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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

352 Allentsgschwendt, Fk. Hl. Laurentius 1600

Wappengrabplatte der Maria Velderndorfer, geb. Hackl von Lichtenfels, roter Marmor, an der Chorsüdwand unmittelbar an der Triumphbogenleibung, ursprünglich (bis 1902?) als Gruftplatte im Chorboden. Umlaufende Rahmung durch Hohlkehle und Stableiste, im Feld in den oberen zwei Dritteln 19-zeilige Inschrifttafel, an deren unterem Rand ein Beschlagwerklappen, in diesen zwei Eheallianz­wappen mit einem gemeinsamen Band eingehängt. Kleinere Oberflächenbeschädigungen, linke untere Ecke stark beschädigt, das (heraldisch) rechte Wappen völlig zerstört. Unterrand des Steins bei Neupflasterung des Chorbodens unter das Bodenniveau geraten.

H. 169 cm, B. 88 cm, Bu. 3 cm bzw. 5 cm (Z. 19). – Kapitalis.


Textedition
			

DERa) EDLa) [V]ND GESTRENG HERa) / WOLFa) CHRI[ST]OFa) VELDERNDORF=/FER VON WA[R]ADEINa) ZV BAVNGAR=/TENa) HAT SEINER LIEBSTENa) / GEMAHEL DER EDLE(N)a) ERNDVGE(N)T=/ REIHENa) FRAVENa) MARIAa) GEBORNE(N)a) / HAGKHLINa) VON LIEHDENFELSa) / ALS WELIHE DEN ERSTEN DAGa) / JVNIa) IM · 1600 JAR DASELBS IN / GOTa) ENTSHLAFFEN VND ALTA / IN DER KHIERHENa) ZV ALENT=/GSCHWENDa) BEGRABENa) WOR=/DENa) DISEN GRABSTEINa) ZVR / GEDEHTNVSa) AVS KANLIHERa) / LIEBa) MAHEN VND LEGEN / LASEN DER GOTa) VND VNS / ALEN EIN FRELIHEa) AVFER=/STEVNGa) VERLEIHENa) WELE / AMENb)

Anmerkungen
a) Anfangsbuchstabe vergrößert.
b) gesamtes Wort vergrößert, zentriert.

Wappen: Velderndorfer (zerstört)1); Hackl (von Lichtenfels)2).


Kommentar

Wolf Christoph Velderndorfer (auch: Völlendorfer, Fellendorfer u. a.) von Wardein zu Baumgarten und Neutenstein (geb. 1572), kaiserlicher Rat und NÖ Landrechtsbeisitzer, war der vierte Sohn des 1537 geborenen, 1584 verstorbenen und in der Pfarrkirche Mautern begrabenen österreichischen Proviantmeisters Georg (II.) Velderndorfer zu Baumgarten und dessen Frau Martha, einer Angehörigen der in den NÖ Freiherrenstand aufgestiegenen Kremser Ratsfamilie Karlinger3). In seiner Jugend in Diensten Erzherzog Ernsts in den Niederlanden stehend und später als adeliger Hartschier und Leibgarde zu Roß fungierend, war er seit wenigstens 1570 Inhaber von Allentsgschwendt, wo er 1577 den gebürtigen kroatischen protestantischen Prädikanten Georg Treffer auf die Pfarre präsentierte. 1596 heiratete er in Wien Maria Hackl von Lichtenfels, Tochter des kaiserlichen Rats und Hofzahlmeisters (1584) Peter Hackl (von Lichtenfels) und der Susanna von Paar, aus der Ehe stammte der am 1. Juli 1599 auf Burg Streitwiesen geborene Sohn Christoph Wilhelm (gest. 1650, begraben in der Pfarrkirche Albrechtsberg a. d. Gr. Krems). Maria starb am 31. Mai oder 1. Juni 1600 auf dem elterlichen Schloß Lichtenfels, wohin sie sich nach Ausbruch einer Krankheit am 3. Mai zurückgezogen hatte, und wurde am 25. Juni in der Pfarrkirche Allentsgschwendt beigesetzt. Wolf Christoph heiratete am 18. Oktober 1601 zum zweiten Mal Barbara, Tochter des Joachim Wisent zu (Unter-)Grafendorf und der Sophia Schindel (oder Schmidl) und Witwe nach Andreas Vogt von Schönau, die weitere vier Söhne, den 1603 noch in Baumgarten geborenen Georg Ehrenreich, den 1610 in Neutenstein geborenen Wolf Joachim, den wohl 1611 in Neutenstein zur Welt gekommenen Hans Ulrich und den 1612 ebenfalls in Neutenstein geborenen Hans Gottfried zur Welt brachte, und verlagerte seinen Lebensmittelpunkt offenbar in das Viertel ober Wienerwald, wo er bald nach 1600 das von seinem Schwiegervater Joachim Wisent zunächst an seinen Schwager Hans Georg Wisent, nach dessen Tod an seine Frau Barbara gefallene Schloß Neutenstein in Untergrafendorf besaß. Das ihm mittels Dekret von 1608 Mai 20, Prag, von Rudolf II. gewährte Prädikat „von und zu Neutenstein“ dürfte er in der Praxis jedoch selten geführt haben. In dritter kinderloser Ehe war er nach dem Tod der Barbara Wisent 1616 mit Eva von Neuhaus verheiratet. In der nahen Filialkirche Hl. Nikolaus in Schildberg ließ er eine in der Folge dicht belegte Gruft einbauen, in der er selbst nach seinem Tod am 6. März 1631 bestattet wurde4).

Das in der Inschrift angeführte Prädikat „zu Baumgarten“ bezieht sich nicht auf einen angeblich einst in der Nähe von Allentsgschwendt am linken Ufer der Gr. Krems an der Einmündung des Haselbachs gelegenen abgekommenen Adelssitz5), sondern auf das seit dem Spätmittelalter dem Kloster Göttweig gehörige und verschiedenen Inhabern verpfändete „Amt“ oder „Gut“ (seit dem 18. Jahrhundert Schloß) dieses Namens bei Mauternbach.

Die Gruft unter dem Chor der Pfarrkirche wurde nach dem Belegungsende erstmals 1835 geöffnet und 1902 zugeschüttet. Bestattungen konnten 1902 nicht mehr festgestellt werden6).

Die mit durchwegs breiten Einzelformen und abschnittweise unterschiedlich dichter, überwiegend aber lockerer Spationierung ausgeführte originelle Inschrift weist eine moderate Verstärkung der Senkrechten und – abweichend von der Regel – der Rechtsschrägen auf, wodurch jedoch etwa A und M völlig linear bleiben. Freie Schaft-, Balken- und Bogenenden werden mit Serifen oder kleinen dreieckigen Sporen versehen, die, soweit möglich, konsequent rechtsschräg abgeschnitten werden. B hat minimal größeren unteren Bogen, C etwa gleich weit nach rechts reichende Bogenenden, E überwiegend nur wenig verkürzten Mittelbalken, G zeigt oft eine im unteren linken Abschnitt auffällig abgeflachte Bogenlinie, wodurch die kurze senkrechte Cauda im Verhältnis zum unteren Bogenende nicht gebrochen, sondern geknickt erscheint, I trägt einen häufig in Form eines Komma ausgeführten i-Punkt, bei K schiebt sich der geschwungene und spitz zulaufende verlängerte untere Schrägschaft im Unterlängenbereich bis unter den folgenden Buchstaben, M hat konische Form mit bis zur Basislinie reichendem Mittelteil, O ist nahezu vollrund mit rechtsschräger Schattenachse ausgeführt, bei R verhält sich die geschwungene und spitz zulaufende Cauda wie der untere Schrägschaft des K, Z hat einen spitz zulaufenden und in den Unterlängenbereich ragenden geschwungenen unteren Balken, der mittlere Balken ist ebenfalls geschwungen.

1) Wohl ein von einem Balken hinterlegter Pfahl, vgl. Si NÖ 2, 463 (Völderndorff ) und Taf. 223 (Wappen II). Die tingierten Darstellungen in NÖLA, Hs. 82 passim, bzw. in NÖLA, Hs. 236/3, pag. 513 zeigen ebenso in rot einen goldenen Pfahl, von einem silbernen Balken hinterlegt.
2) Gespalten: rechts hinter Zinnenmauer eine linksgewendete gerüstete Figur, in der erhobenen Rechten einen Spieß oder eine Streitaxt; links vier Lilien (3:1) vgl. leicht abweichend Si NÖ 1, 151f. und Taf. 73 und NÖLA, Hs. 236/3, pag. 300.
3) NÖLA Hs. 82, fol. 28r, 33r, 34r, 35 und 36r, Czerwenka, Neutenstein passim und Si NÖ 2, 464f.
4) S. NÖLA, Hs. 82, fol. 35v, 36r, 41r, 42r, 43r, 44v, 59v, 83r, 100v-102v, 103, Topographie 5, 822, Czerwenka, Neutenstein passim, Biedermann, Albrechtsberg 36, Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 137 und 272 und Ders., Grabdenkmäler (2004) 165, bei Si NÖ 2, 464 als Bestattungsort fälschlich Schiltern. In die Gruft, die familienintern hohes Kohäsionspotential als Grablege entwickelte, wurde etwa auch 1665 der in Wien verstorbene Hans Gottfried überführt, während für den 1644 in Padua verstorbenen und am Sterbeort bestatteten Christoph Ehrenreich kompensierend eine Wochenmesse im Wiener Minoritenkloster gestiftet wurde. Die keine Heberinge aufweisende Gruftplatte, die eine lediglich auf den hier nach Neydtenstain vnd Waredein zubenannten Wolf Christoph bezogene Grabinschrift und dessen Wortdevise Hindvrch mit gottes hilf trägt, hat sich in Schildberg in situ im Chorboden erhalten, s. Dehio Süd 2123. Zu zeremoniellen Schwierigkeiten, die sich aus der Eheschließung Georg Ehrenreichs mit der standeshöheren Barbara Magdalena von Puchheim ergaben, vgl. Bastl, Tugend 39. Zum am 10. Dezember 1592 in den NÖ alten Ritterstand aufgenommenen Peter Hackl von Lichtenfels s. NÖLA, Hs. 236/3, pag. 301f. Seiner 1570 verstorbenen Frau Anna Mordax ließ er ein Epitaph in der Wiener Dorotheerkirche errichten, s. die kopial überlieferte Inschrift in ÖNB, Cod. Ser. nov. 12.781, pag. 238f.
5) So Bernreiter, Allentsgschwendt 27f.
6) S. NÖLA, Hs. 82, fol. 35v und Bernreiter, Allentsgschwendt 15.
Literatur

NÖLA, Hs. 82, fol. 35v. – Topographie 5, 822. – ÖKT 1, 68. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 166. – Biedermann, Albrechtsberg 36 (Anm. 32). – ÖAW, NLH, 3. 4. 1965. – Zotti, Kunst 2, 222 („Granit-Epitaph“ [!]). – Dehio Nord 8. – Bernreiter, Allentsgschwendt 14f. (Abb. zwischen 15 und 16). – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 227 (Anm. 426).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 352,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj352.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 155: Grabplatte der
Maria Velderndorfer (1600)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)