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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

199 Ottenstein, Schloß 1530

Ensemble von vier Wappensteinen mit Nennung des/der Bauherrn und Jahreszahlen, hellgrauer bis hellgelber Sandstein. Über dem Tor zur Vorburg an der Nordseite annähernd quadratischer, oben halbrund abschließender Stein 1, am Oberrand auf einer schmalen Schriftleiste einzeilige Inschrift (I), die sich im darunterliegenden vertieften Feld mit zwei Eheallianz(voll)wappen zwischen den Helmzierden in drei Zeilen fortsetzt. Am östlichen Rundturm des Vorwerks an der Nordseite im zweiten Obergeschoß gleichartig gestalteter Stein 2, die Inschrift (II) jedoch nur einzeilig auf der oberen Schriftleiste, im Feld nur ein Vollwappen unter zwei Helmen. Im Tordurchgang zur Hauptburg an der Südseite, vom Gewölbe teilweise überschnitten und bei späteren Putzanbringungen ausgespart, hochrechteckiger Stein 3, in seicht vertieftem Rundbogenfeld Vollwappen unter zwei Helmen, darüber zweizeilige Inschrift (III). An dem an der Ostseite aus der Gebäudefront über der romanischen Burgkapelle halbrund hervortretenden Turm des Osttrakts der Hauptburg im ersten Obergeschoß an der Südseite gleichartiger Wappenstein 4 mit Inschrift (IV).

H. 78 cm, B. 73 cm, Bu. 6 cm (Stein 1), H. 70 cm, B. 50 cm, Bu. 7 cm (Stein 3), H. 71 cm, B. 52 cm, Bu. 6 cm (Stein 4). – Gotische Minuskel mit Versal.


Textedition
			

I. Ewstack · [stodol]icka) · reygina · // neide/ckeri(n)b) / 1·5·3·0 II. Ewstack · stodolick · 1530 III. Ewstack · stodo= / 153//0 lickc) IV. Ewstack · stod[oli] / 15//30 ckd)

Anmerkungen
a) erg. nach den folgenden Inschriften.
b) nach reygina · Übergang der Is. auf das darunterliegende Wappenfeld.
c) sic! offenbar zunächst der abgeteilte Namensabschnitt am rechten Rand, danach die Jz. in ders. Z. links eingehauen, Jz. vom Scheitel des Rundbogens unterbrochen.
d) sic! offenbar zunächst der abgeteilte Namensabschnitt am rechten Rand, danach die Jz. in ders. Z. links eingehauen, Jz. vom Scheitel des Rundbogens unterbrochen, [oli] von Gewölbe überschnitten; Trennzeichen quadrangelförmig.

Wappen: Stodoligk1)/Neidegg2) bzw. Stodoligk1).


Kommentar

Eustach Stodoligk von Waldreichs und Ottenstein, ein Sohn des Paul Stodoligk von Waldreichs und Ottenstein und der vor 1502 mit jenem vermählten Anna Kienberger, war seinem verstorbenen Vater 1529 als Inhaber der seit 1460 im Familienbesitz befindlichen Herrschaft Waldreichs und der erst 1519 Juni 25 von seinem Vater von Christoph von Ludmannsdorf angekauften freieigenen Herrschaft Otten­stein nachgefolgt3). 1530 kaufte er aus den vom Kloster Imbach als Viertel des Besitzes veräußerten Gülten acht Holden in Zeiselberg und Gobelsburg4).

Mit Regina, Tochter Wilhelms (II.) von Neidegg zu Rastenberg (s. Kat.-Nr. 223), seit nicht näher bekanntem Zeitpunkt verheiratet, war er 1536 zusammen mit seinem Verwandten Hans Kirchberger zu Spitz (s. Kat.-Nr. 210) und Lorenz Kuefsteiner Mitglied einer Kommission im Streit zwischen Helfried von Meggau und Thomas Beheim von Friedesheim5). Im selben Jahr (April 23) verkaufte er Schloß und Herrschaft Ottenstein samt dem Kirchenpatronat über Rastenfeld an Melchior von Lamberg. Im Herbst 1536 lieh er Julius Graf von Hardegg 1000 fl. rh. auf ein Jahr6). Eustach starb kinderlos wohl als letzter seines Geschlechts vor 1539 April 187).

Die vorliegenden Wappensteine dokumentieren die von Eustach offenbar untermittelbar nach seinem Herrschaftsantritt durchgeführten tiefgreifenden Umbauten an der Burg, die – soferne sich die Steine in situ befinden – offenbar vor allem das Vorwerk mit dem rechteckigen Torturm und den zwei halbrunden Seitentürmen und den Osttrakt der Hauptburg mit dem Turm über der romanischen Burgkapelle betrafen8).

Die offensichtlich von derselben Werkstatt einheitlich gestalteten Steine weisen an inschriften­paläographischen Besonderheiten ein konsequent epsilonförmiges E als Versal sowie eine charakteris­tische Gestaltung der Buchstabenfolge ck auf, bei der der gebrochene rechte obere Bogenabschnitt des c in den Oberlängenbereich ragt und das nachfolgende k, bestehend aus Schaft und Bogen-r-artig ausgeformten Schrägschäften, eine am oberen Schrägschaft angesetzte haarfeine Schleife erhält.

1) Geviert: 1 und 4 gekreuzte Helmbarten bzw. Partisanen; 2 und 3: Kugel; zwei Helme: geschlossener Helm; geschlossener Flug; geschlossener Helm; über Helmkrone zwei außen mit je drei Kugeln besetzte Büffelhörner, s. Aue, Wappenschlüssel 187 (die Waffen in 1 und 4 fälschlich als gekreuzte Lilienstäbe angegeben).
2) S. Si NÖ 1, 314 (Neydeck, Neudegg, Stammwappen) und Taf. 166 (Wappen I).
3) Zum Ankauf von Ottenstein vgl. die Einleitung und J. K. K., Ottenstein 87. Zu Paul Stodoligk und Anna Kienberger bzw. beider Wappengrabplatten aus der ehem. Pfk. Hll. Peter und Paul in Döllersheim s. ausführlich Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 48 und 63. Die Belehnung Eustachs mit Waldreichs erfolgte 1530 Juni 20, Wien, s. HKA, NÖ Herrschaftsakten W 14, fol. 1. 1533 präsentiert Juni 9, bat der kinderlose Eustach um Verwandlung der Burg Waldreichs, die nur 9 lb. den. taxierte Herrengült einbringe, in freies Eigen. Zudem sei seine Burg Ottenstein ebenfalls freies Eigen, das er gemeinsam mit Waldreichs seinen allfälligen Kindern vererben möchte. Die Lehensbefreiung erfolgte gegen Erlag von 500 fl. rh. schließlich 1533 November 20, Wien, s. ebd. fol. 3 und 9 und vgl. Plesser, Kirchengeschichte (1932) 147. Aus den Paul und Eustach von Siguna Wenger (s. Kat.-Nr. 128) 1503 testamentarisch zugedachten Legaten entstand ein 1524 vor dem NÖ Landmarschall ausgetragener Rechtsstreit mit Wolfgang Kienberger, s. NÖLA, Privaturk. 3639f. (1524 April 16, Wien und April 30), vgl. NÖLA, Hs. 236/6, pag. 534, und vgl. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Reg. 151f.
4) S. Plesser, Kirchengeschichte (1911) 141 und Fux, Schleier 34.
5) S. Hausmann, Neudegger 209 und Kuefstein, Verzeichnis 10 (Nr. 76).
6) S. HKA, NÖ Herrschaftsakten O 15, fol. 1f. (1536 April 23, Wien) und NÖLA, Hardegger Urk. 768 (1536 Oktober 4, Retz), vgl. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Reg. 172f. Bei Weiglsperger, Döllersheim 349, Plesser, Kirchengeschichte (1911) 246 und Biedermann, Rastenfeld 9 ist tlw. fälschlich die Rede vom Kirchenpatronat über Döllersheim. Noch im September 1536 war Stodoligk jedoch selbst nicht mit den landesfürstlichen Lehen des Landgerichts über Döllersheim und die Mühle in Lichtenegg, die ebenfalls an Lamberg verkauft worden waren, belehnt worden, da er von Karl von Ludmannsdorf, dessen Vater Ottenstein zuvor gehört hatte, die entsprechenden Formalien nicht erreichen konnte. Ludmannsdorf seinerseits lag wegen der Burg Rastbach, die er Gregor Rauber (vgl. Kat.-Nr. 177) verkauft hatte, mit dessen Erben in Streit, sodaß ihn Stodoligk wegen der Säumigkeit in der Ottensteiner Sache verklagte und Kg. Ferdinand I. um Lehensurlaub für die genannten Lehensstücke auf Prozeßdauer bat. Nach einem einjährigen Lehensurlaub ab 1536 September 27 wurde noch ein weiterer Lehensurlaub 1538 Jänner 8 erwirkt, s. HKA, NÖ Herrschaftsakten W 14, fol. 2.
7) Vgl. NÖLA, Hs. 78/3, pag. 678 und HKA, NÖ Herrschaftsakten W 14, fol. 8 (Marx Beck von Leopoldsdorf an die NÖ Kammer mit Gutachten über den Heimfall der Stodoligkschen Besitzungen an den Landesfürsten mangels Erben). Die zumindest bis zur Profanierung der Pfk. Hll. Peter und Paul in Döllersheim 1942 vorhandene rotmarmorne Wappengrabplatte Eustachs und seiner Frau Regina – bis dahin vor dem Marienaltar im nördlichen Seitenschiff angeblich über einer Gruft liegend, s. DASP, Pfarrakten Döllersheim 1 (Zettelkonvolut inkl. Zeichnung der Platte), Weiglsperger, Döllersheim 349, DASP, Nachlässe 5, Heft F, fol. 46r, Riesenhuber, Kunstdenkmäler 45, Techow, Heimat 128 und J. K. K., Ottenstein 87 – ist heute unauffindbar. Auch unter den Anfang der 1980er Jahre angefertigten Kunststeinabgüssen des BDA, im Stein- und Glasmuseum Gmünd neben Originalsteinen aus Döllersheim museal aufbewahrt, befindet sich keine Reproduktion des Grabmals. Die schon 1942 abgetretene und beschädigte Inschrift lautete: ewstach Stodologk zw Ottenstain ist gestarben (...) Fraw Regina von Neidekh Ewstach Stodologk gemahel ist gestarben am eritag vor (...), s. Techow, Heimat 128.
8) S. Buberl, Kunstdenkmale 68.
Literatur

NÖLA, Hs. 461, pag. 36 (Wappensteine am „Einfahrtstor, an einem „Rundtürmchen“ und „im Schloß“). – Buberl, Kunstdenkmale 66, 68, 78–80 und 82. – Plesser, Ottenstein 608. – Eppel, Waldviertel 177 (fälschlich „Wappenstein [Lamberg]“). – Dehio Nord 849. – Steiner, Umgestaltung 452f. (Abb. 2). – www.burgen-austria.com/Archiv.asp?Artikel=Ottenstein (Werner Hammerl; Juli 2006).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 199,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj199.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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