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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
181 |
Spitz, Pfk. Hl. Mauritius |
1523 |
Figürliche Grabplatte des Fr. Viktor Lauser, roter Marmor, im vierten Joch des Mittelschiffs an der Südwand zwischen der Kanzel und dem Eingang in die Sakristei, 1737 beim Abbruch der alten Kanzelstiege aufgefunden. Die zwischen zwei Leisten angeordnete erhaben gearbeitete Um schrift (I) rahmt ein vertieftes Feld. Darin unter aus belaubtem Astwerk gebildetem Bogen Relief eines stehenden Mannes in monastischer Kukulle, die Kapuze auf dem Kopf, ein Buch in Händen haltend. Über dem Kopf, den Konturen der Figur folgend, ein Spruchband mit erhabener Inschrift (II), zu seinen Füßen links ein Wappenschild (mit einem Band an einem Aststumpf der vegetabilen Säule aufgehängt), rechts ein kleiner Hund. Links unter diesem weitere Is. (III).
H. 198 cm, B. 102 cm, Bu. 6,5 cm (I), 4 cm (II). – Gotische Minuskel mit Versalien.
Textedition
I.
Cur caro letaris · que vermibus / esca pararis
Vile cadauer eris · videas quid nunc op(er)eris
Vile / cadauer eris · igitur super hoc / mediteris
Anno d(omi)ni prouidente fratre Victore Mo · vc · xxiiia) ·
II.
Qui me · // redemisti redemptum // conseruab) ·
III.
fec(it)
Anmerkungen
Wappen: Lauser/Kloster Niederalteich2).
Kommentar
Viktor Lauser (Lausser) stammte vermutlich aus einer Landshuter Familie3), legte am 26. Juni 1503 in Niederalteich die Profeß ab und wurde 1514 als Pfarrer (Vikar) der dem Kloster seit 1238 inkorporierten Mauritiuskirche in Spitz eingesetzt. Bis 1534 blieb Lauser in Spitz und wurde im selben Jahr als Nachfolger des verstorbenen Kilian Weydenbegk (Weibergkh, 1502 Pfarrer in Spitz) zum 58. Abt von Niederalteich gewählt, während in Spitz Wolfgang Reutter als Pfarrer nachfolgte. In Niederalteich verstarb Lauser nach nur neun Monaten Sedenz zu Beginn des Jahres 1535 („apoplexia tactus“) und wurde im nördlichen Seitenschiffchor der Klosterkirche beigesetzt, sein Nachfolger wurde der aus Herzogenburg stammende vormalige Chorherr von St. Andrä a. d. Traisen und damalige Niederalteicher Cellerar Kaspar Leitgeb4). Lauser, den Kaspar Brusch als „vir literis, humanitate et prudentia clarus, latinè eximie doctus ac eloquentissimus“ charakterisierte5), war ein Mann mit humanistischer Neigung, der zwischen 1522 und 1526 zahlreiche theologische Werke evangelischer Richtung, darunter mehrere Schriften Erasmus von Rotterdams, Philipp Melanchthons und Johannes Bugenhagens, sowie mehrere historische und (griechische) grammatische Werke in Wien und Krems erworben hatte, wie die von ihm angelegten jährlichen Rechnungsbücher ausweisen6). Unter diesen Umständen ist es sehr wahrscheinlich, daß er seine Grabinschriften in Spitz und Niederalteich selbst verfaßte, worauf auch die Formulierung „providente fratre Victore“ auf dem vorliegenden Stein, als nicht nur auf die Bestellung des Grabmals zu Lebzeiten bezüglich, hindeuten könnte. In der von Brusch überlieferten Grabinschrift Lausers aus Niederalteich wird sogar auf die ältere Spitzer Inschrift Bezug genommen, was ebenfalls auf Lauser als Verfasser hindeutet. Das letzte der drei Distichen lautete: „Vivit in aethereo sanctus per saecula coelo / At caro terrenis vermibus esca patet“7).
Die Platte selbst wurde von Karl Friedrich Leonhardt als Werk einer angeblichen Burghausener Werkstatt des „Sigmund Rueder“ identifiziert, der seine mutmaßliche Signatur in Gestalt des kleinen Hundes (Rüde) mit dem daneben befindlichen fec(it) zu Füßen der Priesterfigur auf die Platte gesetzt habe8). Im Rechnungsbuch des Viktor Lauser für die Jahre 1524/25 findet sich unter anderen Ausgabeposten für Zimmerleute und Maurer („lignifabris et cementariis“) der wohl auf die Bezahlung der vorliegenden Platte bezogene lapidare Eintrag „Item umb ainen grabstain 15 lb. den.“9). Als typische Merkmale der „Rueder“-Werkstatt dürfen auf der Grabplatte das Motiv des traubenähnlichen Fruchtgehänges im Astwerkbogen, das Spruchband über dem Kopf der Figur, deren Haltung, der Faltenwurf der Kleidung und die Formen der Umschrift, besonders die Versalien A, M, V, die fast auf allen „Rueder“-Arbeiten in dieser Form aufscheinen, gelten. In der Figurendarstellung steht dem Spitzer Denkmal die auch angesichts einzelner Versalien vielleicht ebenfalls aus demselben Werkstattverband stammende figürliche Grabplatte des Propstes Georg Eysner (gest. 1513) in der Kloster- und Pfarrkirche Herzogenburg nahe10).
Die erhabene Umschrift wurde mit relativ gedrängtem, schlanken Gesamteindruck äußerst diszipliniert ausgeführt. Die Schaftbreite entspricht genau dem Abstand zwischen zwei Schäften, sodaß die Quadrangel benachbarter Schäfte einander berühren, und an der Basislinie aus deren Kontur eine kerbschnittartige Linie entsteht. An Einzelformen erscheinen a mit in etwas weniger als zwei Drittel der Buchstabenhöhe waagrecht abgeschnittenem senkrechten Teil des gebrochenen unteren Bogens, der obere Bogen mit stark einwärts geschwungenem Haarstrich geschlossen, c mit waagrecht gebrochenem oberen Bogenabschnitt, d mit relativ steil aufgerichtetem Linksschrägschaft, e mit am abgeknickten Balken ansetzendem leicht geschwungenen und in einen Punkt auslaufenden Haarzierstrich, g mit am Brechungspunkt des oberen Bogens angesetztem kurzen Balken und nach rechts ausholendem unteren Bogen, mit dem freien Bogenende den unteren Bogenabschnitt des oberen Bogens berührend, h mit an der Basislinie rechtsschräg abgeschnittenem und in einen nach rechts umgebogenen Haarzierstrich auslaufenden senkrechten Teil des gebrochenen Bogens, i mit kleinem Punkt, p mit schräglinks verlaufendem unteren geknickten Bogenabschnitt, den minimal in den Unterlängenbereich ragenden Schaft links überschneidend, r mit an dem zum Quadrangel reduzierten Bogen ansetzenden, zum Schaft hin durchgebogenen und eingerollten Haarzierstrich, rundes s mit einander schließenden gebrochenen Bögen, geknickter oberer und unterer Abschnitt von oberem bzw. unterem Bogen in ein eingerolltes Haarzierhäkchen auslaufend und t mit an der Oberlinie des Mittelbands rechtsschräg abgeschnittenem oder spitz auslaufendem Schaft.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Spitz, Pfk. Hl. Mauritius • Grabplatte • roter Marmor • Gotische Minuskel mit Versalien • Inschriften des Totengedenkens •
Aulus Gellius •
Brusch, Kaspar •
Bugenhagen, Johannes •
Cochlaeus, Johannes •
Cyprian •
Erasmus von Rotterdam •
Eysner, Georg •
Gartner, Jörg •
Josephus Flavius •
Kammerer, Dietrich •
Lauser, Viktor •
Leitgeb, Kaspar •
Leonhardt, Karl Friedrich •
Melanchthon, Philipp •
Rempold, Daniel •
Reutter, Wolfgang •
Rueder, Sigmund •
Weydenbegk, Kilian •
Arnsdorf •
Asparn a. d. Zaya •
Burghausen •
Spitz, Erlahof •
Herzogenburg •
Krems a. d. Donau •
Landshut •
Niederalteich, Benediktinerabtei •
Spitz •
St. Andrä a. d. Traisen, Augustiner-Chorherrenkloster •
Wien
Abbildungen
Abb. 103: Grabplatte des Viktor Lauser (1523) ©
ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)
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Welchen Grund hast du Fleisch zur Freude, da du ein Mahl der Würmer wirst ? Nichtiges Aas wirst du sein; Sieh nur, wozu du dich bemühst: nichtiges Aas wirst du sein; sinne also darüber nach. Im Jahre des Herren 1523 sorgte Frater Viktor vor (I).
Der du mich erlöst hast, laß mich erlöst bleiben1) (II).
Leoninische Hexameter (I).