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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

338 Mautern a. d. Donau, Pfk. Hl. Stephanus 1598

Epitaph des Sebald Janer, Rotscheck, roter Marmor, Sandstein und Solnhofer Plattenkalk, an der Westwand der nördlichen Seitenkapelle (Barbarakapelle, Taufkapelle, Fronleichnamskapelle). Zweigeschossige Ädikula: zentrale hochrechteckige Tafel aus Solnhofer Plattenkalk mit Relief Auferstehung Christi in seichter Rundbogennische, in den Zwickeln ehemals Dekor appliziert (in jüngster Zeit zwei nicht zugehörige vergoldete hölzerne vegetabile Ornamente angebracht). Die flankierenden Säulen aus Rotscheck mit Kompositkapitellen tragen den Architrav mit breit ausladendem Gesims, die ehemals mutmaßlich zwischen den beiden Kämpfersteinen angebrachte Inschrifttafel des Frieses fehlt. Beiderseits der Säulen als Rahmenfragmente nach außen weisende Chimären aus Sandstein, der Körper zu Rollwerkkartuschen mit eingehängten Fruchtfestons umgebildet, links mit einem Vollwappen besetzt, rechts ein längsoblonges linksgewendetes (!) Wappenmedaillon mit Lorbeerblattleistenrahmung umschließend. Im Obergeschoß zwischen massiven mit Cherubsköpfen besetzten Volutenkonsolen aus Sandstein (außen zwei Volutenspangen) schmales, querrechteckiges Relief aus Solnhofer Plattenkalk mit der im Gebet auf kleinen Schemeln knienden Familie des Verstorbenen (links Vater mit halbwüchsigem Sohn und kleinem Knaben, alle drei in spanischer Hoftracht, rechts Mutter mit jugendlicher Tochter und kleinem Mädchen in kurzen Mantelkleidern mit steifem schmalkrempigen Hut und Kinnbinde). Über dem verkröpften rotmarmornen Gesims als Aufsatz Rollwerkkartusche mit Fruchtfestons aus Sandstein, ein vollrundes Medaillon aus Rotmarmor (ursprünglich wohl beschriftet, früher leer, in jüngster Zeit mit unzugehörigem vergoldeten hölzernen Relief eines rechtsgewendeten Visierhelms besetzt) in Lorbeerblattleistenrahmung umschließend, als Bekrönung Totenschädel auf kleinem Postament. Im Unterhang halbkreisförmige, kleeblattartig geschweifte siebenzeilige Inschrifttafel (roter Marmor) mit Rollwerkrahmung aus Sandstein. Reste der Zeilenlinierung sichtbar.

H. ca. 290 cm, B. ca. 160 cm, Bu. 3,5–4 cm. – Fraktur.


Textedition
			

Alhie Ligt Begraben Der Edl vnd Vest / Herr Sebolt Janner zur Janburg Wellicher / Gestorben ist Den 7 Juny Jm Jar ·1·5·9·8 / Denena) Gott Ein Frolliche Auferste/ung Verleichen wolle / am Jyngsten tag / Amen ·

Anmerkungen
a) sic!

Wappen: Janer1); Moser (?)2).


Kommentar

Sebald Janer3) wurde vermutlich in den späten 1530er Jahren als Sohn bäuerlicher Eltern, Hans und Barbara Janer, im Göttweiger Dorf Höbenbach geboren, aus derselben Ehe stammte weiters zumindest eine Tochter Dorothea. Nach einer möglicherweise in Göttweig oder Krems genossenen Schulausbildung kam Janer in den 1550er Jahren als mittelloser Bäckerlehrling nach Mautern, wo er das Handwerk bei dem Schwarzbäcker Hans Moser erlernte. Nach dem kinderlosen Tod Mosers, der als Ratsbürger, Spitalmeister und ehemaliger Stadtrichter (in diesem Amt 1531, 1542 und 1556) zum mit Abstand vermögendsten Bürger Mauterns geworden war, heiratete Janer im Jahr 1557 Anna, die Witwe seines früheren Lehrherrn, und trat damit dessen umfangreiches Erbe an, das er jedoch (durch Darlehens­gewährung, u. a. an die NÖ Stände, Grundstücksspekulation und Weinhandel?) noch beträchtlich vergrößern konnte. Schon 1558 wurde Janer in den Mauterner Rat gewählt und fungierte in der Folge als Raitherr, 1562/63 als Stadtrichter, noch 1571/72 als Angesetzter (stellvertretender Stadtrichter). Daneben hatte er noch zeitweise die Ämter eines Zechmeisters bzw. Kirchenpropsts der Mauterner Stadtpfarrkirche inne. 1570 war er maßgeblich am gescheiterten Versuch des Mauterner Rats beteiligt, in der leerstehenden alten Margaretenkapelle (s. Kat.-Nr. 1) eine evangelische Pfarre zu errichten.

Obwohl Janer durch seine Frau auch das große und prestigeträchtig am heutigen Rathausplatz gelegene Haus Mosers, ehemals im Besitz des Erhard Kobolt (s. Kat.-Nr. 113), später nach Besitzern des ausgehenden 16. und frühen 17. Jahrhunderts so genannte „Ehrenreichische Haus“, heute Nordwesttrakt des Rathauses (Rathauspl. 1), ererbt hatte, plante er offenbar schon 1558/59, auf einem im Südosten vor den Stadtmauern gelegenen, vormals aus zwei Weingartenparzellen bestehenden Grundstück im „Unteren Parz“ ein repräsentatives Gebäude (s. Kat.-Nr. 298 und 303) zu errichten. Während sich Janer dem durch Anlage eines Freihofs um seine Steuereinnahmen besorgten Rat gegenüber zunächst damit verantwortete, lediglich eine Unterkunft für seine armen Eltern schaffen zu wollen4), erhielt er 1567 einen kaiserlichen Wappenbrief, der ihm auch den Erwerb adeliger Güter bzw. konkret die Umwandlung seines Bauvorhabens in einen Freihof ermöglichte. 1576 suchte Janer schließlich mit befürwortender Unterstützung durch den Göttweiger Abt Michael Herrlich (s. Kat.-Nr. 304) als Grundherrn der früheren Weingärten bei Kaiser Maximilian II. um die Befreiung des in Bau befindlichen Gebäudes (heute Südtiroler Pl. 5) von bürgerlichen Lasten an. 1579 bewilligte Kaiser Rudolf II. Janers Supplikation, erhob den Hof zu einem freien Landgut, nach dem sich seine Besitzer auch nennen dürfen sollten und setzte die jährliche in das Wiener Vizedomamt zu erlegende Landsteuer mit 8 fl. fest. In der Folge erwuchsen langjährige, vor der NÖ Regierung anhängige Streitigkeiten um den vom Baumeister und Maurer Matthias Daberger (Däperger) geleiteten Ausbau des Hofs und dem von Janer darin betriebenen Weinausschank zwischen dem Mauterner Rat, der durch den Passauer Pfleger Emmeram Gold (s. Kat.-Nr. 269) Unterstützung bei Bischof Urban von Passau als Stadtherrn fand, und Janer, dessen Aufkündigung des Mauterner Bürgerrechts und Ausscheiden aus dem Rat die Stadt, und dessen geänderte Rechtsstellung Bischof Urban innerhalb seines Landgerichts und Burgfriedens nicht akzeptieren wollten und auch verhinderten, daß Janer sein Mauterner Stadthaus verkaufen oder in Bestand verlassen konnte. 1582 wurde Janer, der sich bereits zuvor nach seinem Freihof „zur Jan(a)burg“ nannte, schließlich unter Besserung seines 1567 verliehenen bürgerlichen Wappens in den Adelsstand erhoben. Anläßlich der gegenreformatorischen Predigt, die Melchior Klesl am 30. April 1582 in Mautern hielt, und in deren Verfolg sich bis auf vier Ratsbürger und den Stadtschreiber alle anwesenden Pfarrangehörigen bereit erklärten, zum katholischen Glauben zurückzukehren, konnte der Mauterner Rat Klesl dazu gewinnen, sich abermals bei Bischof Urban gegen den Protestanten Janer zu verwenden. Mit dessen Zustimmung betrieb Klesl bei der NÖ Regierung die Klage des Bischofs gegen Janer, der tatsächlich unter Androhung persönlichen Arrests gezwungen wurde, seinen 1579 erlangten Freibrief in Wien vorzulegen. Schon am 5. September 1582 stellte Kaiser Rudolf eine revidierte Fassung des Freibriefs aus, in dem die Janaburg – da nicht Besitz eines Mitglieds der Landstände – nicht mehr als Landgut, sondern lediglich als freies Gut bezeichnet, und Janer – bezogen auf den Weinausschank in seinem Freihof – die Ausübung bürgerlicher Gewerbe unter sonstigem Verlust seiner Privilegien untersagt wird. Der fortgesetzte, entgegen der 1585 von Bischof Urban erlassenen gegenreformatorischen Stadt- und Kirchenordnung auch an hohen Feiertagen geübte, mittlerweile auch wieder mittels eines kaiserlichen Dekrets gebilligte Ausschank Janers brachte jedoch noch bis zum dessen Tod 1598 eine Reihe wechselseitiger Klagen hervor, wobei 1589 im Rahmen eines Endurteils der NÖ Regierung nach neun Jahren Prozeß die Stadt Mautern zum Ersatz der aufgelaufenen Gerichtskosten von 154 lb. den. verurteilt wurde.

1589 trat Janer offenbar als Zeichen der Konversion zum Katholizismus der vier Jahre zuvor vom Göttweiger Abt Michael Herrlich wiedergegründeten Further Sebastiansbruderschaft bei5). Aus Janers erster Ehe mit Anna Moser stammten zwei namentlich unbekannte, frühverstorbene Kinder (ein Sohn und eine Tochter) sowie ein Sohn Matthäus, der ebenfalls noch vor dem Vater als unverheirateter Erwachsener in Unterloiben 1587 starb. Anna starb vermutlich 1584, ihr Witwer wurde Universalerbe. Eine zweite, 1584/85 geschlossene Ehe Janers ist zwar belegbar, der Name der nach 1586 verstorbenen Frau ist jedoch unbekannt6).

Janer selbst starb kinderlos elf Wochen nach Errichtung seines Testaments im Alter von ungefähr 60 Jahren in Mautern und wurde in der Barbarakapelle der Pfarrkirche beigesetzt.

Ein nach Janers Tod vom Mauterner Pfleger Wolf Rudolf Gold von Lampoding angeregter Kauf des Freihofs durch die Herrschaft Mautern, der alle älteren, unter den Nachbesitzern prolongierten Streitigkeiten beenden hätte können, wurde nicht realisiert. Der Hof fiel nach dem Testament Janers an die Frau des aus einer Kremser Ratsfamilie stammenden Further Bürgers Karl Resch, Elisabeth, bzw. deren zweiten Mann Jeremias Alckhover.

Das in der differenzierten Materialwahl und dem qualitätvollen kleinteiligen Dekor der archi­tektonischen Rahmung zeitgenössischem Geschmack hohen Anspruchs entsprechende, besonders in den ornamentalen Teilen äußerst qualitätvolle Epitaph wurde in älterer Literatur wiederholt in den Zusammenhang einer Schule oder Werkstatt Alexander Colins eingereiht. Diese Wertung stützt sich jedoch nicht auf die für Colin gesicherten Werke, sondern vor allem auf das fast durchwegs für Colin und seine Werkstatt in Anspruch genommene Hoch- und Freigrab Hans Georgs (III.) von Kuefstein in der Pfarrkirche Maria Laach (Kat.-Nr. 377) bzw. das dort befindliche, mitunter ebenfalls Colins Schule zugeschriebene Epitaph der Anna Kirchberger (Kat.-Nr. 408). Während die Autorschaft des Hochgrabs nach wie vor ungeklärt ist, wurde für das Epitaph der archivalische Nachweis zugunsten des Kremser Bildhauers Kilian Fuchs geführt. Diesem Epitaph ist das vorliegende tatsächlich in manchen Details des zentralen Andachtsbilds ähnlich. Gerade das Auferstehungsrelief in Mautern scheint aber nicht durchwegs von einer Hand zu stammen, da die Proportionierung der hypertroph muskulösen Grabwächter in teils übersteigert manieriert verschraubter Rückenansicht dem schlanken feingliedrigen Auferstandenen qualitativ nachsteht. Von der schwächeren Hand der Grabwächterfiguren stammen wohl auch die sehr schematischen Figuren der Familie des Verstorbenen. Die Gestaltung des Rollwerks und der Fruchtfestons sowie die Formen des Vollwappens, besonders der Helmdecke, erinnern stark an die entsprechenden Details am Totenschild des Hans Wilhelm von Kuefstein in Maria Laach (Kat.-Nr. 368).

1) Ein steigendes Einhorn; geschlossener Helm; über Helmkrone zwischen zwei Büffelhörner das Einhorn des Schilds. Vgl. jedoch das abweichende Wappen Janers in Kat.-Nr. 303.
2) Fünfmal gespalten, Schrägbalken mit steigendem Wolf belegt. Vgl. jedoch das abweichende Wappen der Anna Janer in Kat.-Nr. 303.
3) Das Folgende nach Maroli, Janaburg 5–42, danach auch knapp Schweiger, Zauber 337f. und Fischer, Atlas 161. Vermutlich lebte die Familie wenigstens seit der Mitte des 15. Jh. in Höbenbach, da 1447 Thomas Jenner und dessen Frau Katharina vom Göttweiger Abt Wolfgang (II.) von Retz (s. Kat.-Nr. 367†) das teilweise verödete Meierhoflehen in Höbenbach übertragen wurde, s. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1339 (1447 Jänner 30).
4) Tatsächlich lebten Janers Eltern in einem 1569 angekauften Haus in Mautern (heute St. Pöltnerstr. 58), das sie jedoch selbst nicht erhalten konnten. Später mußten sie trotz Vorhandenseins des Janerschen Stadthauses und des neuen Freihofs als Inleute in einem fremden Haus wohnen, s. Maroli, Janaburg 12.
5) S. Maroli, Janaburg 42 und Ders., Pest- und Totenbruderschaft 283.
6) Maroli, Janaburg 39 nennt als Hinweis auf die zweite Ehe neben drei archivalischen Belegen das vorliegende Epitaph Janers. Allerdings dürfte die Darstellung der zweiten Figur von rechts im Relief der betenden Familie, mit der ganz rechts außen knienden Figur der Anna Janer identisch, aber in etwas geringerer Größe ausgeführt, analog zum auf der anderen Seite identisch, aber kleiner als der Vater ausgeführten Matthäus, auf eine jugendliche oder erwachsene Tochter, nicht auf eine zweite Frau, hindeuten.
Literatur

DASP, Nachlässe 5, Heft H, fol. 3r. – ÖKT 1, 316. – Thiel/Dungl, Mautern 313. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 188 („Vierzehn Grabsteine 1560–1769“). – Dworschak, Krems-Stein 39f. – ÖAW, NLH, 4. 7. 1958. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) Kat.-Nr. 89 (Abb. 80). – Maroli, Janaburg 40f. und 106 (Abb.). – Zotti, Kunst 1, 227 („Schule A. Colins?“). – Schweiger, Zauber 338. – Fischer, Atlas 161. – Dehio Süd 1375 („Werkstatt Alexander Colin?“). – www.burgen-austria.com/Archiv.asp?Artikel=Mautern%20-%20Janaburg (Werner Hammerl; Juli 2006; Abb.).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 338,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil3/noe-3-obj338.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 153: Epitaph des
Sebald Janer (1598)

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Abb. 154: Detail

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