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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

200 Rastenfeld, Pfk. Mariä Himmelfahrt 1531

Wappengrabplatte der Ursula Reuter von Wocking (verh. von Neidegg), roter Marmor, an der Nordwand der südlichen Seitenkapelle („Ritterkapelle“), ursprünglich im Boden des Chors vor dem Hochaltar, von dort 1929 an den heutigen Standort verbracht. Die Umschrift (I) rahmt ein vertieftes Feld mit Vollwappen unter einem Astwerkbogen mit zwei Granatäpfeln in den Zwickeln, unmittelbar unter diesem, der Biegung folgend Inschrift (II). Gesamte Platte relativ stark abgetreten, linke untere Ecke unter tlw. Schriftverlust oberflächlich ausgebrochen.

H. 190 cm, B. 108 cm, Bu. 9 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

I. Hie · lygt · pegraben · die · edl / fraw · Vrssulaa) · Rewterin · von · Bockhingb) wilha/lms · vo(n) · neydeck · ge[mahl / ist · g]estarenc) · freytag nacd) sand · Jorgn · [t]age) · 1·5·3·1 II. der · got · genat

Anmerkungen
a) sic!
b) sic! das obere Bogenende von c im Oberlängenbereich rechtwinkelig umgeknickt.
c) sic! die ersten beiden Schaftenden des m von gemahl noch an der Basislinie zu erkennen; geringe Reste des g von gestaren noch sichtbar; Ergänzung mit Rücksicht auf das Ausmaß der Beschädigung nach zeitgenössischem Formular.
d) sic! waagrecht umgebrochener Bogenabschnitt von c über der Oberlinie des Mittelbands.
e) [t]ag in halber Größe in der oberen Hälfte des Mittelbands; Trennzeichen quadrangelförmig.

Datum: 1531 April 28.

Wappen: Reuter1).


Kommentar

Ursula, eine Tochter des vor 1470 verstorbenen Gebhard (d. Ä.) Reuter von Wocking und der Amalia Enenkel, war nach dem Tod der Benigna Amalia von Rottal (s. Kat.-Nr. 171) die dritte Ehefrau Wilhelms (II.) von Neidegg zu Rastenberg (s. Kat.-Nr. 223), aus der Ehe sind keine Kinder bekannt2).

An der Gestaltung des Relieffelds fällt eine gewisse Diskrepanz auf zwischen der Fortführung spät­gotischer Tradition der Wappengrabplatten, und dem Bestreben, eine aktuelle Mode anklingen zu lassen, indem die beiden Granatäpfel als Versatzstücke einer Renaissance-Ornamentik in das konventionelle Astwerkbogen-Motiv integriert wurden.

Die Umschrift zeigt ein leichtes Schwanken des Duktus und teilweise Schwierigkeiten, die Form­prinzipien der Gotischen Minuskel konsequent umzusetzen: vielfach werden Bögen nicht mehr doppelt geknickt und gebrochen, sondern bloß als rechtwinkelige Brechung aufgelöst, z. B. die unteren Bögen von g im ersten Schriftband, desgleichen die Fahne von f bzw. das obere Schaftende von s. Eine Unsicherheit in der Beherrschung der Formen zeigt sich auch in der anachronistischen Verwendung des archaisch wirkenden vollständig im Mittelband verbleibenden g neben dem eher frakturgemäßen weit in den Oberlängenbereich ragenden t. Weiters erscheinen a mit relativ weit zur Oberlinie des Mittelbands reichendem senkrechten Teil des gebrochenen unteren Bogens, b mit kurzem senkrechten Teil des gebrochenen Bogens, der Bogen oben offen, d mit relativ flachem, kurzen Linksschrägschaft und k mit als Haarstrich ausgeführtem, zum Schaft hin gebrochenen oberen Schrägschaft.

1) Zwei gekreuzte Hauen; offener Helm; offener Flug mit den Hauen des Schilds.
2) S. NÖLA, Hs. 78/1, pag. 669, Biedermann, Rastenfeld 38 und Hausmann, Neudegger 207. Eine weitere Tochter Gebhards d. Ä., Regina Katharina Reuter von Wocking, war mit Hans Schaul von Großnondorf verheiratet gewesen, vgl. die Transkription der verlorenen Grabinschrift der 1530 verstorbenen Tochter aus dieser Ehe, Katharina, Frau des Wolf Pöttinger, aus der Pfk. St. Pölten in NÖLA, Hs. 78/1, pag. 711 und 78/3, pag. 313 und vgl. zu Wolf und Katharina Pöttinger auch DI 67, Kat.-Nr. 697 (Epitaph des Sebastian Pöttinger, gest. 1592, in der Sakristei des Passauer Domhofs). Die Reuter von Wocking starben noch vor 1574 aus, s. NÖLA, Hs. 78/3, pag. 676. Ebd., pag. 706, fälschlich Benigna statt Regina, sowie die Angabe eines weiteren Bruders Jörg (Georg), der 1535 als „vetter“ der Margarete Wolfsauer urkundet, s. NÖLA, Hs. 78/1. pag. 669. Die wohl unrichtige Angabe einer Benigna als Frau Hans Schauls auch in NÖLA, Hs. 78/1, pag. 466 und 509, hier jedoch vermutlich korrekt Gebhard (d. J.) statt Georg. Da nach NÖLA, Hs. 78/1, pag. 466 und 509, Hans Harasser 1481 als „schwager“ Gebhards d. J. bezeichnet wird, könnte noch eine weitere Schwester existiert haben. Weitere Angaben zu den Reutern (hier jedoch mit einer sicher anderen älteren Familie „von Reut“ kontaminiert) s. in NÖLA, Hs. 236/5, pag. 326–331.
Literatur

Tschischka, Kunst 105. – DASP, Nachlässe 5, Heft G, fol. 2r. – Biedermann, Rastenfeld 38. – Donin, Wildegg 129. – Plesser, Kirchengeschichte (1932) 625. – Plesser, Kirchengeschichte (1951) 53 („Ursula Reuter von Boskhing“). – Eppel, Waldviertel 191. – ÖAW, NLH, 3. 4. 1965. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) Kat.-Nr. 56 (Abb. 49; fälschlich „Bolkhing“). – Zotti, Kunst 2, 308. – Dehio Nord 948. – Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 64.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 200,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj200.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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