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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

314 Schiltern, Pfk. Hl. Pankraz 1588

Gruftplatte der Familie Leisser, roter Marmor, an der Chornordwand der erste Stein von Westen, 1933 aus dem Boden vor dem nördlichen Seitenaltar (nahe der Mauer teilweise unter den Kirchenbänken liegend) gehoben, bis 1954 provisorisch im Chor an die Wand gelehnt. Hochrechteckige, in drei Zonen gegliederte Platte: oben leicht vertieftes, mit seichter Hohlkehle gerahmtes Feld mit fünfzeiliger Inschrift, die sich unterhalb des in der Mitte befindlichen Vollwappens in vollrunder Hohlkehlenrahmung (die Zwickel leer) in weiteren sechs Zeilen fortsetzt. Die erste und die beiden letzten Zeilen der Inschrift sind zentriert und weichen damit den vier teilweise mit Mörtel verfüllten Löchern der ehemals vorhandenen eisernen Heberinge aus. Leicht rechtsschräger bis senkrechter Sprung an der linken oberen Kante bis zum Wappenmedaillon, kleinere Oberflächenbeschädigungen.

H. 176 cm, B. 96 cm, Bu. 2,5 (Z.6–11) bzw. 3,5 cm. – Fraktur.


Textedition
			

Leysserische Gruffta) / So der Edl vnd gestreng herr Erasm Leysser / Zu Jdoltsperg vnd Kranseckh baider Kays(erlicher) M(aies)t(a)t(en) (et) c(etera) Kay(ser) Max(imiliani) · 2 · vnd Kay(ser) Rodolph · 2 · gwester Rath / vn[d] Regent der · N(ieder) Osterreichischen Lande · (et) c(etera) · // Jme selbst sei[ne]n Gmahln Kindern vnd gantzem Leyss=/erischem Geschlecht so hierinen der Frölichen Auffer/stheu[n]g vom Todt Erwarten Bey seinem Leben / Jn dise mit vogtey vnd lehnschafft Jm zuegehö=/rige pharkirchen machen hat lassena) / Jm · 1588 Jara) ·

Anmerkungen
a) Zeile zentriert.

Wappen: Leisser1).


Kommentar

Erasmus Leisser zu Idolsberg, Schiltern und Kronsegg, geb. 1538 oder 1539 als ältester Sohn des kaiserlichen Hauptmanns Christoph Leisser zu Idolsberg (gest. 1543) und der Margarete von Eibiswald (Tochter Johanns von Eibiswald und der Rosina von Herberstein), heiratete 1560 Dorothea, Tochter des Christoph Jörger und der Barbara von Harrach. Aus der Ehe stammten die Töchter Margarete (geb. 1564, seit 1581 verheiratet mit Hans Schifer von Freiling, gest. 1585), Barbara (geb. 1566, verh. mit Hans Bernhard von Peukham, vgl. Kat.-Nr. 373, gest. 1596) und ein Sohn Christoph (geb. 1567, gest. 1648), der nach einem Aufenthalt in Tübingen 1587 auf Kavalierstour in Oberitalien war, an verschiedenen italienischen Universitäten inskribierte und schließlich als Truchseß Erzherzog Ernsts und Rat sowie Oberstkuchelmeister Kaiser Matthias’ (1616), NÖ Raitherr (1604) und mehrmaliger Ritterstands­verordneter (1610–13, 1620–26, 1630, 1638–41 und 1647) fungierte.

Nach Dorotheas Tod 1583 heiratete Erasmus 1584 in Wels Rosina, Tochter des Hans Aspan von Haag, die drei Jahre nach ihrem Ehemann 1594 starb und in der Filialkirche Annaberg bestattet wurde2).

Gegen Ende der 1560er Jahre war Erasmus Hauptmann von Wiener Neustadt gewesen, 1570 fungierte er als Pfleger von Weitra3). Spätestens 1573 wurde er NÖ Obereinnehmer, 1576 NÖ Regimentsrat (in diesem Amt bis 1584), 1579 war er NÖ Ritterstandsverordneter4). 1585 sollte er zusammen mit seinem Bruder Sigmund (s. Kat.-Nr. 294) den alten Zwettler Klosterhof in Kammern, der ihrem Onkel Sigmund, nachmals Hofkriegsrat und Oberstfeldzeugmeister, 1530 von dessen Bruder, dem Zwettler Abt Erasmus Leisser, zusammen mit den Neunzenhof auf ewigen Wiederkauf veräußert worden war, um 4000 fl. wieder an das Kloster verkaufen5). Zu nicht näher bekanntem Zeitpunkt hatte er in Schiltern den Prädikanten Maximilian Hackl aufgenommen6). Erasmus starb am 26. Februar 1591 und wurde in der von ihm eingerichteten Schilterner Gruft beigesetzt7).

Die in der Inschrift der vorliegenden Gruftplatte formulierte Bezeichnung Leissers als Inhaber von Vogtei und Patronat über die Pfarrkirche Schiltern unterstreicht die schwer anfechtbare Rechtsstellung, die er offenbar bewußt auch zum Einbau der Familiengruft in der Kirche ausgenützt hatte. Als Patron stand Leisser der Anspruch auf Bestattungen an hervorgehobenen Stellen der Kirche zu, ohne auf Erlaubnis des Pfarrers angewiesen zu sein. Sein Sohn Christoph ließ 1629 unter Umgehung des katholischen Schilterner Pfarrers Mag. Rudolf Rau eine verstorbene Verwandte, die Protestantin N. von Hohberg, in seiner Kirchengruft in der Pfarrkirche beisetzen, was jedoch eine Klage des Pfarrers bei der NÖ Regierung zur Folge hatte8).

Die Werkstatt, aus der die gegenständliche Gruftplatte stammt, hatte angesichts der Parallelen in der Gesamtgestaltung des Denkmals sowie speziell der bildhauerischen Behandlung der Vollwappen offenbar bereits das Epitaph von Erasmus’ Schwägerin Eva, geb. Lamberg (Kat.-Nr. 294), angefertigt9). Die Inschrift des gegenständlichen Steins ist zwar gedrängter und mit schmäleren Buchstaben ausgeführt, doch entsprechen nicht nur die Einzelformen der Gemeinen, sondern auch der größte Teil der Versalien samt charakteristischen Doppelformen dem Bestand des älteren Denkmals.

Ebenso offensichtlich auf dieselbe ausführende Werkstatt verweisen das Epitaph der oben genannten Tochter Erasmus’, Margarete, verh. Schifer von Freiling (gest. 1585), in Eferding10) sowie die Epitaphien der Anna Seemann von Mangern (gest. 1583) und der Katharina Seemann von Mangern (gest. 1586) in der Pfarrkirche St. Peter i. d. Au sowie das Epitaph des Christoph Murhamer (gest. 1598) in der Stadtpfarrkirche Waidhofen a. d. Ybbs11).

1) Si NÖ 1, 270 (Leysser, Fhren.) und Taf. 140 (Stammwappen), vgl. NÖLA, Hs. 236/4, pag. 215.
2) Vgl. NÖLA, Hs. 362, fol. 12r und 20v, NÖLA, Herrenstand Ll Nr. 35, fol. 186–191, NÖLA, Ritterstand R I (Verzeichnis der NÖ Raitherren ab 1590), NÖLA, Hs. 66, pag. 41, 48–53 und 57–62, Duellius, Excerptorum libri duo, pag. 296 (Falttafel mit Stammbaum), Weiglsperger, Beiträge (1895) 112, Grienberger, Erbstift 122f., Neugebauer, Landtage 83f. und Thaler, Entwicklung 8. Das ebenfalls aus der oben genannten Werkstatt stammende Rotmarmor-Epitaph des laut Inschrift mitsamt seinen Kindern aus dem Herzogtum Steier nach Österreich gekommenen Christoph Leisser (gest. 1553), Sohn des Georg Leisser und der Scholastica von Ernau, sowie von dessen Frau Margarete von Eibiswald (gest. 1581), das um 1896 vom Kircheninneren der Pfk. Hl. Stephan in Edelbach nach außen an die Chornordseite und 1907 wieder in das Kircheninnere versetzt worden war, wurde nach der Profanierung der Kirche zugunsten der Errichtung des Truppenübungsplatzes Allentsteig 1941 und anschließender weitgehender Zerstörung des Gebäudes gestohlen, s. Zotti, Kirchen 39, die Inschrift um 1896 noch transkribiert von Johannes Fahrngruber in DASP, Nachlässe 5, Heft E, fol. 37r, vgl. ÖKT 8, 38f. (Fig. 38) und Plesser, Neunzen 236. Zur Wappengrabplatte der Margarete Schifer, geb. Leisser, in der Eferdinger Spitalskirche und der monumentalen figürlichen Grabplatte des Hans Aspan von Haag (gest. 1575) in Annaberg vgl. demnächst den von Roland Forster für die DI vorbereiteten Band mit den Inschriften des PB Eferding. Zu Christoph Leisser (d. J.) vgl. auch Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 90 (Anm. 11). Weitere Angaben zu den genannten Personen und den Leisser allgemein s. in NÖLA, Hs. 236/4, pag. 215–225, knapp auch Si NÖ 1, 270.
3) Vgl. HKA, NÖ Herrschaftsakten W 55/A, fol. 338f. und Starzer, Beiträge 427.
4) S. NÖLA, Hs. 236/4, pag. 218f., Weiglsperger, Beiträge (1895) 112 und Starzer, Beiträge 427.
5) S. HKA, NÖ Herrschaftsakten K 57/A, fol. 143f. (1585 April 24, Wien; Erzherzog Ernst erlaubt Abt Johann (VII.) Seyfried von Zwettl, für den Rückkauf des Kammerner Hofs 4000 fl. zu 6 % Zinsen aufzunehmen, die binnen vier Jahren aus den Einnahmen des Hofs wieder zu tilgen sind), vgl. Vancsa, Kammern 35 und Si NÖ 1, 270 (hier 1587 angegeben).
6) Weiglsperger, Beiträge (1895) 112.
7) S. Weiglsperger, Beiträge (1895) 112, Starzer, Beiträge 427, Topographie 4, 447 und Plesser, Kirchengeschichte (1951) 147.
8) S. DASP, Pfarr- und Klosterakten Schiltern 1 (1629 Dezember 18, Wien; Abschr. eines gleichzeitigen Erlasses der NÖ Regierung im Streit zwischen Rau und Leisser), vgl. auch Plesser, Kirchengeschichte (1951) 148, Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 129 und Zajić, „Aeternae Memoriae Sacrum“ 269. Leisser wurde ermahnt, in Hinkunft den Pfarrer zu verständigen, und dazu verpflichtet, Rau als Entschädigung für die entfallenen Stolgebühren und dessen Gerichtsunkosten 30 Reichstaler zu erstatten. Möglicherweise war die Verstorbene Sophia, Tochter des Wilhelm Bernhard von Friedesheim und der Genoveva Leisser gewesen, die Mutter des bekannten adeligen Dichters und Agrarschriftstellers Wolf Helmhard von Hohberg, s. Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 129.
9) Diese Vermutung bereits bei Adamek, Grabdenkmäler (1968) 50, der auch das Epitaph des Kaspar von Hohberg (Kat.-Nr. 306) in diesen Zusammenhang stellt.
10) Vgl. Anm. 2.
11) S. DI 10. Kat.-Nr. 152 und 155 (Abb. 56f.) und Kat.-Nr. 264 (Abb. 95).
Literatur

Biedermann, Schiltern 13. – ÖAW, NLH, 5. 4. 1966. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 50 und Kat.-Nr. 83 (fehlerhafte Transkription; Abb. 74). – Eppel, Waldviertel 205. – Zotti, Kunst 2, 341. – Dehio Nord 1031. – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 56 (Anm. 195), 129 und 132 (Anm. 240).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Kat. Nr. 314,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil3/noe-3-obj314.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 148: Gruftplatte
der Leisser (1588)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)