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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

210 Spitz, Pfk. Hl. Mauritius 1539

Wappengrabplatte des Hans und der Brigitta Kirchberger (geb. von Neidegg), roter Marmor, an der Ostseite des nördlichen Strebepfeilers im dritten Joch des Mittelschiffs. In der oberen Hälfte des Steins fünfzehnzeilige Inschrift, darunter in vertieftem Feld zwei reliefierte Vollwappen.

H. 138 cm, B. 71 cm, Bu. 3,8 cm. – Kapitalis.


Textedition
			

HIE · LIGT · BEGRABEN · DER EDL · / VEST · HANS · KIRICHPERGER · / DER · GESTORBEN · IST · AM · MITI=/CHEN · IN · PFINGSTFEIRTAGEN / ANNO · M · D · 39a) · VND SEIN · GEM/AHEL · BRIGITAa) · GEPORNE · VON · / NEIDECKH · VON · RASTENBE=/RG · SO · GESTORBENb) · AN · S(ANT) · POEL=/TEN · TAG · ANNOa) · MD · 38a) · GOT / WEL · INNEN · BA͜RMHERZIG · SE=/IN · ICH · PIN · DIE · VRSTENND · VN͜ D / DAS · LEBEN · WER · IN · MICH · GL=/AVBT · VND · WEN · ER · TOT · W=/ER · SO · WIRTa) · ERc) · LEBEN · EWIG=/CLICH · IOHANNIS · AM · XI · CAPITLd).

Anmerkungen
a) ganzes Wort in den Unterlängenbereich vergrößert.
b) T in O eingeschrieben.
c) E aus D verbessert.
d) fast alle Wortanfangsbuchstaben in den Unterlängenbereich vergrößert; Trennzeichen quadrangelförmig.

Joh 11,25.


Daten: 1539 Mai 28; 1538 August 13.

Wappen: Kirchberger1); Neidegg2).


Kommentar

Hans war der zweitjüngste Sohn der Siguna Purgstaller und des Bernhard Kirchberger, der 1508 die Herrschaft Viehofen und 1518 die Herrschaft und den Markt Spitz als freies Eigen vom Reichserbkämmerer Joachim Graf von Hohenzollern gekauft hatte. Zwischen 1535 und 1539 bemühte sich Hans um die landesfürstliche Genehmigung für eine Salzniederlage in Spitz3). 1536 war er zusammen mit seinem Verwandten Eustach Stodoligk und Lorenz von Kuefstein Mitglied einer ständischen Kommission im Rechtsstreit zwischen Helfried von Meggau und den Brüdern Bernhard und Thomas Beheim von Friedesheim4) sowie 1537 und noch 1539 Ritterstandsverordneter in Österreich unter der Enns. 1538 lieh er dem Heiliggeistkloster in Ybbs 50 lb. den5). Aus Hans’ Ehe mit Brigitta von Neidegg, Tochter Wilhelms (II.) von Neidegg zu Rastenberg und der Benigna Amalia von Rottal (s. Kat.-Nr. 171 und 224), stammten ein Sohn Wilhelm und eine Tochter Siguna6).

Der Wortlaut des deutschen Bibelzitats entspricht nicht dem der Lutherbibel7). Es handelt sich demnach um eine freie Übersetzung des Vulgata-Texts oder um die Adaption einer älteren deutschen Bibelübersetzung.

Aus derselben Werkstätte wie der vorliegende Stein stammt angesichts der übereinstimmenden Charakteristika von Inschrift und Wappengestaltung ganz offensichtlich die Wappengrabplatte des Sebastian Grabner (gest. 1534) und seiner beiden Frauen in Kleinhain8) und möglicherweise die ein Jahrzehnt jüngere Platte der Apollonia von Hofkirchen (gest. 1549) in Raabs a. d. Thaya, die jedoch weniger enge Parallelen in der Gestaltung des Wappens zeigt und eine deutliche abweichende Inschrift trägt9). Der Vergleich mehrerer Gestaltungselemente, vor allem die Ausformung der Vollwappen und der architektonischen Rahmungen sowie signifikante Dekorelemente rücken die einzelnen mutmaßlichen Produkte dieser Werkstattgruppe in unterschiedlich gut greifbare Nähe zu den Arbeiten jener vielleicht in der Eggenburger Gegend ansässigen Werkstatt, die neben Grabdenkmälern die Bauplastik an zahlreichen Schlössern der Zeit herstellte.

Erwähnenswert ist an der Ausführung der Inschrift der vorliegenden Platte, daß die Buchstaben mancher Wörter in den Zeilenzwischenraum nach unten reichend vergrößert sind, eine äußerst seltene Gestaltungsvariante. Die Inschrift selbst wurde mit überwiegend breiten, tendenziell einem Quadrat einschreibbaren Formen sowohl in Bezug auf Buchstabenabstände als auch Zeilenzwischenräume sehr dicht gesetzt, hat jedoch durch in sich stimmige Proportionen eine gewisse Spannung. Haar- und Schattenlinien werden kaum unterschieden, Schaft- und Bogenenden mit breiten Sporen versehen. An Einzelformen erscheinen A mit tief angesetztem Balken, der Berührungspunkt der beiden Schrägschäfte an der Oberlinie konsequent abgeflacht, B mit größerem unteren Bogen, E mit moderat verkürztem Mittelbalken, G mit sehr unterschiedlich langer senkrechter Cauda, stets vom oberen Bogenende rechts überragt, I mit kleinem eingebohrten Punkt, K entweder mit ausladenden symmetrischen Schrägschäften oder durchgebogenem unteren Schrägschaft, am oberen ansetzend, gerades M mit etwa zwei Drittel der Höhe des Schriftbands einnehmendem Mittelteil, teilweise vollrundes O und überwiegend schmales R mit geschwungener Cauda. Die offenbar ebenfalls aus dieser Werkstatt stammende Inschrifttafel von 1551 am Schloß Mautern (Kat.-Nr. 244) zeigt in ihrer Inschrift zwar den überwiegend gleichen Formenkanon, aber ganz andere Proportionen.

1) S. Si OÖ 154 und Taf. 46 (Wappen I) und NÖ 1, 231 und Taf. 114 (Wappen II).
2) S. Si NÖ 1, 314 und Taf. 166 (Wappen I).
3) S. NÖLA, Herrenstand Große Lade 1 (Stammbaum vor 1670), Herrenstand Kk 23, fol. 96, Adamek, Grabdenkmäler (1968) 127, Schöner, Abriß 22, und Ders., Geschichte 2, 11–17. Vgl. auch Si OÖ 155 und NÖ 1, 231, wonach Bernhard Kirchberger 1531 stirbt. NÖLA, Hs. 236/1, pag. 831 gibt für den Ankauf von Viehhofen als Jahr 1510, als Verkäuferin Margarete Kirchberger, Witwe nach Sigmund von Auersperg, an. Zumindest 1510 nannte sich Bernhard Kirchberger jedenfalls nach Viehofen, vgl. NÖLA, Privaturk. 3538 (1510 Februar 17), nach Spitz wurde er spätestens 1521 zubenannt, s. NÖLA, Privaturk. 3613 (1521 Februar 4). Hans Kirchberger war 1534 Angehöriger einer Kommission des NÖ Regiments, die den Verkauf des halben Schlosses Ochsenburg wegen Überschuldung durch Georg von Mam(m)ing zu Kirchberg an der Pielach an Hans von Lasberg zu Ochsenburg zugunsten von dessen unvogtbarem Verwandten Christoph von Lasberg zu Ochsenburg in die Wege leitete, s. DASP, Pergamenturkunde 1534 II 27, vgl. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Reg. 164. Im selben Jahr (1534 Mai 26) nahm er als Vertreter des Ritterstands am Landtag teil, auf dem die Kontribution der NÖ Stände zur Abwehr des württembergisch-hessischen Einfalls nach Vorderösterreich beraten wurde, s. NÖLA, Ritterstand Aa I (Landtagshandlungen 1534–1680) unfol.
4) Ein entsprechender „Commissions bevellich“ im Familienarchiv Kuefstein in Greillenstein, s. Kuefstein, Verzeichnis 10.
5) S. Schmidt, Kopialbuch 125 (1538 Februar 11), Kirchberger erscheint hier nach Viehofen zubenannt.
6) S. NÖLA Herrenstand Große Lade 1, Stammbaum, NÖLA, Hs. 78/3, pag. 824f. und 830, und vgl. Adamek, Grabdenkmäler (1968) 127.
7) S. Reingrabner, Anfänge 160.
8) S. Schmidt, Kopialbuch 171 (Abb.) und Dehio Süd 978.
9) S. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 74. Weitere Beispiele dieser u. a. an einem meist charakteristischen leicht linksschräg liegenden O erkennbaren Inschriftengruppe finden sich etwa (die Aufzählung ohne Anspruch auf Vollständigkeit) im Wiener Stephansdom (vgl. dazu in Zukunft den von Renate Kohn für die DI vorbereiteten Band), der Pfk. Pyhra mit der figürlichen Grabplatte Wilhelms (d. Ä.) von Greiß zu Wald (gest. 1533), der Pfk. Maria-Anzbach mit der Wappengrabplatte des Blasius Notlitsch zum Wasen (gest. 1547), in Ottensheim mit der Wappengrabplatte des Alexius Lauffner (gest. 1549, s. Dehio Mühlviertel 550 und vgl. in Zukunft den von Rainer Schraml für die DI vorbereiteten Band mit den Inschriften der PB Rohrbach und Urfahr-Umgebung), in der Wiener Michaelerkirche mit der Wappengrabplatte des Anton Goldstain (gest. 1552) und den Epitaphien des Karl Schwetkowitz (gest. 1552), des Mang Seicz (gest. 1554) und des Andreas Wagner (gest. 1555), s. Dehio Wien 120f., in der Pfk. Raabs a. d. Thaya mit dem Epitaph der Sibylla Fugger (gest. 1551, s. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 75), in der Stadtpfk. Baden mit dem Epitaph des Hieronymus Salius von Hirschberg (gest. 1555, s. Dehio Süd 155), und in der Wiener Salvatorkapelle (Altkatholische Kirche) mit der Wappengrabplatte des Sigmund Stainhauser (gest. 1559), s. Dehio Wien 144 (fälschlich „Sigmund Stain“). Die Wappengrabplatte des kaiserlichen Türhüters Sebastian Oberndorfer zu Geislperg (gest. 1541) an der Mödlinger Stadtpfarrkirche und das Epitaph des kaiserlichen Rats und Kärntner Landeshauptmanns Christoph Khevenhüller (gest. 1557) in der Khevenhüllerkapelle der Villacher Stadtpfarrkirche weisen in der gesamten Gestaltung deutlich auf die Formen dieser Werkstatt hin, sind jedoch in Gotischer Minuskel beschriftet, s. Dehio Süd 1461 und Hornung, Inschriften, Kat.-Nr. 49 und Abb. 42.
Literatur

Lind, Vereins-Excursion 125f. – DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 234 und Heft H, fol. 57r. – ÖKT 1, 391. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 323 („Vierzehn Grabsteine: 1415 bis 1775“). – Hausmann, Neudegger 209. – Plesser, Kirchengeschichte (1951) 307. – ÖAW, NLH, 23. 8. 1962. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) Kat.-Nr. 63 (Abb. 56). – Schöner, Abriß 22 und 37. – Schöner, Geschichte 2, 17 und 126. – Reingrabner, Anfänge 160. – Zotti, Kunst 2, 367. – Dehio Nord 1107. – Mras, Stein 147f. (Abb. 2). – Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 68 (Abb. 68). – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 289 (Anm. 293).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 210,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj210.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 109: Wappengrabplatte des
Hans und der Brigitta Kirchberger
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)