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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

294 Gobelsburg, Pfk. Mariä Geburt 1578

Epitaph der Eva Leisser, geb. von Lamberg, und ihres Sohnes Gerhard, hellroter Marmor, innen an der Westwand des Turmvorbaus der erste Stein von Norden, bis 1988 außen an der Westwand. Hochrechteckige Platte mit breitem profilierten und in der Längsachse oben und unten mit je einer Rosette sowie an den beiden Längsseiten mit je vier Wappenschilden (Ahnenwappen der Großeltern) samt Beischriften (II–IX) besetzten Rahmen, im Mittelfeld zuoberst siebenzeilige Inschrifttafel (I), die sich unterhalb von zwei Eheallianz(voll)wappen in Rollwerkrahmung auf einer zweiten Tafel in weiteren vier Zeilen fortsetzt.

H. 194 cm, B. 94 cm, Bu. 3 cm (I) bzw. 1,5 cm (II–IX). – Fraktur.


Textedition
			

I. Alhie Ligt Begraben die wolgebornea) / Fraw fraw Eua geborne von / Lamberg Zum Sawstain (et cetera)b) Des / Edlen Gestrengen Herrn Sigmunde(n) / Leyssers Zu Camern et (cetera)c) Ehliche / gmahl welche Den 3 Octoberisd) / Jm ·1·5·7·8 [·] Jar Christi gestorben iste) // Zugleich Auch Alhie Jr baider Sönle / Gerhart Leysser (et cetera)b) so noch hieuor / Den · 2 · Augustj Jm ·1·5·7·1 Jar / Chrjstj gestorben war begraben II. Leysser III. Ernaw IV. Eibeswald V. Herberstain VI. Lamberg VII. Rosenhart VIII. Schonkirhe(n) IX. Puechaim

Anmerkungen
a) ne auf dem schmalen Rahmen der Inschrifttafel.
b) an der Basislinie ansetzende nach rechts eingerollte Bogenlinie, in der Mittelinie zu einem waagrechten liegenden tironischen et auslaufend.
c) aus dem Balken von t entwickelt sich eine dünne, das et überwölbende Bogenlinie.
d) sic!
e) Fortsetzung auf der unteren Inschrifttafel.


Kommentar

Eva von Lamberg war eine Tochter Gerhards von Lamberg und der Benigna von Schönkirchen. Aus erster Ehe Witwe nach Heinrich Streun von Schwarzenau, heiratete sie 1562 den als zweiter Sohn des kaiserlichen Hauptmanns Christoph Leisser zum Neunzenhof (ehem. Wirtschaftshof des Zisterzienserklosters Zwettl, später Schloß Neunzen, heute Ruine) und Idolsberg (gest. 1553) und der Margarete von Eibiswald (Tochter des NÖ Regimentsrats Hans’ von Eibiswald zu Purgstall und der Rosina von Herberstein) 1540 geborenen Sigmund Leisser zu Kammern und Weinberg. Außer dem in der Inschrift genannten frühverstorbenen Sohn Gerhard stammten aus der Ehe keine Kinder. In zweiter Ehe heiratete Leisser 1581 Salome von Schallenberg, Tochter Bernhards von Schallenberg und der Elisabeth Jörger. Beide Eheleute starben 1591. Aus der zweiten Ehe stammten die Töchter Elisabeth, Magdalena und Benigna sowie die Söhne Georg Sigmund, Bernhard, Gerhard und Christoph9).

Sigmund Leisser zu Neunzen und Kammern wurde 1571 von den Pfandinhabern des Gföhlerwalds, den Brüdern Wilhelm (d. J.) und Christoph (d. Ä.) Greiß zu Wald, wegen vorenthaltener Abgaben aus dem Holzverkauf im Wald „Zechwiesen“ bei Schiltern bei der NÖ Kammer verklagt10). 1576 wurde er als vormaliger NÖ Ritterstandsverordneter in der Nachfolge seines Verwandten Christoph Leisser neuer Obereinnehmer (bis 1578), 1577 fungierte er gemeinsam mit Eustach von Althan und Servatius von Neidegg zu Rastenberg als Beistand der Geschwister Veit Sigmund und Ludwika (verh. Zoppl) von Zelking und der Anna Maria von Thun, verh. von Lamberg, in der Erbeinigung mit den Erben von Anna Marias verstorbenem Mann, Ulrich von Lamberg11). 1580 fungierte er als Beistand des Bräutigams in der Heiratsabrede zwischen Hans Kaspar Hauser zu Reingers und Esther Grabner12). Sigmund starb vermutlich vor 158413).

Die Nennung der Verstorbenen mit ihrem Geburtsnamen und den zugehörigen Epitheta an erster Stelle vor dem ihres Ehemanns entspricht der standesmäßigen Differenz zwischen der dem Herrenstand entstammenden Frau und ihrem ritterständischen Gemahl.

Zu einem möglichen Werkstattzusammenhang des vorliegenden Epitaphs mit der Gruftplatte der Leisser in Schiltern und anderen Denkmälern s. Kat.-Nr. 314.

Die Inschrift entspricht im Wechsel von runder gestalteten Bogenlinien und stärker gebrochenen und in Schwellzüge aufgelösten Buchstabenbestandteilen dem überwiegenden Befund der inschriftlichen Fraktur im Bearbeitungsgebiet. Die Verstärkungen der Schwellschäfte und Schwellzüge tragen zum eher linearen Gesamtbild der Inschrift jedoch wenig bei. Frakturtypische Zierelemente wie Hornansätze, Elefantenrüssel u. ä. sind nicht ausgeprägt. Bemerkenswert ist das in Frakturinschriften seltene, aus zwei gegenläufig versetzten Bögen gebildete Schluß-s, das die entsprechende kapitale Sonderform ins Vierlinienschema überträgt. Dieselbe s-Form erscheint auf dem derselben Werkstatt entstammenden Epitaph einer Angehörigen der Leisser in Eferding (vgl. Kat.-Nr. 314).

1) Si NÖ 1, 270 (Leysser, Fhren.) und Taf. 140 (Stammwappen), vgl. NÖLA, Hs. 236/4, pag. 215.
2) Si NÖ 1, 259 und Taf. 134 (Grfl. [!] Wappen bzw. Wappen V).
3) Si NÖ 1, 84 und Taf. 41.
4) Ledig.
5) Zwei gekreuzte und verschnürte Ährenbündel, vgl. das gevierte Wappen in Si NÖ 1, 87 und Taf. 43.
6) Si NÖ 2, 65 (Schneidpeck zu Schönkirchen) und Taf. 30 (Wappen II).
7) Si OÖ 113 und Taf. 36 (Wappen IV) und NÖ 1, 181 und Taf. 87 (Wappen 1522 bzw. Wappen III), jedoch am Stein abweichend Feld 2 und 3 identisch.
8) Si OÖ 278 und Taf. 75 (Wappen V) und Si NÖ 1, 367 und Taf. 201 (Wappen III).
9) Vgl. NÖLA, Herrenstand Ll Nr. 35, fol. 186–191, NÖLA, Hs. 236/2, pag. 405f., Duellius, Excerptorum libri duo, pag. 296 (Falttafel mit Stammbaum), Si NÖ 1, 270f. und Neugebauer, Landtage 85–87. Das ebenfalls aus der oben genannten Werkstatt stammende Rotmarmor-Epitaph des laut Inschrift mitsamt seinen Kindern aus dem Herzogtum Steier nach Österreich gekommenen Christoph Leisser (gest. 1553), Sohn des Georg Leisser und der Scholastica von Ernau, sowie von dessen Frau Margarete von Eibiswald (gest. 1581), das um 1896 vom Kircheninneren der Pfarrkirche Hl. Stephan in Edelbach nach außen an die Chornordseite und 1907 wieder in das Kircheninnere versetzt worden war, wurde nach der Profanierung der Kirche zugunsten der Errichtung des Truppenübungsplatzes Allentsteig 1941 und anschließender weitgehender Zerstörung des Gebäudes gestohlen, s. Zotti, Kirchen 39, die Inschrift um 1896 noch transkribiert von Johannes Fahrngruber in DASP, Nachlässe 5, Heft E, fol. 37r, vgl. ÖKT 8, 38f. (Fig. 38) und Plesser, Neunzen 236. Schloß und Herrschaft Neunzen verkaufte Ferdinand Rudolf Leisser 1658 an Joachim (Enzmilner) von Windhag, der das Gebäude tiefgehend umgestalten ließ, vgl. Oppeker, Windhag 76f. Nach Plesser, Kirchengeschichte (1939) 421 hatte Christoph Leisser Idolsberg erst 1546 von Christoph von Lamberg angekauft, der die Burg seinerseits erst 1544 von Eustach Enenkel zu Groß und dessen Frau Magdalena Schaul erworben hatte, s. NÖLA, Privaturk. 4979 (1544 April 1). Nach Si NÖ 1, 270 war der Ankauf durch Christoph Leisser von den Lamberg jedoch 1539 erfolgt. Der oben genannte jüngere Christoph Leisser zu Idolsberg und Kronsegg fungierte 1601 als Zeuge eines Kaufbriefs des Peter Gregorotzki und seines Verwandten Hans Leisser zum Neunzenhof, s. Kat.-Nr. 288. Um 1606 war er k. Rittmeister und hatte ein Haus in Krems gemietet, s. Schönfellner, Krems 252. Zu Sigmunds Schwester Amalia, Frau des Kaspar Römer von Burgschleinitz, s. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 90. Weitere Angaben zu den genannten Personen und den Leisser allgemein s. in NÖLA, Hs. 236/4, pag. 215–225.
10) S. HKA, NÖ Herrschaftsakten G 21/A 1, fol. 126v (Beschwerden der Greiß über Störungen ihrer Rechte, 1571).
11) S. NÖLA, Hs. 362, fol. 23r und Bauer, Studien 11. Zum Einnehmeramt Sigmunds vgl. auch Reingrabner, Adel (1976) 127 (Anm. 487).
12) Schmidt, Kopialbuch 129 (1580 Februar 8, Pottenbrunn).
13) 1584 wird er neben seinen bis dahin stets auch mit ihm zusammen aufscheinenden Brüdern Maximilian, Hans und Ulrich nicht mehr genannt, s. Plesser, Neunzen 236.
Literatur

Schacherl, Gobelsburg 485. – DASP, Nachlässe 5, Heft K, fol. 20r. – ÖKT 1, 151. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 86 („Sechs Grabsteine: 1521–1732“). – ÖAW, NLH, 13. 4. 1965. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 50 und Kat.-Nr. 78 (Abb. 69). – Zotti, Kunst 2, 111 („Eva con Camern“ [!]). – Dehio Nord 283. – Zajic, Zentrum 338 (Anm. 60; Abb. 5).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 294,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil3/noe-3-obj294.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 147: Epitaph der
Eva Leisser (1578)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)