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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

367† Göttweig, alter Kapitelsaal (1564–1603?)

Idealporträt des Göttweiger Abtes Wolfgang (II.) von Retz, bis 1719 im Kapitelsaal (Barbarakapelle) im Ostflügel des alten Kreuzgangs. Darstellung eines Abtes mit weißer Stola um die Schultern und Ring am Zeigefinger samt erklärender Beischrift.

Beschreibung und Textwiedergabe nach StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 134.


Textedition
			

XXXIII. Wolfgangus de Rez. El(ectus) an(nno) MCCCCXLIX. Obtinuit a Nicolao Papa quinto, ut Abbas Gottwicensis in officys divinis dare possit Benedictionem Solemnem more Pontificum. Sedit annis XIII.

Anmerkungen

Der 33. (Abt): Wolfgang von Retz. Gewählt im Jahr 1449. Er erreichte von Papst Nikolaus V., daß der Abt von Göttweig bei den Gottesdiensten einen feierlichen Segen nach Art der Bischöfe erteilen darf. Er regierte 13 Jahre.


Kommentar

Wolfgang (II.) von Retz wurde im September 1444 als Nachfolger des nur kurze Zeit regierenden Johannes (IV.) zum 32. Abt von Göttweig gewählt. Bereits am 29. desselben Monats ließ er ein neues Geldregister, am 18. Oktober ein neues Grundbuch, 1447/48 ein neues Kopialbuch („Registrum omnium privilegiorum […]“) anlegen. 1446 tauschte er mit Jörg (d. Ä.) Scheck von Wald (s. Kat.-Nr. 65) den halben Zehent des Klosters in Ottenschlag gegen den Steinfelderhof in Katzenberg und überließ demselben im Folgejahr die Getreidezehenten des Klosters in den Pfarren Kilb, Bischofstetten und St. Margarethen a. d. Sierning sowie das „Stainhaus“ in Kilb gegen 70 lb. den. und einen Ochsen jährlich auf zehn Jahre in Bestand, ebenso die Zehenten in Gansbach und Umgebung um jährlich 36 lb. den. Unter Wolfgangs Regierung ging Göttweig die Konföderation mit Tegernsee ein (1448). 1448 bezahlte er 800 fl. als Göttweiger Anteil an der Kontribution des Prälatenstands zur Heimsteuer von insgesamt 14.000 fl. für Herzogin Anna anläßlich der Vermählung mit Herzog Wilhelm III. von Sachsen. In der Klosterkirche ließ Abt Wolfgang einen neuen Hochaltar errichten, den der Passauer Weihbischof Sigismund von Salona 1456 weihte. Die von Nikolaus von Kues für den Bereich der Salzburger Kirchenprovinz eingesetzte Visitationskommission der Benediktinerklöster, Abt Martin vom Wiener Schottenkloster, Abt Lorenz von Klein-Mariazell und Stephan von Melk bzw. Johannes Schlitpacher, war in Göttweig vom 25. Juni 1451 an ein Monat lang tätig und stellte dem Kloster in Hinblick auf die Forderungen der Melker Reform ein schlechtes Zeugnis aus. Im Jahr 1454 wurde Abt Wolfgang aus unklaren Gründen, möglicherweise jedoch im Zusammenhang mit der rigorosen Umsetzung der von den Visitatoren eingemahnten Reformpunkte vom Göttweiger Konvent gefangengesetzt. Nach seiner Enthaftung suchte Wolfgang bei Papst Nikolaus V. um Genehmigung seiner Resignation und Beteilung mit den Pfründen der dem Kloster inkorporierten Pfarre St. Veit a. d. Gölsen und den Zehenten in St. Veit und Hainfeld an. Nach seiner schließlich am 10. März 1457 erfolgten Resignation bezog Wolfgang bis 1464 tatsächlich die zur Aufrechterhaltung eines gehobenen Lebensstils ausbedungenen Einkünfte sowie drei Dreiling Wein jährlich aus dem Amt Königstetten, danach erhielt er den Göttweigerhof in Wien (ehem. im Bereich der Weihburggasse gelegen, vor 1532 zur Deckung der Türkensteuern verkauft) mit Ausnahme der für den Abt dienenden Räume leibgedingsweise zugesprochen. Wolfgang, der wenigstens seit dem 23. April 1466 wieder in Göttweig lebte, starb am 11. Februar des Jahres 1467 oder eines späteren Jahres1).

Zur Serie von Äbtebildern, zu denen das vorliegende Gemälde offenbar gehört hatte, s. ausführlicher Kat.-Nr. 365†. Die Datierung ergibt sich aus der Regierungszeit des mutmaßlichen Auftraggebers Abt Michael Herrlich. Offenbar hatte um 1600 noch ein weitere Darstellung Abt Wolfgangs (II.) aus einer zweiten Serie von Äbtebildern existiert2).

Bessel bezog das Memoriengrabmal Abt Wulfings (Wolfgangs, I.) von Altenburg (Kat.-Nr. 521†) aufgrund seiner Anbringung in der erst nach Wolfgang errichteten Gotthardskirche wohl fälschlich auf Wolfgang von Retz3). Die in der vorliegenden Inschrift erwähnte Papsturkunde Nikolaus’ V. (1452 April 23) stellt nur eine von drei am selben Tag für Göttweig ausgestellten päpstlichen litterae cum serico dar: neben der inschriftlich referierten Erlaubnis zur Erteilung eines feierlichen Segens durch den Abt in Abwesenheit des Diözesans verlieh Nikolaus, der bereits im Vormonat das Kloster, dessen Gebäude in diesem Zusammenhang als baufällig bezeichnet wurden, mit einem Ablaß begabt hatte, den Besuchern des Klosters zu bestimmten Festtagen einen weiteren Ablaß, erneuerte das ältere Exemtionsprivileg Göttweig und erteilte dem Frauenkonvent die Erlaubnis, außerhalb der Fastenzeit dreimal wöchentlich Fleisch zu verzehren4).

1) S. StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), pag. 6f., Ders., StiB Göttweig, Cod. rot 896, fol. 63–64r (Nachzeichnung zweier Abtsiegel), NÖLA, Privaturk. 4735 (1448 Dezember 20, Wien), Dungel, Göttweig 547–549, Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1328 (1446 Mai 15), 1338 (1447 Jänner 8), 1353f. (1448 November 13, Tegernsee bzw. 1448 Dezember 18, Göttweig), 1397 (1454 Mai 23, Rom), und Hödl, Göttweig 93–95. Da aufgrund der Kriegsereignisse im Kremser Raum die Wolfgang von Retz zugesprochenen Einkünfte jedoch über mehrere Jahre nicht in vollem Umfang lukriert werden konnten, klagte dieser gegen seinen Amtsnachfolger. 1464 entschieden vier Spruchleute dahin, daß Wolfgang die St. Veiter Einkünfte mit 13. Oktober dem Kloster zurückstellen und dafür den Göttweigerhof in Wien erhalten sollte, s. Dungel, Göttweig 552 und Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1630 (1464 September 30, Göttweig), 1634 ([1464 Oktober 13]), 1672 (1465 März 8, Wiener Neustadt), 1679 ([1465 März 8–22, Göttweig]), 1680f. (1465 März 22, Göttweig). StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), pag. 6f., datiert die Konföderation mit Tegernsee fälschlich zu 1448 November 22. Zum Kopialbuch („Codex C“, StiA Göttweig A II 3) s. Fuchs, Urkunden (1901) XII–XV und 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 12c (Christine Tropper). Eine in der genannten Literatur mitunter kolportierte Anwesenheit Aeneas Silvius’ 1453 im Kloster, der damals eine Handschrift von Jordanes’ Getica eingesehen habe, beruht auf Verwechslung mit späteren Recherchen des Trienter Bischofs Johannes Hinderbach, s. Fuchs, Urkunden (1902) Nr. 1845 (1475 April 30, Trient) und 1856f. (1475 Dezember 13, Göttweig bzw. 1476 März 8, Trient). Hinderbach ersuchte um Zusendung mehrerer Göttweiger Handschriften zu Studienzwecken, bzw. um Abschriften anfertigen zu lassen. Hinderbachs Interesse galt u. a. der Göttweiger Hausüberlieferung zu Bischof Altmann von Passau, den Hinderbach anfangs mit Altmann von Trient verwechselte, und Materialien zur Geschichte der Goten. In diesem Zusammenhang schrieb Hinderbach, daß er eine Göttweiger Jordanes-Handschrift im Rahmen der Legation Kardinal Bessarions (wohl um 1463) in Göttweig habe abschreiben lassen.
2) S. die Aufzeichnungen Job Hartmann Enenkels (vor 1603) in NÖLA, Hs. 78/3, pag. 400 („Catalogus abbatum monastery in Gothwico, veluti ibi depicti videndi sunt“). Im Rahmen dieser Reihe von Äbtebildern (vgl. ausführlicher Kat.-Nr. 365†) war Wolfgang jedoch fälschlich als 31. Abt mit einer Regierungszeit von 1432 bis 1444 gezählt worden. Schenggl gibt für „antiquae quaedam effigies abbatum“ vor 1719 einen Standort im Chor der Barbarakapelle an, s. StiA Göttweig Cod Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 134.
3) StiB Göttweig, Cod. rot 668 (Bessel, Chronicon Gottwicense Tom. II.) lib. V, cap. 5, Quaternio 69, in diesem Sinn zuletzt noch Fischer, Atlas 55. Zu Wolfgang von Retz s. weiters Dungel, Göttweig 547–549 und Zedinek, Göttweig 66f. und 70.
4) S. Dungel, Göttweig 548, Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1377 (1452 März 25, Rom) und 1379–1382 (1452 April 23, Rom) und Hödl, Göttweig 107 und 218 sowie Andraschek-Holzer, Frauenklöster 109. Das vom selben Tag datierende Exekutionsmandat Nikolaus’ an den Bischof von Spoleto, den Melker Abt und den Propst von St. Stephan in Wien, die Exemtion Göttweigs durchzuführen, ist offenbar nur in den Vatikanregistern überliefert, s. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 1383 (1452 April 23, Rom).
Literatur

StiB Göttweig, Cod. rot 891, fol. 210v.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 367,
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Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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