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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

486 Dürnstein, ehem. Chorherrenkloster (1572)/1640

Brunnenbecken mit Jahreszahl, feinkörniger Granit (?), in der Mitte des Klosterhofs, ursprünglich als Stadtbrunnen anstelle des Prangers vor der Klarissenkirche1), 1771 im „Schießgarten“ des Klosters an der Stadtmauer nahe der Klarissenkirche aufgestellt, am heutigen Standort nach der Mitte des 19. Jahrhunderts2). Vollrunde, am Oberrand eingezogene und gewulstete schmucklose Beckeneinfassung, an der Ostseite beiderseits eines reliefierten ledigen Wappenschilds in Lorbeerkranz je zwei Stellen der Jahreszahl in ein Spruchband eingehauen.

Bu. 5–7 cm.


Textedition
			

1.6.//40a)

Anmerkungen
a) von Wappenschild unterbrochen.

Wappen: unkenntlich.


Kommentar

Der Brunnen gilt in älterer Literatur als eine Stiftung des Christoph Wilhelm von Zelking als Inhaber von Dürnstein (seit 1609) an die Stadt1). Allerdings weist der lorbeerumkränzte Wappenschild mit roßstirnartiger Grundform und rollwerkartig aufgebogenen Rändern stilistisch in die letzten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts. Tatsächlich sind auch die Ziffern der Jahreszahl offensichtlich teilweise sekundär überarbeitet. Während die als schlichter Schaft mit breiten dreieckigen Sporen für 1640 sehr konservativ anmutende 1 vom ursprünglichen Bestand erhalten geblieben ist, lassen der auffällig stark gebrochene freie obere und der mit geringerer Stärke und seichterer Kerbe eingehauene linke untere Bogenabschnitt sowie der insgesamt auffällig tropfenförmige geschlossene Bogen der folgenden 6 die ursprünglich eingehauene 5 noch deutlich erkennen. Die für 1640 ebenso konservativ wirkende und asymmetrisch ausgeführte schlingenförmige, eckige und oben flache 4 entstand sichtbar aus der wiederum seichter und schwächer ausgefallenen Hinzufügung eines steilen, den zweiten Schaft überkreuzenden Linksschrägschafts zur älteren 7. Die letzte Ziffer bereitet Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion des älteren Bestands: die nun sichtbare, gegenüber den anderen Ziffern verkleinerte vollrunde 0 zeigt am Scheitelpunkt und beiderseits in der oberen Hälfte kleine sternförmig nach außen weisende Häkchen, wohl Reste von Sporen der älteren Ziffer, die sich vielleicht als sehr spitze 2 denken läßt. Die Steinoberfläche im Binnenraum der 0 wurde jedenfalls soweit abgearbeitet, daß keine Schaftreste mehr zu sehen sind. Ein links unten angesetzter kurzer Bogen ist nicht als Bestandteil einer älteren Ziffer zu deuten. Ist die Ergänzung der letzten Ziffer zu 2 korrekt, würde die ursprüngliche Jahreszahl den Herrschaftsantritt Reichard Streuns bezeichnen, der demnach korrekt statt dem Zelkinger als Auftraggeber des Brunnens zu nennen wäre. Dieser Vermutung nach dürfte auch das ursprünglich zweifellos vorhandene Wappenbild das der Streun gewesen sein. Im durch die genannten Adaptierungen zuletzt inschriftlich bezeichneten Jahr kaufte Propst Nikolaus Hey nach längeren Auseinandersetzungen um die Benützung der Klosterbrunnen durch die Stadt Dürnstein aus deren Besitz einen wohl mit dem beschriebenen Brunnenbecken identischen „stainen prunkhor“ um 40 fl. Zu jenem Zeitpunkt befand sich der Brunnen in der Stadt „am plaz auf der weiden“, also dem heutigen Prangerplatz vor dem Klarissenkloster. Vermutlich wurde er von Hey nach Abänderung der älteren Jahreszahl und Zerstörung des ursprünglichen Wappenbilds zunächst im alten Klosterhof aufgestellt, wo er sich jedoch schon zu Übelbachers Zeiten (um 1720) nicht mehr befunden haben dürfte. 1771 wurde er im „Schießgarten“, der ehemaligen, von Hieronymus Übelbacher zu einem Lustgarten mit Schießplatz für das Chorherrenkloster umgestalteten Klausur des abgetragenen Klarissenklosters aufgestellt, wo er sich noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts befand2).

1) S. etwa Hofmann, Dürnstein 31.
2) Pühringer-Zwanowetz, Baugeschichte 180. Zum noch im 19. Jahrhundert so bezeichneten „Schießgarten“ auf dem Gelände des ehemaligen Klarissenklosters vgl. Biélsky, Tirnstein 178.
Literatur

Riedel, Dürnstein 7. – Hofmann, Dürnstein 31. – ÖAW, NLH, 28./29. 8. 1962. – Dehio Nord 130. – Waldstein/Semrad, Wachau 160 (Farbabb.).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 486,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj486.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Dürnstein, ehem. Chorherrenkloster    •  Brunnenbecken  •  Jahreszahl  •  Hey, Nikolaus  •  Streun von Schwarzenau, Reichard  •  Übelbacher, Hieronymus  •  Zelking,  •  Dürnstein, Augustiner-Chorherrenkloster

Abbildungen

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Abb. 198: Brunnenbecken
(1572/1640), Detail
©  Bundesdenkmalamt, Wien, Fotoarchiv