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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

169 Spitz, Pfk. Hl. Mauritius 1513, 1521

Wappengrabplatte des Wolfgang und der Martha Kernstock, roter Marmor, außen am Chorschluß an der Nordseite des südlichen Strebepfeilers. Zuoberst vierzeilige Inschrift (I), darunter in vertieftem hochrechteckigen Feld mit Hohlkehle reliefiertes Vollwappen, unter diesem fünfzeilige Is. (II).

173 cm, B. 89 cm, Bu. 5,5 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

I. Anno d(omi)ni M vc Jm xiij am · / mitich(e)na) vor vrsule ist gestorben / der ersam Wolfgang kernstokh / Burger zw Spicz hie begraben II. Darnach am pfincztag vor + / Tiburcyb) 1521 ist gestorben die / Erber fraw Martha sein [E]lich / ha[u]sfraw h[ie be]gr[ab]en [der] / got gen[a]dt

Anmerkungen
a) Trennzeichen quadrangelförmig.
b) vorangehendes Kreuz aus fünf Quadrangeln zusammengesetzt.

Daten: 1513 Oktober 19; 1521 April 11.

Wappen: Kernstock1).


Kommentar

Wolfgang Kernstock, von Beruf möglicherweise Handelsmann, stammte aus einer Spitzer Ratsfamilie und wurde Marktrichter von Spitz. 1489 Dezember 11 wurde ihm ein Wappenbrief ausgestellt, der das auf dem Grabdenkmal angebrachte Wappen enthält2). Entweder er oder sein gleichnamiger Sohn war auch Mitglied der Spitzer Marienbruderschaft3). Ob die angebliche Nennung eines Spitzer Pfarrvikars Fr. Wolfgang Kernstock für 1504/09 sich auf einen gleichnamigen Verwandten des Verstorbenen bezieht oder auf Verwechslung mit diesem beruht, ist unklar4).

Die Platte stammt wohl ebenso wie das Grabdenkmal des Michael Een am gegenüberliegenden Pfeiler (Kat.-Nr. 184) und die figürliche Grabplatte des Fr. Viktor Lauser in der Pfk. (Kat.-Nr. 181) neben mehreren anderen Grabdenkmälern des bearbeiteten Bestands (Kat.-Nr. 144, 158, 161, 165, 170 und 201) aus der Hand bzw. der Werkstatt des „Sigmund Rueder“5). Die künstlerische Behandlung des Vollwappens (vgl. die Formen der mit mehreren parallelen Rillen versehenen Bahnen der Helmdecke, die teils in Kreise eingerollt, teils mit charakteristischen dreilappigen, an trockenes Laub erinnernden Enden versehen werden, mit den Laubformen des Astwerks auf der Lauser-Platte) und die Verwendung regelmäßig in derselben Form wiederkehrender Versalien wie A, B, E, S, vor allem aber M, entsprechen deutlich dem Stil der produktiven Werkstätte. Bei etwas schmälerem Gesamteindruck entsprechen die Einzelformen der Gemeinen genau denen von Kat.-Nr. 184 (s. die dortige Schriftbeschreibung).

1) Neben Baumstumpf ein steigendes Einhorn; Stechhelm; das Einhorn des Schildbilds aus der Helmdecke wachsend; Aue, Wappenschlüssel 432, gibt ein anderes Wappen an.
2) Adamek, Grabdenkmäler (1968) 111. Als Richter von Spitz besiegelte er etwa 1492 gemeinsam mit Michael Teisenhofer (s. Kat.-Nr. 236) den Stiftbrief des Simon Prücklmüller an das Kloster Dürnstein, s. StiA Herzogenburg, D. n. 342 (1492 April 1, Dürnstein), vgl. Penz, Schauplatz 367, oder 1498 den Kaufbrief des Spitzer Bürgers Michael Schaller über zwei Weingärten (der „Pokfues“ in Oberloiben und der „Siechweingarten“ unter dem Dürnsteiner Siechenhaus) an den Dürnsteiner Bürger Wolfgang Wildberger, s. die Abschrift des verlorenen Originals in StiA Herzogenburg, D.2.B.81, fol. 282v-284r (1498 März 7).
3) S. DASP, PA Spitz, Pfarrakten 2, Fasz. Bruderschaften, Bruderschaftsbuch 1530 (Papierhs.), unfol. [fol. 1r], vgl. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 306f. Ein Stephan Kernstock hatte am 8. August 1486 für Seelenmessen dem Spitzer Pfarrer 72 den. bezahlt, s. DASP, PA Spitz 7/1/1 (Kirchenrechnungen 1), Rechnungen des Spitzer Pfarrvikars für 1486/87, unfol. Die oben geäußerte Vermutung hinsichtlich Wolfgang Kernstocks Beruf bezieht sich auf die Tatsache, daß der Spitzer Pfarrvikar Fr. Wolfgang 1497 von Kernstock während des gesamten Jahrs Pfeffer, Mandeln, Zimtstangen (? „Rörn“), Feigen, Reis, Rosinen („weinperl“) und Stockfisch um 3 lb. 7 ß 15 den. und Schreibmaterial („pawmöl, papir, tinkhenzeug [!]“) um 81 den. bezogen hatte, s. DASP, PA Spitz 7/1/1 (Kirchenrechnungen 1), Rechnungen des Spitzer Pfarrvikars Fr. Wolfgang für 1497, unfol.
4) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 296 und 299. Nach den Archivalien in DASP, PA Spitz 7/1/1 (Kirchenrechnungen 1) ist lediglich der Vorname Fr. Wolfgangs überliefert. Krick, Klöster 138, führt einen Niederalteicher Konventualen Wolfgang Kernstock als Pfarrer von Spitz zwischen 1503 und 1521 an.
5) Der Werkstatt-Zusammenhang bereits richtig hergestellt bei Adamek, Grabdenkmäler (1968) 23, bzw. Dems., Grabdenkmäler (1969) 44.
Literatur

DASP, Nachlässe 5, Heft H, fol. 56r. – ÖKT 1, 390. – Leonhardt, Grabdenkmäler 100. – Thieme-Becker 29, 165. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 323 („Vierzehn Grabsteine: 1415 bis 1775“). – ÖAW, NLH, 23. 8. 1962. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 23 und Kat.-Nr. 51 (Abb. 45). – Adamek, Grabdenkmäler (1969) 44f. – Schöner, Abriß 36. – Schöner, Geschichte 1, 161 und 189. – Zotti, Kunst 2, 367. – Dehio Nord 1105. – Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 50 (Abb. 50).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 169,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj169.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 99: Grabplatte des
Wolfgang Kernstock (1521)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)