der Angabe „zu Tiernstein im alten schloß auf dem berg angemaldt under vielen auch diße“ mehrere Wappenschilde und Vollwappen in Federzeichung wiedergegeben sind. Ob die von Enenkel neben die entsprechenden Wappen (Nersichgern: blau/silber/gold zweimal gespalten; offener [?] Helm; Flug mit dem Bild des Schildes; Truchseß: drei Zinnenbalken; offener [?] Helm; Flug mit dem Bild des Schilds) gesetzten Namensbeischriften „Nersichgern“ und „Druchseß vo(n) Tähenstein“ sowie die darunter gesetzte erläuternde Angabe „Wazlab Nersichgern von Gozfriz uxores: 1. Agnes von Horoltiz 2. Margreth Druchsassin von Tähenstein 1516“ als Beischriften zu den Wappen in der Burg inschriftlich ausgeführt waren, oder nur von Enenkel erläuternd hinzugefügt wurden, ist unklar. Unklar sind auch Datierung, Gesamtzusammenhang und Funktion der Wappendarstellungen, unter denen sich offenbar auch Wappen niederadeliger Kuenringer Klienten aus dem frühen 14. Jahrhundert (Spitzer) befanden. Si NÖ 1, 315 (Norschgern zu Weissenkirchen) und Taf. 166 beschreibt ein anderes Wappen.
13) S. Si NÖ 1, 315 („Norschgern“) und Goll, Michael, St. 550 („Norschgern“).
Literatur

NÖLA, Hs. 428, pag. 124. – StiA Herzogenburg, Descriptio Monumentorum Nr. 14. – Plesser, Kirchengeschichte (1911) 122. – Plesser, Kirchengeschichte (1939) 116. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) Kat.-Nr. 99.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 148,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj148.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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