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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

243 Haitzendorf, Pfk. Hl. Ulrich 1551, 1562

Epitaph des Bernhard und der Katharina (geb. von Neidegg) Thurzó von Bethlenfalva, roter Marmor und heller, fast weißer Sandstein, an der Chornordwand. Hochrechteckige Marmorplatte mit elfzeiliger Inschrift in der oberen sowie zwei Vollwappen in seichten Rundbogennischen (die Zwickel seitlich mit vegetabilem Ornament, in der Mitte mit einem Cherubskopf ausgefüllt) in der unteren Hälfte, gerahmt von zwei in Resten rotmarmorfarbig bemalten Sandsteinpilastern mit Groteskstauden, über einfachem Gesims mit Hohlkehle rotmarmorfarbig bemalter Muschelsegmentbogen, im Scheitel bekrönt von kleinem weiß getünchten Cherubskopf (linker Flügel fehlt). Zeilenlinierung sichtbar.

H. 260 cm (gesamt) bzw. 205 cm (Marmorplatte), B. 149 cm (gesamt) bzw. 104 cm (Marmorplatte), Bu. 4,5 cm. – Kapitalis.


Textedition
			

ANNOa) DO(MI)NI IM · 1551 DEN VIERTE(N) TAG DE=/CEM͜BRIS IST IN GOT VERSCHAIDE(N) DER WOL=/GEBORN(E)b) HERR HERR BERNHARDTa) THVRC=/HSO · VON BETLAH͜EMSTORF · FREIIHER ZW / WOIIMIZ AVF GRAVENEG ROMISCH͜ER KHV=/NIGKLICHER MAII(ESTA)T RAT VND MVNDSHENCKHc) / VNDa) CATHERINAa) GEBORNNE VON NEI=/DEG AVF GRAVENEG SEIN EELICHER / GEMAHL SO DEN MONATSTAG , <15 / IVNY> ANNO IM <1·5·62d)·> / ZEITLICHES TODTS VERSCHIEDENe)

Anmerkungen
a) Anfangsbuchstabe vergrößert.
b) N retrograd, aus Steinmetzfehler GEBORV durch Hinzufügung eines Schafts und des Kürzungszeichens notdürftig verbessert.
c) letztes H verkleinert.
d) Z. zentriert.
e) folgt Leerraum bis zum rechten Plattenrand; folgende Z. leer.

Wappen: Thurzó1); Neidegg2).


Kommentar

Bernhard (I.) Thurzó von Bethlenfalva zu Grafenegg, Rat und Mundschenk bzw. Truchseß (1538) König Ferdinands I., war der älteste Sohn des Kremnitzer Kammergrafen Georg Thurzó von Bethlenfalva (gest. 1521) und der Anna Fugger. 1536 hatte er das Schloß Grafenegg von den Brüdern Lasla (Ladislaus) und Adam von Schwetkowitz um 26.000 fl. gekauft3). Bald darauf dürfte er Umbauten am Schloß vorgenommen haben, worauf das qualitätvolle Sandsteinportal mit den Vollwappen der beiden Eheleute des offenbar 1538 (s. Kat.-Nr. 209) fertiggestellten Treppenturms am Osttrakt des Schlosses hindeutet. Am 14. April 1550 wurde er mit der oberungarischen/slowakischen Herrschaft Weinitz (das in der Inschrift genannte WOIIMIZ) in den Freiherrenstand erhoben und im selben Jahr in den NÖ Herrenstand aufgenommen. Seine spätestens 1538 mit ihm vermählte Frau Katharina war eine Tochter Hans’ (X.) von Neidegg zu Ranna. Aus der Ehe stammten neben mehreren frühverstorbenen Kindern (vgl. Kat.-Nr. 215†) die Töchter Barbara (gest. 1571), verh. mit Hans Fünfkircher zu Poysbrunn und Falkenstein, Maria (gest. 1613), verh. mit Hortensius Tiriach, und Elisabeth, die 1567 in Wien den zweifachen Witwer Christoph (d. Ä.) Jörger heiratete sowie die Söhne Hans (gest. 1588) und Bernhard (II.). Dieser, seit 1590 verheiratet mit Helena, Tochter des steirischen Erbuntermarschalls Georg von Saurau und der Barbara von Wildenstein, übernahm mit dem gesamten außerhalb Ungarns gelegenen Besitz seines Vaters auch Grafenegg4). Die kurzlebige Grafenegger Linie des Geschlechts starb mit ihm jedoch schon 1594 oder 1596 wieder aus5). Eine aus Bernhards (II.) Ehe stammende Tochter Benigna heiratete als Witwe nach Hans von Lembach am 3. März 1596 in Wien in zweiter Ehe den Kämmerer Erzherzog Matthias’, Martin von Starhemberg zu Schönbühel. Benigna starb am 23. September 1599 in Grafenegg und wurde offenbar ebenfalls in der Pfarrkirche Großweikersdorf begraben6).

Gert Adamek vermutete als Ausführende des gegenständlichen Epitaphs Angehörige einer italienischen Steinmetzwerkstätte, die auch den Treppenturm von 1538 im Schloß Grafenegg gebaut hätten (vgl. Kat.-Nr. 209). Das qualitätvolle Portal dieses Treppenturms verweist jedoch einmal mehr auf die Tätigkeit einer vermutlich in der Gegend um Eggenburg zu lokalisierenden Steinmetzwerkstätte, die neben Bauplastik an mehreren niederösterreichischen Schlössern der Zeit auch zahlreiche Grabdenkmäler in Eggenburger bzw. Zogelsdorfer Sandstein herstellte und offenbar 1549 auch im Auftrag Bernhard Thurzós das Neideggsche Schloß Wildegg umgestaltete7). Mit dem künstlerischen wie inschriftlichen Formenrepertoire dieser Werkstatt weist das Epitaph schon angesichts der großen zeitlichen Differenz, die Adamek ignoriert hatte, keine größeren Gemeinsamkeiten auf. Allerdings erinnern die Formen der Wappen, die Groteskstauden der Pilaster und der Cherubskopf an die vergleichbaren Elemente des ehemaligen Himberger Schloßportals von 1555 (Kat.-Nr. 250), das enger an die Produkte der Eggenburger Werkstatt anschließt. Größere Parallelen in Gesamtkonzeption und Details ergeben sich zum ganz ähnlich aufgebauten Epitaph des Hans Artstetter (gest. 1551) in der Pfarrkirche Kefermarkt8).

Die aus überwiegend recht schmalen, eng gesetzten Einzelformen gebildete Inschrift wurde bei kräftiger Strichstärke relativ linear ausgeführt. Das schmale A mit teilweise spornartiger Abflachung an der Oberlinie weist häufig eine merkliche Rechtsneigung auf, B zeigt mitunter eine minimale Vergrößerung des unteren Bogens, C hat gleich weit nach rechts reichende Bogenenden, das obere in einen Sporn, das untere spitz auslaufend. E hat leicht verlängerten unteren und stark verkürzten mittleren Balken, G kurze senkrechte Cauda, das sehr schmale K hat zwei gerade Schrägschäfte, das breite M ist konisch mit bis zur Basislinie reichendem Mittelteil und spornartigen Abflachungen an der Oberlinie, das schmale O erscheint mitunter fast spitzoval, R hat eine geschwungene Cauda. I erhält nur bei einer Doppelung des Buchstabens ein Quadrangel als diakritisches Zeichen übergestellt.

1) Vgl. Si NÖ 2, 358 (Thurzó) und Taf. 165 (Wappen IV) und NÖLA, Hs. 236/2, pag. 303.
2) Si NÖ 1, 314 (Neydeck, Neudegg) und Taf. 166 (Vermehrtes Wappen), NÖLA, Hs. 236/5, pag. 19 und Hausmann, Neudegger 159.
3) S. Si NÖ 2, 358, Felgel, Grafenegg 628–630 und Pauderer, Entwicklung 8, zum Truchsessentitel vgl. HHStA, AUR 1538 IV 27, Grafenegg. Zu den vor allem in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Bergbauunternehmer in Ungarn einen raschen Aufstieg erfahrenden Thurzó s. etwa Heiß, Königin Maria passim.
4) S. NÖLA, Hs. 78/3, pag. 827, NÖLA, Hs. 236/2, pag. 304, Pauderer, Entwicklung 11 und Scheutz/Tersch, Trauer 177 (Anm. 210). Felgel, Grafenegg 629f., und danach Si NÖ 2, 358, bezeichnen Katharina fälschlich als Tochter Leopolds (III.) von Neidegg und der Anna Dorothea von Wildhaus. Die untersteirischen Wildhauser waren schon in der Mitte des 15. Jh. im Mannesstamm ausgestorben. Zu Bernhards (I.) älterem Sohn Johannes (Hans) Thurzó (gest. 1587 in Znaim) und dessen figürlichem Grabdenkmal an der Pfk. Großweikersdorf s. Lind, Atlas 122f. (Taf. LX, Fig. 4) und Dehio Nord 363. 1581 hatte er das Dorf Zemling von Wolf Christoph von Enzersdorf angekauft, s. NÖLA, HS. 236/2, pag. 305. Si NÖ 2, 358f., nennt als seine Frau die oben genannte Helena von Saurau, während Bernhard (II.) mit Benigna, Tochter Franz’ (d. Ä.) von Saurau und der Martha Margarete von Gutenstein, verheiratet gewesen sei. 1568 hatte Hans Fünfkircher als Gerhab der Erben Bernhard (I.) Thurzós den Feiertaghof in Haitzendorf vom Kremser Schlüsselamtmann Pankraz Reiger angekauft, s. Felgel, Grafenegg 630. Sein Epitaph, das auch seine Frau Barbara und die vier Kinder aus der gemeinsamen Ehe nennt, befindet sich in der Pfk. Poysbrunn, s. Dehio Nord 898.
5) S. NÖLA, Hs. 78/3, pag. 663, Felgel, Grafenegg 630, Si NÖ 2, 359 und Scheutz/Tersch, Trauer 177 (Anm. 210).
6) S. NÖLA, Hs. 236/2, pag. 305, Schwerdling, Geschichte 206f. und Si NÖ 2, 359. Von Martin von Starhemberg und Benigna Thurzó existieren zwei Porträts von 1595 bzw. 1596 in Schloß Eferding, vgl. demnächst den von Roland Forster für die DI vorbereiteten Band mit den Inschriften des PB Eferding.
7) S. Adamek, Grabdenkmäler (1968) 51 und Kat.-Nr. 72 (Abb. 64) und Ders., Grabdenkmäler (1969) 53. Die Vollwappen Thurzó und Neidegg trägt der mit 1549 datierte, spoliierte (wohl von einem Portalaufsatz stammende) Wappenstein aus Sandstein in den Formen der oben genannten Werkstatt im Hof des Neideggschen Schlosses Wildegg, s. Dehio Süd 2243.
8) S. Dehio 335.
Literatur

Felgel, Grafenegg 630. – Topographie 4, 65. – ÖKT 1, 163. – ÖAW, NLH, 3. 4. 1966. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 51 und Kat.-Nr. 72 (Abb. 64). – Adamek, Grabdenkmäler (1969) 53. – Pauderer, Entwicklung 10. – Dehio Nord 386.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 243,
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Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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