Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
257 |
Oberranna, Burgkirche Hl. Georg |
1560 |
Fragment der Wappengrabplatte des Sebastian Widmanstetter, hellroter Marmor, außen an der Südwand der fünfte Stein von Westen, unmittelbar über Kat.-Nr. 355. Ursprünglich und noch 1889 in der Pfarrkirche Niederranna im Boden des Mittelschiffs, 1907 nach Beschädigung offenbar an unbekanntem Standort in Verwahrung, um 1933 bereits in der Burg(-kirche?) Oberranna, 1962 in der Burgkirche ohne festen Aufstellungsort abgestellt. Hochrechteckiges, unten flach rechtsschräg abgebrochenes Bruchstück vom Oberteil des Steins mit achtzeiliger Inschrift (die letzte Zeile in der Mitte der Platte endend) und etwa vier folgenden Leerzeilen über Vollwappen in oben zweipaßförmig abgeschlossenem vertieften Feld, in den Zwickeln vegetabiles Dekor. Vom Wappen nur das Oberwappen (Helmdecke nur [heraldisch] rechts des Helms) erhalten.
H. 110 (ursprünglich 147) cm1), B. 81,5 cm, Bu. 3 cm. – Kapitalis.
Textedition
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Anmerkungen
Kommentar
Die Widmanstetter stammten ursprünglich aus der Grafschaft Helfenstein in Schwaben, eine historische Erinnerung, die sich in ihrem Wappenbild widerspiegelt.
Sebastian Widmanstetter, wohl ein Bruder des Diplomaten und Verwaltungsbeamten im Dienst unterschiedlicher europäischer Regenten bzw. der Päpste Clemens VII. und Paul III., Theologen, Orientalisten und Wissenschaftsreformers Dr. Johann Albrecht Widmanstetter (1506–1557)3), war während der Administration des Klosters Göttweig durch den von Kaiser Ferdinand I. als Superintendenten eingesetzten Herzogenburger Propst Bartholomäus de Cataneis (1556–1563) Klosterhauptmann, was auch die ungewöhnliche Formulierung der Inschrift erklärt, die ihn als kaiserlichen Hauptmann von Göttweig bezeichnet4).
Ein Fragment des Wappenschilds mit dem Elephanten wurde angeblich vor 1962 an den Besitzer des Schlosses Schwallenbach (Schwallenbach Nr. 27) verkauft. Der dort im Obergeschoß der ostseitigen Hofarkaden an der Wand befindliche, den Konturen des Vollwappens entlang beschnittene rotmarmorne Stein läßt sich jedoch nicht als Fragment des oben beschriebenen Denkmals identifizieren.
Die in harmonischem Wechsel von breiteren und schmäleren Formen und moderater Unterscheidung von Haar- und Schattenstrichen ausgeführte Inschrift zeigt an freien Schaft-, Balken- und Bogenenden kleine dreieckige Sporen. Erwähnenswert sind an Einzelformen B mit etwa gleichgroßen, den Schaft in der Mittellinie nicht berührenden Bögen, G mit senkrechter, vom oberen Bogenende minimal rechts überragter Cauda, P mit offenem Bogen und R mit nur minimal geschwungener Cauda. I weist keinen i-Punkt auf, nur über den beiden aufeinanderfolgenden I und J (mit Funktion eines Y) steht je ein quadrangelförmiges diakritisches Zeichen.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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