Inschrift-logo

  Suche         Druck     Hilfe  

 

Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

178 Engabrunn, Pfk. Hl. Sebastian 1522 (?)

Weihedatum, hellgelber Sandstein, außen an der Langhausnordseite (Sakristei) neben einem vermauerten spätgotischen Portal in der Wand. Oben ein quadratischer Stein mit Wappenschild, unmittelbar darunter querrechteckiger Stein mit einzeiliger Inschrift.

H. 17 cm, B. 40 cm, Bu. 4,5 cm (Jz. 7 cm). – Gotische Minuskel.


Textedition
			

cons(ecratum) · 1522a) ·

Anmerkungen
a) Trennzeichen quadrangelförmig.

Wappen: unbekannt1).


Kommentar

Die heutige Pfarrkirche Hl. Sebastian in Engabrunn gehörte im 15. Jahrhundert als Filiale zur Pfarre Grafenwörth, die seit 1410 dem Chorherrenkloster Dürnstein inkorporiert war. Spätestens im Jahr 1497 nahm man in Engabrunn einen Neubau der Filialkirche (damals:) zur Hl. Maria in Angriff, worauf ein am Jahresende in Rom erlangter Ablaß für die Besucher bestimmter Kirchenfeste in Engabrunn hindeutet. Im Folgejahr erteilte Bischof Christoph von Passau dem Neubauplan seine Zustimmung, vom Dezember des Jahres 1500 stammen zwei weitere in Rom erwirkte Ablässe für die Besucher der 1498 noch als Marien- und Sebastianskapelle, 1500 einmal als Filialkirche Hl. Fabian und Sebastian und einmal als Kapelle zum Hl. Sebastian bezeichneten Kirche2). Der Neubau wurde sowohl nach Maßgabe der erhaltenen Bauzahlen (s. Kat.-Nr. 126, 146, 147, 151 und 206) als auch nach den Indizien urkundlicher Quellen fast zur Gänze im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts auf Gründen des Hans Hauser von Karlstein mit dessen Zustimmung durchgeführt: 1501 wurde das Portal zum Langhaus beschriftet, die Einwölbung des Chors mit einem der Gewölbekonfiguration der Spitzer Pfarrkirche eng verwandten, reich gestalteten Netzrippengewölbe erfolgte um 1511, die des Langhauses um 1513. Im Jahr 1520 verzichtete Hauser auf die ihm als Grundherren und ersten Stifter zustehenden, jedoch mit dem Kloster Dürnstein als Patronatsherr der übergeordneten Pfarre Grafenwörth umstrittenen Rechte der Grundherrschaft, der Vogtei und des Patronats über die neu errichtete Kirche zu Ehren der Hl. Gottesmutter Maria und des Hl. Sebastian zugunsten einer Inkorporation der Kirche in die Pfarre Grafenwörth, wogegen sich das Kloster zur Abhaltung eines Jahrtags für die verstorbenen Angehörigen der Familien Hauser von Karlstein und Truchseß in der Engabrunner Kirche am zweiten Tag nach Mariä Himmelfahrt (August 17) verpflichtete3). Die Weihe des Neubaus und dreier Altäre in der Kirche, auf die sich die vorliegende Inschrift bezieht, erfolgte am 8. Oktober 1522 durch Weihbischof Bernhard (Meurl von Leombach)4). Erst später, um 1533 (? s. Kat.-Nr. 206), scheint der Turm angebaut worden zu sein5).

Im Weihejahr 1522 wurde auch ein Vertrag zwischen dem Kloster Dürnstein und der Engabrunner Kirchengemeinde hinsichtlich der seelsorglichen Betreuung durch die Pfarre Grafenwörth geschlossen. Ein Grafenwörther Excurrendo-Provisor sollte jeden Sonntag und Feiertag in Engabrunn Messe lesen, zu Ostern, Pfingsten, Weihnachten und den drei Marienfeiertagen mußte die Engabrunner Gemeinde jedoch den Gottesdienst an der Pfarrkirche Grafenwörth besuchen6). Bis 1760 blieb Engabrunn Filiale von Grafenwörth, in den folgenden Jahren (bis 1785) wurde die Pfarre unmittelbar von einem Vikar aus Dürnstein betreut7).

Die für spätmittelalterliche Usancen eher ungewöhnliche Suspensionskürzung für cons(ecratum), das in den Unterlängenbereich ragende s, am unteren Schaftende mit einem rechtsschräg abgeschnittenen kräftigen Sporn versehen, und die zwar gebrochen wiedergegebene, aber mit dem großen Bogen, kurzem Schaft und leicht geschwungenem Deckbalken sehr modern wirkende Ziffer 5 sind auffällig. Dieser Befund zusammen mit der Tatsache, daß sich die inschriftliche Weihenachricht nicht am 1522 geweihten Kirchengebäude selbst, sondern an der Außenseite der sekundär, wenn auch wohl noch im 16. Jahrhundert an die Chornordwand angebauten Sakristei befindet, könnte allenfalls auf eine spätere, vielleicht sogar erst im 19. Jahrhundert erfolgte Anfertigung in historisierenden Formen hindeuten.

1) Eine ungestielte Haue.
2) S. StiA Herzogenburg, D. n. 356 (1497 Dezember 28, Rom), 366 (1498 November 21, Passau), vgl. auch Plesser, Kirchengeschichte (1939) 117 (fälschlich September 21), 373 (1500 Dezember 18, Rom) und 374 (1500 Dezember 29 Rom). Als Petenten in Vertretung der Kirchengemeinde traten die Zechmeister auf, für die Ablaßbriefe 1497 Martinus Lastel, 1500 derselbe, hier als Martinus Laystly (!) bezeichnet, bzw. Kilian Paltl und Matthias Newrssy (!), vgl. auch Plesser, Kirchengeschichte (1939) 120.
3) S. StiA Herzogenburg, D. n. 400 (1520 August 28), vgl. Plesser, Kirchengeschichte (1939) 119.
4) S. StiA Herzogenburg, D. n. 408a (1522 Oktober 8). Das Kirchweihfest wurde auf den Ostermontag festgesetzt.
5) Die Annahme in Topographie 2, 567, im älteren Turm stecke möglicherweise der Rest eines festen Hauses, ist sicher abzulehnen.
6) S. StiA Herzogenburg, Dürnsteiner Urk. 406 (1522 März 12). Unter den Vertretern der Dorfgemeinde Engabrunn scheint als Zechmeister der Sebastianskirche der bereits im Dezember 1500 in Sachen des zweiten Ablaßbriefes in Rom intervenierende Kilian Paltl auf.
7) S. Schmettan, Chorherrenstift 23.
Literatur

Dehio Nord 190.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 178,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj178.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Engabrunn, Pfk. Hl. Sebastian    •  Weihedatum  •  hellgelber Sandstein  •  Gotische Minuskel  •  Bernhard  •  Hauser, Hans  •  Lastel, Martin  •  Newrssy, Matthias  •  Paltl, Kilian  •  Dürnstein, Augustiner-Chorherrenkloster  •  Engabrunn, Pfk  •  Grafenwörth  •  Rom