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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

196† Göttweig, „Alte Burg“ 1526

Allegorische Darstellung mit Bibelzitat und Jahreszahl, Wandmalerei, noch um 1777 im Gebäude der damaligen Klostertaverne („Alte Burg“?) im Süden der alten Klosteranlage an der Ostwand. In scheinarchitektonischer gelber Rundbogennische (der eierstabverzierte gelbe Bogen auf zwei ungegliederten blauen Pilastern mit korinthischen Kapitellen aufgelagert) fast den ganzen Raum einnehmende bauchige blaue Vase mit Wulstlippenrand und gewulstet an das Gefäß anschließendem braunen Fuß, aus dem oberen Rand schlagen rote Flammenzungen. Am Scheitel des Bogens trapezförmige weiße, fünfzeilig schwarz beschriftete Inschrifttafel, beiderseits zwei an den Bogen geheftete rote Bänder abflatternd.

Kapitalis (und Minuskelantiqua?).

Standortangabe, Beschreibung und Textwiedergabe nach StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 50r (aquarellierte Federzeichnung).


Textedition
			

OLLAM SVCCEN/SAM EGO VIDEO / ET FACIES EIVS, A / FACIE AQVILONIS / 15. HIERE(MIAS) 1mo 26.

Anmerkungen

Ich sehe einen flammenden Topf, er steht im Norden.

Ier 1,13.


Kommentar

Daß es sich bei der von Dückelmann hinsichtlich der Ausführungstechnik unkommentierten Darstellung um eine Wandmalerei, nicht um ein mobiles Gemälde, gehandelt haben muß, geht daraus hervor, daß Dückelmann die datierte Darstellung als terminus ante quem für die Errichtung des Gebäudes unter Abt Matthias (II.) von Znaim (s. Kat.-Nr. 204) ansah. Spätere Umbauten (u. a. Einbau neuer Fenster) seien unter Abt Georg Schedler um 1607 durchgeführt worden (s. Kat.-Nr. 378 und 379). Dückelmann gibt an, daß sich die Darstellung an der Ostwand des zu seiner Zeit (um 1777) als Taverne dienenden Gebäudes befunden habe. Die Bauzahl mit Monogramm Schedlers (Kat.-Nr. 378 oder 379) habe sich am selben Gebäude rechts des Eingangs befunden. Von diesem Gebäude habe man nach Osten in den ebenfalls von Abt Matthias angelegten Wehrgraben der Alten Burg sehen können. Fol. 3r des Göttweiger Rotelbuchs von etwa 1626 (in erneuerter Fassung von 1669 erhalten) und der Plan der Klosteranlage für die Zeit vor 1718 lokalisieren die damalige Taverne noch vor dem Bereich der Alten Burg im äußersten Süden der Anlage, was mit den übrigen Angaben in Übereinstimmung zu bringen ist. Falls diese vorgelagerten Gebäude jedoch bereits zwischen 1719 und 1721 abgetragen wurden, kann sich die von Dückelmann als noch existent überlieferte Wandmalerei nicht in dieser Taverne befunden haben. Denkbar wäre in diesem Fall eine Situierung der Malerei im früheren Baubestand der Alten Burg selbst in Anbetracht der im noch bestehenden Westteil erhaltenen Reste einer wohl gleichzeitigen malerischen Ausstattung (s. Kat.-Nr. 195). Möglicherweise befand sich also zur Zeit Dückelmanns die Taverne im erst 1783 abgetragenen Ostteil der Alten Burg1). Dazu würde die Tatsache stimmen, daß Abt Matthias (II.) die südliche Torbefestigung des Klosters, also den Bereich der Alten Burg, verstärken und die Alte Burg selbst im Zuge der Bauarbeiten mit einer malerischen Ausstattung (vgl. Kat.-Nr. 195) versehen ließ2). Da jedoch andererseits das südliche Vorwerk mit dem äußeren Klostertor offenbar erst im Sommer 1777, also dem Jahr, in dem Dückelmann den überwiegenden Teil der Inschriftenaufnahmen des Cod. rot 895 anfertigte, zur Erweiterung des neuen Südflügels unter Abt Magnus Klein abgebrochen wurde, könnten sich auch Bauzahl und Monogramm Schedlers zu Dückelmanns Zeiten noch am ursprünglichen Standort in bzw. an der Klostertaverne vor der Alten Burg gehandelt haben. Nach einer quellenmäßig nicht belegten Annahme3) befand sich dagegen die ursprüngliche, im 15. Jahrhundert eingerichtete Klostertaverne tatsächlich zwischen äußerem und innerem Klostertor, also wohl in der Alten Burg selbst, vermutlich in deren Osttrakt. 1502/03 sei dann unter Abt Matthias (I.) ein neues Tavernengebäude südöstlich vor der Alten Burg errichtet worden. Ist diese Vermutung richtig, handelte es sich bei der vorliegenden Wandmalerei um ein nicht mehr auf die frühere Tavernenfunktion bezogenes, sondern zur offenbar geschlossenen malerischen Gesamtausstattung der Alten Burg um 1526 gehöriges Malereidetail. Der oben erwähnte Wappenstein Schedlers dürfte demnach ebenfalls in der Alten Burg, genauer wahrscheinlich an der Ostseite von deren Osttrakt, über dem Eingang in dessen Erdgeschoß, angebracht gewesen sein. Nach Schleifung des 1502/03 errichteten Tavernengebäudes zwischen 1719 und 1721 oder spätestens 1777 scheint sich dann die Klostertaverne bis zur Demolierung des Ostteils der Alten Burg 1783 – zufällig oder wissentlich – wieder an ihrem ursprünglichen spätmittelalterlichen Standort befunden zu haben.

Ob die verlorene Wandmalerei bereits in einem Zusammenhang mit den jedenfalls zwischen 1530 und 1533 belegten Arbeiten des Niklas Preu an malerischen Raumausstattungen im Kloster stand, ist unklar4).

Daß die von Hartmann Dückelmann in Nachzeichnung als (Renaissance-)Kapitalis wiedergegebene Inschrift ähnlich wie jene in der „Alten Burg“ erhaltene (Kat.-Nr. 195) im Original vielleicht als Frühhumanistische Kapitalis anzusprechen war, kann nur vermutet werden.

1) Vgl. die Ansicht der Alten Burg von 1764 (der Wehrgraben weitgehend zugeschüttet) aus den Beständen der Topographischen Sammlung der Niederösterreichischen Landesbibliothek, Inv.-Nr. 1.824, abgebildet bei Grünwald, Ansichten 46, Abb. 3, und den Planriß Franz Anton Pilgrams von 1738, der in der Alten Burg zumindest eine Küche lokalisiert, s. Lechner, Stift 32 und 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 808 (Gregor M. Lechner; Abb.). Zum Göttweiger Rotelbuch von 1626/69 s. 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 26 (Benedikt Wagner) und (fehlerhaft) Vavra, Suche Kat.-Nr. 3.3.8, zuletzt „Unter deinen Schutz“ Kat.-Nr. I 1 (Michael Grünwald). Zum besseren Verständnis sei hier der volle Wortlaut der Beschreibung Dückelmanns wiedergegeben: „Olla haec depicta cum verbis inscriptis Jeremiae prophetae cap: 1mo se exhibet Gottwici in aedificio illo ubi pro tempore taverna est versus orientem, in illa parte quae respicit fossam antiquissimam quâ arx Gottwicensis, ut antiquitus in variis instrumentis occurrit, circumdabatur. Cum vero tota pictura aliquomodo jam destructa est et nulla inscriptio alias nisi verba prophetae appareat, nesciri etiam potest quem in finem olla ista designata ibi fuerit. Ex anno adscripto patet, quod sub Mathia 2do dicto de Znaym abbate Gottwicensi haec effigies facta fuerit, et forte tunc temporis istud est erectum aedificium, et quod Georgius Schedlerus cujus nomen et annus in lapide marmoreo est incisum penes ingressum ad tabernam in dextra parte tantum renovaverit, sicut etiam ex mutatis fenestris erui potest“.
2) S. Ritter, Abt 21f., Zedinek, Göttweig 75 und Hödl, Göttweig 160f.
3) S. Hödl, Göttweig 155 (Anm. 391) und 198. Die Lokalisierung zwischen äußerem und innerem Klostertor könnte sich theoretisch auch schon auf die spätere, angeblich 1502/03 errichtete Taverne beziehen, wenn man für das äußere Vorwerk ein bereits vor diesem Zeitpunkt liegendes Entstehungsdatum annimmt. Da diese Befestigungen jedoch vermutlich erst im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts errichtet wurden, kommt als ursprüngliches äußeres Tor nur das Südportal der Alten Burg in Frage.
4) S. die entsprechenden Auszüge aus den Rechnungsbüchern Abt Matthias’ (II.) und Abt Bartholomäus’ bei Ritter, Abt 21–24, Dworschak, Ausläufer 165. Vgl. zu Preu auch Perger, Künstler 151.
Literatur

StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 50r (aquarellierte Federzeichnung).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 196,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj196.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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