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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
328 |
Dürnstein, ehem. Chorherrenkloster |
1595 |
Figürliche Grabplatte des Propstes Matthias Schreckseisen, roter Marmor, seit etwa 1720 im Ostflügel des Kreuzgangs der zweite Stein von Norden an der Ostwand, ursprünglich an nicht näher bekanntem Standort in der alten Klosterkirche. Die auf einer schmalen Randleiste angebrachte Umschrift (I) rahmt ein vertieftes Feld mit der Figur des Verstorbenen in Pontifikalgewändern mit Mitra, die angewinkelte Rechte umfaßt das Pedum, die Linke klemmt ein Buch an die Brust. Zu Füßen der Figur beiderseits ein zur Mitte hin gelehnter kartuschenförmiger Wappenschild. Am unteren Rand weitet sich die Rahmenleiste zu zwei weiteren nebeneinanderstehenden Schriftblöcken (zwei bzw. ein Drittel der Breite einnehmend) in vier Inschriftzeilen (II) innerhalb des dritten Schriftbands der Umschrift.
H. 195 cm, B. 105 cm, Bu. 4 cm (Umschrift) bzw. 3 cm (Zeilen). – Kapitalis.
Textedition
I.
REVERENDVSa) ADMODVM IN CHRISTOa) / PATERa) AC DOMINVS
DOMINVS MATHIASa) HVIVS MONASTERYa) PRIMVS INFVLATVS /
PRA͜EPOSITVS S(ANCTI)S(SIMAE) TH(EOLOGI)A͜Ea) BACCALA͜VREVSa)
FORMA/TVS HOC MA͜RMORE TEGITVR OBYT DIE · X · MENSISa)
DECEM͜ B(RIS) A(NN)Oa) DOMINI MDXCV.
II.
TERRAa) TYROLENSISa) FVERIT MICHI PATRIAa) MORES ·
INGENV͜ASQ(VE)a) A͜RTES CLA͜RA VIENNA DEDIT.
HOCCEa) MON͜ASTERIVM SVMOS CONCESSIT HONORES
OMNIAa) NVNC VNO SET PERIERE DIEb).
PATRIAa) IAM CA͜ELVM EST A͜RTES / HA͜BET V͜RBS ET HONORES
CORPORISa) AT CIN͜ERES / HA͜EC BREVIS V͜RNA TEGIT.
Anmerkungen
Wappen: Kloster Dürnstein1); Schreckseisen2).
Kommentar
Der gebürtige Tiroler Matthias Schreckseisen, zuvor Chorherr im Wiener Dorotheerkloster, wurde im Frühjahr 1589 nach dem Tod des Adam Faber von den NÖ Klosterräten als Administrator des Klosters Dürnstein eingesetzt und am 24. März 1590 gegen den Widerstand Melchior Klesls förmlich als Propst mit den Temporalien installiert, die Konfirmation des Offizials und Installation mit den Spiritualien erfolgte erst im September 1594. 1592 verhinderte er durch sein vom NÖ Klosterrat eingefordertes Gutachten die Umbaupläne Reichard Streuns für das öde Klarissenkloster, 1593 fungierte er als NÖ Raitherr. Im Gegensatz zu seinem konfessionell indifferenten Vorgänger scheint sich Schreckseisen zaghaft zu gegenreformatorischen Schritten im Bereich seines Klosters entschlossen zu haben, etwa zu dem Versuch, die Tätigkeit eines auch die evangelischen Bürger von Krems/Stein seelsorglich mitbetreuenden protestantischen Prädikanten auf der nahe Dürnstein gelegenen Förthofkapelle der protestantischen Familie Aspan von Haag einzuschränken, eine Maßnahme, die ihn jedoch offenbar wegen eigenmächtigen Vorgehens in Konflikt mit dem Passauer Offizial Melchior Klesl brachte. Im Streit mit der Herrschaft Grafenwörth wegen der Eingriffe der evangelischen Prediger in die seelsorgliche Tätigkeit der Dürnsteiner Pfarrvikare in der Grafenwörther Filialkirche in St. Johann „am Wasen“ schloß Schreckseisen 1594 einen Vertrag, der den Ruebern auf Grafenwörth das Patronat leibgedingsweise zusicherte. Noch knapp vor seinem Tod fungierte Schreckseisen als Visitator des Steiner Minoritenkonvents, sein Nachfolger wurde der nur wenige Wochen regierende Nikolaus Arnold3).
Die ungewöhnliche Anordnung von zwei ungleich großen Schriftblöcken in vier Zeilen nebeneinander wurde gewählt, um die innertextliche Parallelisierung des letzten Distichons zu den ersten beiden auch im Layout ausdrücken zu können. So werden in der ersten Zeile die beiden PATRIA einander, in Z. 2 VIENNA und VRBS, in Z. 3 HONORES und CINERES und schließlich VNO (...) PERIERE DIE mit BREVIS VRNA antithetisch gegenübergestellt. Die lebenslaufartige Einleitung der Distichen, für einen verstorbenen Geistlichen eher ungewöhnlich, entspricht einem in frühneuzeitlichen metrischen Grabinschriften geläufigen, ursprünglich wohl am berühmten Epitaph Vergils orientierten darstellerischen Topos4).
Die Grabplatte wurde anläßlich des Kirchenumbaus unter Propst Hieronymus Übelbacher (1721–24) gemeinsam mit Kat.-Nr. 448 zur Förderung der Klostermemoria an den heutigen Standort übertragen, wie eine unmittelbar unter der vorliegenden Platte angebrachte Sandsteintafel berichtet5). Pühringer-Zwanowetz schloß aus der fehlenden Nennung des Denkmals im Dürnsteiner Grabdenkmalverzeichnis (Descriptio Monumentorum) von etwa 1721 auf einen ursprünglichen Standort in der Krypta der Klosterkirche6).
Während die Kapitalis der Umschrift einen harmonischen Wechsel von schmäleren und breiteren Formen aufweist, erscheinen die vier Inschriftzeilen unter dem Bildfeld gedrängt, die Buchstaben durchwegs schmal, teils sogar – verstärkt durch den Einsatz vergrößerter Anfangsbuchstaben – fast gelängt. Die in der Umschrift weniger auffälligen Schwächen der Schriftgestaltung treten in der zeilenweisen Beschriftung deutlicher zutage: besonders das tendenziell eher schmale O schwankt zwischen ausgeprägter Links- und Rechtsneigung, ohne eine Orientierung an der Senkrechten auch nur überwiegend halten zu können. Neben den Senkrechten werden relativ konsequent die Linksschrägen verstärkt, an freien Schaft- und Bogenenden sitzen teils feine Serifen, teils plumpere dreieckige Sporen. An Einzelformen sei auf B mit tendenziell größerem unteren Bogen, E mit stark verkürztem mittleren und leicht verlängertem unteren Balken, G mit kurzer senkrechter Cauda, gerades M mit nur bis zur Mittellinie reichendem Mittelteil und R mit geschwungener Cauda hingewiesen.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Dürnstein, ehem. Chorherrenkloster • Grabplatte • roter Marmor • Kapitalis • Inschriften des Totengedenkens •
Arnold, Nikolaus •
Faber, Adam •
Hey, Nikolaus •
Klesl, Melchior •
Kniepichler, Melchior •
Pühringer-Zwanowetz, Leonore •
Rueber •
Schreckseisen, Lazarus, Matthias, Matthias, Peter •
Streun von Schwarzenau, Gotthard •
Streun von Schwarzenau, Reichard •
Übelbacher, Hieronymus •
Vergil •
Wistiner, Bartholomäus •
Dürnstein, Klarissenkloster •
Förthof, Kapelle •
Gerolding •
Grafenwörth •
Krems a. d. Donau •
St. Johann, Kapelle •
Stein a. d. Donau, Minoritenkloster •
Waldneukirchen •
Wien, Dorotheerkloster
Abbildungen
Abb. 151: Grabplatte des Propstes Matthias Schreckseisen (1595) ©
Bundesdenkmalamt, Wien, Fotoarchiv
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Der in Christus wohlehrwürdige Pater und Herr Matthias, erster infulierter Propst dieses Klosters, Bakkalaureus der hochheiligen Theologie, wird von diesem Marmorstein bedeckt. Er starb am zehnten Tag des Monats Dezember im Jahr des Herrn 1595 (I).
Das Land Tirol war meine Heimat, Erziehung und hehre Wissenschaft verlieh mir das berühmte Wien. Höchste Würden gestand dieses Kloster zu, doch all das wurde mit einem einzigen Tag zunichte. Die Heimat ist nun der Himmel, (auch) die(se) Stadt hat Wissenschaft und Würden, doch die Asche des Leichnams faßt diese kleine Urne (II).
Elegische Distichen.