Inschrift-logo

  Suche         Druck     Hilfe  

 

Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

184a Langenlois, ehem. Franziskanerklosterkirche Hl. Bernhardin von Siena 1. V. 16. Jh. (?)

Weiheinschrift1), Wandmalerei, an der Westseite des südlichen Triumphbogenpfeilers, im Mai 2007 bei Befundungsarbeiten unter Leitung des BDA freigelegt (Mag. Claudia Riff-Podgorschek). Vierzeilige Inschrift auf einer auf den ungefärbten Putzgrund aufgemalten, durch einfache gemalte Rahmenlinie gebildeten querrechteckigen Schrifttafel, mit einem gemalten Band an einem ebenfalls gemalten Nagel bzw. Haken illusionistisch befestigt. Rechter Rand der Tafel unter Schriftverlust beschädigt. Eine das Mittelband der Schrift begrenzende Zeilenlinierung v. a. in Z. 1 und 2 deutlich sichtbar.

Gotico-Antiqua.


Textedition
			

Ho͜c altare co(n)secra/tum e(st) in h͜onore sa[(n)c]/tor(um) · fra(n)cisci Cr[– – – An]/th͜onij d͜e padu[a ...]

Anmerkungen

Dieser Altar wurde geweiht zu Ehren des Hl. Franziskus, Cr(... und) Antonius von Padua.


Kommentar

Die Inschrift bezog sich offensichtlich auf einen ursprünglich unmittelbar unter oder neben ihr an der Westseite des Lettners situierten, heute verlorenen Altar. Die Identifizierung des Altars mit einem bestimmten der durch Weihenachrichten quellenmäßig belegten zahlreichen spätmittelalterlichen Altäre der Klosterkirche ist kaum möglich, da fast jeder von ihnen – wie der in Frage stehende – wenigstens einen der prominenten Ordensheiligen im Weihetitel hatte. Auch die im Langenloiser Heimatmuseum erhaltene Predella eines (anderen) Altars aus der Franziskanerkirche (Kat.-Nr. 109) läßt sich nicht sicher einem der nachgewiesenen Altäre zuordnen.

Die mit bemerkenswert hohem schriftgestalterischen Anspruch konzipierte und sorgfältig mit breitem Pinsel ausgeführte Schrift ist als Gotico-Antiqua anzusprechen. Die Ausführung des Schrifttyps als Wandmalerei ist innerhalb des Untersuchungsgebiets völlig singulär. Der Versal H (Hoc) mit nach unten geöffneter Ausbuchtung (Siculus) am Balken ist dem Formenbestand der Frühhumanistischen Kapitalis zuzuordnen. Die Schrift vermittelt insgesamt einen runden Eindruck, echte Brechungen bestehen nur am für die handschriftliche Rotunda charakteristischen unteren Bogen des a bzw. am Bogen des e. Innerhalb der Gemeinen besteht starke Tendenz zur Ausbildung von Bogenberührungen und -verbindungen, ein prominentes Gestaltungsmerkmal, dem auch die häufige Verwendung von Bogen-r entspricht. An der Basislinie endende Schäfte werden entweder stumpf abgeschnitten oder leicht rechtsschräg umgebogen, wodurch die Buchstaben an der Basislinie mitunter verbunden werden. Der untere Bogen des a reicht kaum bis zur Mittellinie, der weit nach links ziehende obere Bogen wird durch eine eingebogene Haarlinie geschlossen. Beim runden d ragt das freie Bogenende links kaum über den geschlossenen Bogen hinaus und dringt auch kaum in den Oberlängenbereich ein. Über i stehen konsequent diakritische Zeichen in Form einer feinen senkrechten geschwungenen Linie.

Der oben angeführte inschriftenpaläographische Datierungsansatz wird durch den historischen terminus ante quem 1531/32 (Schäden an der Kirche und den Klostergebäuden im Zuge eines Überfalls osmanischer Streifscharen und anschließender Auszug des Franziskanerkonvents, s. Einleitung S. XXXIV) ergänzt. Rein hypothetisch ließe sich die Weihe des inschriftlich genannten Altars mit dem 1510 im Langenloiser Kloster abgehaltenen Provinzkapitel des Franziskanerordens als herausragendstes Großereignis für den örtlichen Konvent im früheren 16. Jahrhundert in mittelbare Verbindung bringen.

Denkmöglich wäre allenfalls auch eine Datierung der Inschrift zum Jahr 1458, dem Jahr der Weihe der Klosterkirche und ihrer zur Erstausstattung gehörenden Altäre. Da sich der ursprüngliche, der Tradition zufolge auf unmittelbare Anregung Johannes Kapistrans angesiedelte Langenloiser Konvent wenigstens in seinen Spitzenfunktionen anfangs aus italienischen Mönchen aus dem Gefolge des Heiligen zusammsetzte, wäre eine spontane (und beispiellose) Umsetzung der italienischen handschriftlichen Rotunda des 15. Jahrhunderts, einer nicht scharf gebrochenen spätgotischen Buchschrift, die ihrerseits die Vorlage für die Gotico-Antiqua des Buchdrucks lieferte, für die Langenloiser Weiheinschrift unter Umständen vorstellbar.

In jedem Fall handelt es sich bei der neu aufgedeckten Inschrift um ein im regionalen Vergleich singuläres Beispiel für einen ansonsten fast ausschließlich durch Inschriften in hartem Material belegten Schrifttyp, ausgeführt mit bemerkenswert hohem Niveau.

1) Von der erst nach Abschluß des vorliegenden Bands im Manuskript erfolgten Freilegung informierte freundlicherweise Günther Buchinger, Wien.

Andreas Zajic

Zitierregel:
Kat. Nr. 184a,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj184a.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Langenlois, ehem. Franziskanerklosterkirche Hl. Bernhardin von Siena    •  Weiheinschrift  •  Wandmalerei  •  Gotico-Antiqua  •  Riff-Podgorschek, Claudia  •  Langenlois, Franziskanerkloster

Abbildungen

 zum Vergrößern anklicken
Abb. 88: Weiheinschrift (1. V. 16. Jh.)
©  Günther Buchinger, Wien