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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
283 |
Maria Laach a. Jauerling, Pfk. Mariä Heimsuchung |
1574 |
Wappengrabplatte des Achaz Enenkel von Albrechtsberg, roter Marmor, im vierten Joch des nördlichen Seitenschiffs an der Nordwand unmittelbar neben dem Seitenaltar, ursprünglich und noch 1962 ebd. im Boden, die rechte Kante unter der Altarstufe. In der oberen Hälfte zwölfzeilige Inschrift (I), darunter in vollrunden Feldern drei Vollwappen (1:2), am unteren Rand zweizeilige Inschrift (II).
H. 177 cm, B. 89 cm, Bu. 4 cm. – Kapitalis.
Textedition
I.
DEO . ET . MEMOR(IAE) SAC(RVM)a) / ACACIVS . ENENKEL . DE .
ALBRECHTESBERG . / IN . PIELACHb). ET . ZEILLEREN . ET .
C(ETERA) / CHRISTOPHORI . FI(LIVS) CASPARI . NEP(OS) . GEORGI
. / PRON(EPOS) . CHR(IST)I . CONFESSOR . ARDENTISS(IMVS) /
CONSTANTISS(IMVS) EXVVIAS . SVAS . MORTALES / HEIC . DEPONI
. VOLVIT . HEIC . SITA͜E . / SVNT . IPSE . IN . BEATORVM . SEDIBVS
/ DIE ILLA . SOLEMNI . EAS . RECEPTVR/VS . VIVITc) . / VIX(IT)
AN(NOS) LX : MENS(ES) IX . D(IES) XXIIX . / OB(IIT) AN(NO)
CHR(ISTIA)NO . MDLXXIVd) . X . K(A)L(ENDAS) APRIL(IS)
II.
IVSTORVM . ANIMA͜ E . IN MANV . DEI . SVN͜T . ET / NON .
TANGET . ILLAS . TORMENTVM . MORT(IS)
Anmerkungen
Datum: 1574 März 22.
Wappen: Enenkel von Albrechtsberg1); Vogt von Wierant2); Trauttmansdorff3).
Kommentar
Achaz, geb. am 1. oder 16. März 1520 als ältester Sohn des Christoph Enenkel von Albrechtsberg und der N. von Trauttmansdorff, hatte 1537 mit der adeligen Reiterei die in einer Niederlage endende Schlacht von Esseg gegen die osmanischen Truppen mitgemacht und zusammen mit seinem Vetter Eustach Enenkel zu Groß dem am 24. August 1543 in Krems gesammelten ständischen Adelsaufgebot angehört, das in Preßburg kämpfte4). 1553 trat er nach Eustach Enenkels Tod (gest. 1548) dessen Erbe unter Übernahme der bestehenden Schulden an5). 1555 einigte er sich mit seinen Brüdern Leonhard, Hans und Sebastian auf eine Teilung der bis dahin offenbar gemeinschaftlich besessenen Schlösser und Herrschaften Pielach und Albrechtsberg an der Pielach6). 1556 wurde er Beisitzer der NÖ Landrechte und berief zusammen mit seinem Bruder Leopold und dem Inhaber der Rosenburg, seinem vormaligen Mündel Leopold Grabner, den protestantischen Theologen Mag. Christoph Reuter, später eine der wirkmächtigsten Gestalten der evangelischen Kirche des 16. Jahrhunderts im Viertel ober Manhartsberg, Prediger auf zahlreichen Adelssitzen und Mitverfasser der Christlichen Kirchen-Agenda von 1571, als Schloß- und Herrschaftsprediger für sein Schloß Nußdorf ob d. Traisen und die Grabnersche Rosenburg nach Niederösterreich7). Seit 1558 fungierte er als Raitherr der NÖ Stände, im Folgejahr kaufte er Schloß und Herrschaft Sitzenthal um 1350 fl. von N. von Mainburg sowie 1571 die restliche Hälfte am Schloß Zeillern, an dem er schon seit September 1569 durch Erbschaft nach N. von Lappitz bzw. durch Kauf einen halben Anteil besessen hatte8). Noch im Februar 1574 führte er mit seinem Neffen und früheren Mündel Wolf Christoph von Mam(m)ing zu Nußdorf einen komplexen Gütertausch zugunsten Leopold Grabners durch9).
Aus Achaz’ erster Ehe mit Esther, einer Tochter des Gabriel Vogt von Wierant zu Schönau (gest. 1552, begraben in der Pfarrkirche Nußdorf ob d. Traisen) stammten u. a. die Söhne Albrecht (geb. 1547) und Cornelius, die 1559 die Schule in Ybbs bezogen. Cornelius starb bereits am 8. Juni 1562 „an der infection“ in Sitzenthal und wurde am 3. August des Jahres in Maria Laach im nördlichen Seitenschiff neben dem alten Uttendorfer Seitenaltar, wo später auch sein Vater beigesetzt wurde, bestattet. Albrecht zog am 1. April 1562 zum Studium nach Tübingen und heiratete am 12. September 1571 in Spitz NN. Achaz’ Tochter Elisabeth verlobte sich offenbar am 8. Juni 1562, dem Sterbetag ihres Bruders Cornelius, mit Eustach von Althan zu Sitzenthal, die Hochzeit fand am 22. November in Pielach statt.
In zweiter Ehe war Achaz mit Sophia, Tochter des David von Trauttmansdorff und der Amalia von Lappitz (geb. 1533) verheiratet und Vater der Söhne Josias und David, die 1594 in den Freiherrenstand erhoben wurden10).
Achaz Enenkel hatte zu Lebzeiten wie zahlreiche seiner adeligen Standesgenossen Schreibkalender mit Familienaufzeichnungen geführt. Achaz’ Enkel, der bekannte genealogische Sammler und Kompilator Job Hartmann Enenkel überlieferte Auszüge aus diesen in seinen handschriftlichen Kollektaneen11). In der Pfarrkirche Hl. Johannes d. Täufer in Nußdorf ob d. Traisen befand sich ursprünglich ein seit 1821 in den Sammlungen von Herzogenburg (Verz.-Nr. A 56) aufbewahrtes epitaphartiges Tafelbild des Achaz Enenkel von etwa 1550, das den Stifter und seine erste Frau mit fünf Söhnen und einer Tochter vor weit geöffneter Landschaft im Gebet unter dem Gekreuzigten zeigt12).
Der Text der Grabinschrift zeigt eine zeittypische Adaption antiker lateinischer Vorbilder in christlicher Umdeutung. Aus dem heidnischen „Dis manibus sacrum“ wird DEO ET MEMOR(IAE) SAC(RVM), während die Beibehaltung der Angabe der Filiation (bis zum Urgroßvater!) dem adeligen Bedürfnis nach genealogischer Verortung ideal entgegenkommt. Die antike Grabbezeugung des „Hic situs/-a est“ wird hier entsprechend der christlichen Auffassung der Leib-/Seele-Dichotomie explizit nur auf den Leichnam bezogen. Die Essenz des Verstorbenen, die unverwesliche Seele, wartet im Himmel auf die Wiedervereinigung mit dem Leib am Jüngsten Tag.
Daß der sogar in der Grabinschrift als überzeugter Protestant13) – sein Vater Christoph hatte offenbar schon 1530 einen evangelischen Prediger angestellt, sein Vetter Eustach ermahnte seinen Herrn Julius (I.) Graf von Hardegg zwischen 1537 und 1540 brieflich vom sächsischen Hof aus, am evangelischen Bekenntnis festzuhalten14) – ausgewiesene Achaz Enenkel keine Bedenken hatte, für das abschließende Zitat, Sap 3,1, die „papistische“ Vulgata-Übersetzung der Heiligen Schrift zu verwenden, um konsequent im lateinischen Sprachbereich als Ausweis späthumanistischen Bildungsguts bleiben zu können, zeigt einmal mehr die Untauglichkeit entsprechender Argumentationen in Hinblick auf Konfessionszuordnungen.
Die Schreibweise des Zahlworts für 28 in Z. 11 (I) als XXIIX anstelle des üblichen XXVIII dient – ebenso wie die betont feierliche und archaisierende Schreibweise HEIC für HIC – dem Ausweis besonderer lateinischer Gelehrsamkeit und soll ganz offensichtlich die Beherrschung des korrekten Cardinale duodetriginta statt eines fehlerhaften viginti octo demonstrieren.
Die fast völlig linear ausgeführte Inschrift zeigt in abschnittweise unterschiedlich enger Spationierung mäßig breite Einzelformen, an freien Schaft-, Balken- und Bogenenden feine Serifen oder kleine dreieckige Sporen. B hat minimal vergrößerten unteren Bogen, C eine halb spitzovale Bogenlinie, D erscheint an den ausgezeichneten Stellen in Z. 1 von Inschrift I bzw. II oben offen (d. h. in ursprünglich unzialer Grundform), wobei das spitz auslaufende obere Bogenende geschwungen über den verkürzten Schaft nach links zieht. E hat einen stark verkürzten Mittelbalken, G mit ebenfalls halb spitzovaler Bogenlinie senkrechte Cauda, M hat gerade Form mit etwa bis zur Mittellinie reichendem Mittelteil und kleinen dreieckigen Sporen an der Oberlinie, R geschwungene und deutlich ausgestellte Cauda. Mit Ausnahme des konsequent eingesetzten üblichen A/E-Nexus verzichtet die Inschrift auf Buchstabenverbindungen, doch erforderte der geringe Freiraum am Ende von Z. 1 in Inschrift II den Nexus N/T in SVN͜T.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Maria Laach a. Jauerling, Pfk. Mariä Heimsuchung • Wappengrabplatte • roter Marmor • Kapitalis • Inschriften des Totengedenkens •
Althan, Eustach •
Enenkel, Achaz, Albrecht, Christoph, Cornelius, David, Elisabeth, Eustach, Hans, Job Hartmann, Josias, Leonhard, Leopold, Sebastian •
Grabner, Leopold •
Lappitz, Amalia •
Maming, Christoph •
Maming, Wolf Christoph •
Puchheim, Erasmus •
Reuter, Christoph •
Trauttmansdorff, David, Sophia •
Uttendorfer •
Vogt, Esther •
Vogt, Gabriel •
Vogt, Isaak •
Albrechtsberg a. d. Pielach •
Esseg •
Groß •
Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenkloster •
Krems a. d. Donau •
Maria Laach a. Jauerling •
Nußdorf ob d. Traisen •
Pielach •
Preßburg •
Rosenburg •
Sitzenthal •
Spitz •
Stein a. d. Donau •
Tübingen •
Ybbs a. d. Donau •
Zeillern
Abbildungen
Abb. 129: Grabplatte des Achaz Enenkel (1574) ©
ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)
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Gott und dem Angedenken geweiht. Achaz Enenkel von Albrechtsberg zu Pielach und Zeilern etc., Sohn des Christoph, Enkel des Kaspar, Urenkel des Georg, ein glühender und beharrlicher Bekenner Christi, wollte seine sterblichen Überreste hier beisetzen lassen, hier ruhen sie. Er selbst lebt in der Wohnstatt der Seligen, bis er sie (d. h. die sterblichen Überreste) an jenem feierlichen Tag wiedererlangen wird. Er lebte 60 Jahre, neun Monate und 28 Tage (und) starb im Jahr Christi 1574 am zehnten Tag vor den Kalenden des April (I). Die Seelen der Gerechten sind in der Hand Gottes und keine Todesqual berührt sie (II).
Nach Sap 3,1 („iustorum autem animae...“).