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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

306 Straß i. Straßertale, Pfk. Mariä Himmelfahrt 1583

Epitaph des Kaspar von Hohberg, hellroter Marmor, außen an der Ostseite der gesüdeten (!) Kirche zwischen zwei Anbauten an der Wand, noch 1907 ebd. im Boden, ursprünglich (bis zur Profanierung 1787?) wohl in der ehem. Pfarrkirche nördlich des Orts im Straßertal. Hochrechteckige Platte, in den oberen zwei Dritteln in seichter Hohlkehlenrahmung tief unterschnittenes Relief eines bärtigen Mannes in Trabharnisch mit Halskrause, als Halbfigur aus perspektivisch aufgefaßtem, der Figur als Postament dienendem Gesims aufwachsend, den linken Arm in die Hüfte gestützt, der rechte umfaßt den abgesetzten Helm mit geöffnetem Visier. In der rechten oberen Ecke seichte vollrunde Vertiefung mit perspektivisch aufgefaßter ringartiger Rahmung, links größeres längsovales Feld, ursprünglich wohl ein heute verlorenes eingelegtes Wappenmedaillon aufnehmend. Im unteren Drittel achtzeilige Inschrifttafel (I), oben und unten am Rahmen je eine Rollwerkwalze, die vier Ecken mit je einem Wappenschild samt Beischrift (II–V, jeweils auf der Rahmenleiste der Tafel) besetzt. Zahlreiche Oberflächenbeschädigungen und Ausbrüche, besonders am Rahmen links oben, kleinere Sprünge, an der rechten unteren Ecke Schersprung, gesamte Platte leicht verwittert.

H. 160 cm, B. 84 cm, Bu. 2,5 cm (I) bzw. ca. 1,5 cm (II–V). – Fraktur.


Textedition
			

I. Hie Ligt begrab͜e(n) Der Edl gestreng herr / Caspar weilent h͜ern Balthasarn von Hoberckh vnd / Zuetmanstorffa) Auch Frawe(n) Catharina geborne vo(n) Zetliz / Sohn welch͜ er Von Jugent auf Jn Kayser Ferdinandi · e(t cetera) · / hoff vnd kriegsdienst ruemblich gelebt auch / Letzlich sein End Den · 4 · Nouembris Jm · 1583 / Jar Christi Seines alters Jm 39 Jar sälicklich / beschloßen hat II. Hoberckh III. Reibniz IV. Zedtliz V. Sy[nzen]dorff

Anmerkungen
a) sic! für Guetmanstorff.

Wappen:
        Hohberg1)       Zedlitz2)
        Reibnitz3)       Sinzendorf4)


Kommentar

Die Hohberg entstammten dem schlesischen Niederadel, Kaspars Vater Balthasar erscheint bei Streun jedoch mit dem Prädikat „von Ritschan“5).

Der sehr vage inschriftliche Hinweis auf Hof- und Kriegsdienste Kaspars, der im bearbeiteten Quellenmaterial nicht faßbar ist, läßt auf eine Stellung als „Diener von Adel ohne Amt“, eine im 16. Jahrhundert häufige Form loser Anbindung an den landesfürstlichen bzw. Kaiserhof schließen6).

Die Darstellung des gerüsteten Verstorbenen als Halbfigur ist ungewöhnlich und steht wohl kaum in der Tradition der Halbfigurendarstellung der sogenannten „Humanistenepitaphien“ des ersten Jahrhundert­drittels, sondern erinnert mit Ausnahme der für die Formgelegenheit Epitaph adäquateren Rüstung an den entsprechenden zeitgenössischen adeligen Porträttypus7). Gert Adamek glaubte einen Werkstatt­zusammenhang zwischen dem gegenständlichen Epitaph und jenem der Eva Leisser in Gobelsburg (Kat.-Nr. 294) bzw. der Gruftplatte der Leisser in Schiltern (Kat.-Nr. 314) zu erkennen8). Tatsächlich sind vielmehr zahlreiche augenfällige Parallelen zu zwei figürlichen Grabdenkmälern festzustellen, die Ivo Hlobil unter Berücksichtigung archivalischer Nachweise bzw. nach stilistischen Kriterien überzeugend dem in Wien tätigen Steinmetz und Baumeister (seit 1556 Wiener Dombaumeister) Hans Saphoy zuschreiben konnte. Die figürliche Tumbendeckplatte (?) des Rafael Podmanický (gest. 1559) in der Pfarrkirche von Považská Bystrica wurde nach archivalischen Belegen vor 1563 von Saphoy im Auftrag der Witwe des Verstorbenen angefertigt9). Deutliche Parallelen des Strasser Epitaphs zu dieser gesicherten Arbeit Saphoys bestehen in der charakteristischen Gesichtszeichnung (besonders der Augenpartie) und der Gestaltung des geöffneten Visiers des Helms sowie in der Form der Wappenschilde. Zahlreiche Verbindungen des Hohberg-Steins lassen sich zum figürlichen Grabdenkmal des Ulrich Mairhauser von Poysbrunn (gest. 1569) in der Wiener Michaelerkirche10) herstellen. Augenfällig ist die Übereinstimmung allgemeiner gestalterischer Merkmale wie der raumhaltigen Gestaltung des Bildfelds, in das die Figur gestellt ist, des durch die ornamenthafte kreisrunde perspektivische Vertiefung (ein beziehungsloses Architekturversatzstück) wohl unklar als Mauer aufgefaßten Hintergrunds, der Anbringung eines längsovalen Medaillons mit Vollwappen im Bildfeld (auf dem Wiener Denkmal aus Solnhofer Plattenkalk eingesetzt, in Straß verloren) und der mit Rollwerk gefaßten Inschrifttafel am unteren Rand des Steins ebenso wie die frappante Ähnlichkeit spezifischer Details. Besonders nahe am Wiener Grabdenkmal ist etwa die Gestaltung der linken, fest in die Hüfte gestützten Hand und die identische Form des darunter sichtbaren Degengriffs. Die zentrale Reliefplatte vom ursprünglich wohl monumentalen figürlichen Grabdenkmal des Veit von Zelking (gest. 1559) in der ehemaligen Zelkingerkapelle in der Pfarrkirche Kefermarkt11) läßt in der Gestaltung der gerüsteten Figur ebenfalls eine Verbindung zu den bereits genannten Steinen erkennen. Auch hier begegnen zudem die genannten, wohl an den Oculi der Architektur ausgebildeten kreisrunden bzw. schüsselartigen Vertiefungen – zu ihrem Einsatz in der Renaissancetischlerei vgl. Kat.-Nr. 259 – in der unklar belassenen Hintergrundarchitektur sowie das aus Solnhofer Plattenkalk eingesetzte Wappenmedaillon. Dem slowakischen und dem Mühlviertler Denkmal schließt sich das figürliche Grabdenkmal des Wiguleius von Elriching (gest. 1561) in der Pfarrkirche Mining eng an.

Da Hans Saphoy selbst bereits 1578 starb, kann das Straßer Denkmal nur aus dem weiterhin in den kanonisierten Formen arbeitenden Werkstattverband Saphoys stammen. Die beiden erstgenannten Vergleichsbeispiele schätzt Hlobil zwar als eigenhändige Werke Saphoys ein, die hohe Konsistenz gestalterischer Motive auf dem wenigstens fünf Jahre nach dem Tod des Meisters entstandenen Hohberg-Stein könnte jedoch wenigstens für eine Beteiligung von Werkstattangehörigen auch an den drei älteren Denkmälern sprechen. Der Entstehungszeit des Strasser Denkmals näher stehen die figürlichen Grabdenkmäler des Wolf Conrad von Pösnitz (gest. 1574) und des Wolf Kellner (gest. 1578) in Wiener Neustadt12). Beide Denkmäler zeigen in der perspektivischen Auffassung des Bildraums und der Figurenzeichnung bis hin zu Details untereinander und zum allerdings weniger qualitätvollen Strasser Stein so große Verwandtschaft (am Denkmal Kellners auch ein längsovales, von einem Lorbeerkranz gerahmtes Wappenmedaillon), daß vielleicht eine gemeinsame Werkstatt, eben jene des damals bereits verstorbenen Saphoy, anzunehmen steht. Aus dieser stammt wohl auch die zentrale figürliche Platte vom Grabdenkmal des Christoph Perger von Klam (gest. 1581) in der Burgkapelle Klam13), die fast alle der oben angeführten gestalterischen Elemente und stilistischen Merkmale aufweist.

1) S. Si OÖ 128 und Taf. 38 (Wappen I) und NÖ 1, 194 und Taf. 92 (Stammwappen), vgl. NÖLA, Hs. 236/3, pag. 650.
2) S. Si ÖSchl 109 und Taf. 57.
3) S. Si ÖSchl 63 und Taf. 34.
4) Abweichend zu Si OÖ 365 und Taf. 94 bzw. NÖ 2, 151 und Taf. 64f. offenbar gespalten und halbgeteilt.
5) S. NÖLA, Hs. 5/11, fol. 53r.
6) S. dazu Hengerer, Kaiserhof 35–42.
7) Vgl. überblicksweise Fellner, Porträt passim.
8) S. Adamek, Grabdenkmäler (1968) 50 und Kat.-Nr. 81 (Abb. 72).
9) S. Hlobil, Werk passim. Der Beitrag war bereits 1994 in einer tschechischen Fassung erschienen, die offenbar von der deutschsprachigen Forschung bislang nicht rezipiert wurde. Dem slowakischen Denkmal steht ein figürliches Grabdenkmal ohne Sterbeinschrift in der Pfk. Hellmonsödt nahe, das wohl zurecht dem 1560 verstorbenen Erasmus (I.) von Starhemberg zugewiesen wird, s. Dehio Mühlviertel 285 und vgl. in Zukunft den von Rainer Schraml für die DI vorbereiteten Band mit den Inschriften der PB Rohrbach und Urfahr-Umgebung. In der charakteristischen schmalschultrigen und schlanken, fast gestreckt wirkenden gerüsteten Figur mit aufgeklapptem Visier und dem länglichen, mit Rollwerkrändern versehenen Wappenschild sind engste Parallelen zum Podmanický-Stein festzustellen.
10) S. Schemper-Sparholz, Grabdenkmäler 239 (Abb.).
11) S. Dehio Mühlviertel 335.
12) S. DI 48, Kat.-Nr. 198 (Abb. 74) und 203 (Abb. 80 zeigt nur ein Schriftdetail).
13) S. Dehio Mühlviertel 365. Das Denkmal stammt aus Hofkirchen i. Mühlkreis.
Literatur

ÖKT 1, 541. – ÖAW, NLH, 4. 4. 1966. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 50 und Kat.-Nr. 81 (Abb. 72). – Dehio Nord 1148. – Zajic, Grabdenkmäler (2004) 200 (Anm. 167). – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 198 (Anm. 250) und 294 (Anm. 317). – Zajic, Zentrum 341 (Anm. 67).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 306,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil3/noe-3-obj306.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 140: Epitaph des
Kaspar von Hohberg (1583)