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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

289 Senftenberg, Unterer Markt 33 (Haus Nr. 86) 1575, 1629

Wandmalereien mit erklärenden Beischriften und Spruchinschriften, Sekkomalerei und Sgraffito auf hellem Putzgrund, an der Straßenfassade des mit starkem Achsenknick an einer Straßenbiegung liegenden zweigeschossigen, aus zwei ursprünglich unabhängigen Baukörpern zusammengesetzten Gebäudes. Linker Gebäudeteil: links des mittigen Einfahrtstors auf drei Konsolen erkerartig vorkragendes Obergeschoß mit zwei Fenstern in verstäbten Gewänden. Links des ersten Fensters und zwischen den beiden Fenstern je eine männliche Figur in zeitgenössischer Kleidung mit kurzen Pumphosen, in Blasinstrumente (zwei Zinken) blasend. Unter den Fenstern über dem mittleren Konsolstein Halbfigur eines Mannes in Wams, mit Pumphosen und Barett, die Hände zu einem im Mund befindlichen Knebel erhoben. Beiderseits der Figur sechs (links) bzw. vier (rechts) Zeilen einer erklärenden Beischrift (I). Über dem rundbogigen Einfahrtstor (mit rahmender Scheinarchitektur) zwei durch drei gemalte, unten kannelierte, pflanzenumrankte Säulen gebildete Bildfelder. Im linken Teil oben rechteckiges Feld mit Rollwerkrahmung, Darstellung Moses mit der Ehernen Schlange, rechts oben Beischrift (II). Bild gestört durch längsoblonges Stuckmedaillon des 18. Jahrhunderts mit aufgemaltem Vollwappen (Starhemberg), linke obere Kante des gesamten Felds gestört durch vierpaßförmiges Stuckmedaillon mit der eingeschnittenen Jahreszahl 1707. Unter dem Bildfeld, etwa über dem Scheitel des Torbogens, aufgemaltes Täfelchen mit Jahreszahl (III). Ganz links unten (im Zwickel des Torbogens) nach außen weisende Figur eines nackten Mannes, auf den linken Arm gestützt hingelagert, in der Rechten eine Pflanzenranke (Adam). Im rechten Feld unterhalb des Fensters an korrespondierender Stelle nackte Frau in entsprechender Haltung (Eva). Rechts des Tors oben querrechteckiges Bildfeld in Rollwerkrahmung mit Darstellung der Marcus-Curtius-Episode in Form eines nach rechts auf einen rauchenden Schlund hin sprengenden Reiters in zeitgenössischem Kostüm, von den links stehenden Personen, einer weinenden Frau, drei Bürgern in zeitgenössischer Kleidung und einer weiteren Bürgersfrau Abschied nehmend; rechts oben Beischrift (IV). Unter dem Bildfeld in breiter Rahmenleiste mit floralem Dekor rechteckiges Feld mit 1969 aufgemalter Gedenkinschrift („Hauschronik“). Rechter Gebäudeteil: stark erneuerter (ehemals Sgraffito-)Dekor mit Mäanderbändern und grauer Diamantbuckelquaderung, zwischen den beiden äußerst rechten Fenstern unmittelbar unterhalb des Gesimsbands am Traufgesims des Obergeschoßes in aufgemalter Tafel (tabula ansata) Jahreszahl (V). Sämtliche Inschriften und zeichnerischen Elemente der Malereien (Grisaille) blauschwarz. Malerei 1907 noch vollständig unter jüngeren Farbschichten, spätestens 1926 freigelegt, zu nicht näher bekanntem Zeitpunkt offenbar teilweise wieder übermalt, 1969 erneut vollständig freigelegt und restauriert1), dabei gegenüber der Aufnahme Hornungs von 1962, die unter den abblätternden Anstrichen Teile der bemalten Fassade des linken Gebäudeteils zeigt, teilweise Veränderungen durchgeführt, z. B. anstelle der ursprünglich sichtbaren vegetabilen Fensterumrahmungen im linken Fassadenteil 1969 gelb/graue Würfelbänderung aufgemalt, eine den Geschoßwechsel akzentuierende und das Traufgesims begleitende graue Diamantbuckelquaderung vom rechten Gebäudeteil auch auf den linken Teil übertragen. Eine neuerliche Restaurierung unter Leitung des BDA zwischen 1995 und 1997 durchgeführt. Die Schriftformen geben wohl nur mehr bedingt den originalen Charakter wieder.

Bu. ca. 3,5 cm (I). – Kapitalis.


Textedition
			

I. AVF · ERDEN · IST · KAIN · MANN · / WER · SEINER · ZVNGEN · HERR · SEIN · KANN · / · REDEN · IST WOL · AIN · KCHVNST · / · ZVFIL · REDEN · MACHT · VNGVNST · / VIL · WISEN · VND · WENIG · SAGEN · / · NICHT · ANTBVERT · AVF · ALL · FRAGEN · // · RET · WENIG · VND · RED · WAR · / · WAS · DV · PORGST · PEZAHL · BAR · / LAS · AIN · IEDEN · SEIN · WER · ER · / IST · SO · PLEIBST · AVCH · WOL · WER · DV · BIST · II. NUMERIa) 21 · C(APITVLO) III. · 15·75 · IV. · CVRZIS · V. ·1·6·2·9·

Anmerkungen
a) offenbar Restaurierungsfehler; im Original sicher NVMERI.

Deutsche Reimverse (I).


Kommentar

Das angeblich erst 1575 vom vormaligen Senftenberger Pfleger Paul Wisan(d)t (s. Kat.-Nr. 274) erbaute Gebäude weist mit der Anlage des breiten Flacherkers im heute den linken Gebäudeteil ausmachenden Abschnitt und dessen verstäbten Fenstergewänden auf eine Entstehung wenigstens im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts hin. Nach Ausweis der Jahreszahl wurde das Gebäude um 1575 von Wisan(d)t wohl lediglich umgebaut oder überhaupt nur mit der vorliegenden malerischen Fassadenausstattung versehen2). Von Paul und dessen dritter (?) Ehefrau Sibylla Wisan(d)t gelangte das Gebäude 1591 an Wisan(d)ts Enkeltochter (aus dritter Ehe?) Rosina und deren Mann, den Ratsbürger Paul Schrimpf, von denen es Pauls Sohn (aus erster Ehe?) Wolf und dessen Frau Apollonia jedoch 1601 im Tausch erwarben. 1604 verkauften sie das Gebäude an den Senftenberger Bäckermeister Hans Zeirl (auch: Zeiller), von dem es 1623 zusammen mit den rechts anschließenden abgebrochenen fünf Kleinhäusern an den damaligen Inhaber von Senftenberg, Georg Kaspar von Neuhaus, veräußert wurde. Der heute mit dem älteren linken Gebäudeteil unter einer Firstlinie vereinigte und durch die erst 1969 durchgeführte Angleichung der malerischen Fassadengliederung optisch stärker verbundene rechte Gebäudeteil wurde erst zwischen 1623 und 1629, dem inschriftlich bezeichneten Bauabschlußdatum, anstelle der ehemaligen Kleinhäuser errichtet. Als Baurest der älteren Substanz ist ein im Grundriß annähernd quadratischer Turm im Hintertrakt des heutigen rechten Gebäudeteils erhalten geblieben. Bis 1633/34 blieb das durch den Neubau erweiterte Gebäude im Besitz des Georg Kaspar von Neuhaus, von dem Senftenberg bereits 1627 an Hans Ulrich Fürst von Eggenberg übergegangen war. Als Hofmeister des Eggenbergers in Senftenberg fungierte noch bis 1633 Hans Hase, dann wurde auch dieses Haus an die Herrschaft Senftenberg verkauft, die darin den Amtssitz des Pflegers bzw. den Sitz der Starhembergschen Gutsverwaltung (1850–1984) einrichtete3).

Die Marcus-Curtius-Erzählung gehörte zu den im 16. Jahrhundert populärsten antiken Bildthemen profaner Wandmalerei4).

Das Verspaar RET WENIG usw. war mit geringen Abweichungen als Spruchgut im Bearbeitungsgebiet im 16. Jahrhundert weit verbreitet. Als Wortdevise zu seinem Wappen führte es Niklas Kastl um 1559 als Angehöriger der Stubengesellschaft im Kremser „Gattermannhaus“ (Untere Landstr. 52)5).

Die Inschrift stellt den einzigen Beleg für die Verwendung eines zweistöckigen Z in Kapitalis dar.

1) Vgl. ÖKT 1, 379f. (Fig. 264; Fassade vollständig unter jüngeren Farbschichten) und Fux, Senftenberg 71 (Aquarell mit Ansicht des Gebäudes, an der Fassade die fast vollständig sichtbaren Wandmalereien. An der rechten unteren Ecke Künstlersignatur „Leopold Welleber“ [?] und Bleistiftbeschriftung „Senftenberg b. Krems 1926“) und 126.
2) Vgl. die irrige Annahme eines Neubaus durch Wisan(d)t 1575 bzw. „vor 1573“ (?) oder 1578 (!) bei Fux, Senftenberg 126, 144 und 866f.
3) S. Fux, Senftenberg 72, 126f., 562 und 1058f. (Kaufdaten 1601 November 19, 1604 Juni 4, 1623 April 12).
4) Vgl. etwa DI 66, Kat.-Nr. 183. In der bearbeiteten Region findet sich das nächste Beispiel am Kremser Großen Sgraffitohaus (vgl. Kat.-Nr.), s. Klimesch, Beiträge 80.
5) Ret wenig vnd ret war Khauf wenig vnd Pezales par, s. Rally, Materialien IV, 526, Kinzl, Chronik 134, Gattermann, Geschichte 13 und Schönfellner, Krems 337.
Literatur

ÖAW, NLH, 18. 4. 1962. – Eppel, Waldviertel 205. – Eppel, Kunst 232. – Klimesch, Beiträge 80. – Dehio Nord 1083. – Fux, Senftenberg 8, 41 (Abb.), 71 (Abb. nach Aquarell von 1926), 125 (Abb. mit Zustand von 1970), 126f. (unvollständige Transkription) und 143 (Abb. mit Zustand vor 1969) sowie 1059 (Abb. des rechten Gebäudeteils). – Beicht, Senftenberg (1996) 335 (Abb. 370). – Beicht, Senftenberg (1998) 103 (Abb. 134).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 289,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil3/noe-3-obj289.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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