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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

375† Zeißing Nr. 1 („Wasserhof“, ehem. Schloß) 1606

Wappen mit Bild- und Wortdevise und Namensbeischrift, Wandmalerei, ehemals an einer Zimmerdecke im Obergeschoß (?) des Schlosses, vor 1835 (?) zerstört. Tingierter (?) Wappenschild, anstelle des Oberwappens Devise des Hans Ludwig von Kuefstein: Nixe mit blauem Schwanz und Spruchband (I). Unter dem Schild zweizeilige Namensinschrift (II).

Kapitalis und Fraktur (?).

Beschreibung und Textwiedergabe nach StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 109r (aquarellierte Federzeichnung).


Textedition
			

I. DE VNDAS . PASSADA ESTOY . POR ELLAS PASSANDO VOY. II. Hans Ludwig Kueffsteiner / A(nn)o 1606

Wappen: Kuefstein1).


Kommentar

Hans Ludwig von Kuefstein2) wurde am 11. Juni 1582 als jüngster der vier die Kindheit überlebenden Söhne Hans Georgs (III.) von Kuefstein und der Anna Kirchberger (s. Kat.-Nr. 377 und 408) auf Schloß Greillenstein geboren. Bereits 1590 begleitete er seine älteren Brüder an den Prager Hof, wo er bis 1593 lebte. Am 9. August 1594 inskribierte er an der Universität Jena, wo er sich bis 1597 aufhielt. Eine spätere Kavalierstour führte ihn 1600 nach Padua, im Folgejahr nach Bologna und Siena, wo er jeweils an der Universität, einmal an der Juristen- (Padua, 4. August 1600), einmal an der Artistenfakultät, inskribierte (Bologna 9. April 1601, Siena 21. Mai 1601). 1603 besuchte er in Begleitung des späteren kaiserlichen Arztes Dr. Johannes Braun Spanien, wo er sich eingehende und prägende Sprachkenntnisse aneignete. Im Rahmen der im selben Jahr vorgenommenen Erbteilung mit seinen Brüdern fiel ihm das Schloß Zeißing mit der Herrschaft Maria Laach und Besitz in Schwallenbach zu, den er aber 1617 an seinen Bruder Hans Lorenz verkaufte. Das Schloß Buchberg am Kamp, vor 1615 Witwensitz seiner Mutter Anna, verkaufte er 1626 an Benedikt Schifer. In erster Ehe heiratete er 1607 die 1623 verstorbene Maria Grabner (s. Kat.-Nr. 395), in zweiter Ehe war er seit 1623 mit der 1602 geborenen Susanna Eleonora, Tochter Georg Hartmanns von Stubenberg und der Dorothea von Thannhausen, vermählt, die ihn um zwei Jahre überlebte und im Alter von 56 Jahren am 2. September 1658 starb. Aus beiden Ehen stammten je 15 Kinder. Während alle Kinder aus der ersten Ehe im Kindesalter starben, überlebten aus der zweiten Ehe neun Nachkommen.

Aus protestantischer Familie stammend, übte der karrierebewußte Hans Ludwig bis 1620 zahlreiche Ämter (u. a. 1614/16 NÖ Herrenstandsverordneter) im Dienst der evangelischen Stände unter der Enns aus, erkannte jedoch die realpolitischen Zeichen der Zeit und leistete – zuvor Mitglied des Horner Direktoriums – gerade noch rechtzeitig offenbar am 19. Juli 1620 im Rahmen einer Audienz bei Kaiser Ferdinand II. nachträglich die Erbhuldigung in Wien und erlangte kaiserlichen Pardon. Schon am 15. Dezember 1620 wurde er NÖ Regimentsrat, erhielt in der Folge katholischen Glaubensunterricht, angeblich vom Beichtvater Kaiser Ferdinands II., Wilhelm Lamormaini, und konvertierte zur nachhaltigen Erschütterung des evangelischen Adels am 27. September 1627 in Wien öffentlich zum Katholizismus, indem er nach dem römischen Ritus lediglich unter der eucharistischen Gestalt des Brots kommunizierte. Fast unmittelbar darauf wurde Kuefstein, der mit seiner erst am Vortag konvertierten Frau am 2. Jänner 1628 am Prager Hof unter Patenschaft des Kaisers und seiner Gemahlin eilig das Sakrament der Firmung empfing, zum kaiserlichen Orator einer Großbotschaft zu Sultan Murad IV. nach Konstantinopel ausgewählt, von der er erst am 8. Dezember 1629 wieder nach Wien zurückkehrte. Eine am 17. Februar 1629 in der Heimat geborene und schon am 19. April des Folgejahrs wieder verstorbene Tochter wurde von Kardinal Melchior Klesl in Anspielung auf die Tätigkeit des Vaters in der Residenzstadt des Osmanischen Reichs Constanti(n)a getauft. Die erfolgreiche Tätigkeit Kuefsteins im Osmanischen Reich bewirkte die Ernennung des Zurückgekehrten zum Landeshauptmann ob der Enns nach dem Tod Adams Grafen von Herberstorff 1630 sowie die Ernennung zum Geheimen Rat und die Erhebung in den erblichen Reichsgrafenstand am 20. Februar 1634, nachdem Hans Ludwig eine Ernennung zum Landmarschall unter der Enns 1632 ausgeschlagen hatte. Um 1640 wurden ihm für seine Dienste 12.000 fl. Gnadengeld bewilligt, 1644 wurde ihm das Prädikat „hoch- und wohlgeborn“ zuerkannt, was im Rahmen der stets schwelenden symbolischen Präeminenzstreitigkeiten des Hofadels zu Auseinandersetzungen führte, am 22. Mai 1645 der Kämmerertitel verliehen3). Der Lebensmittelpunkt Kuefsteins verlagerte sich seit 1630 immer mehr nach Linz4), wo er 1641 in der Landhauskirche (Minoritenkirche) eine beim spätbarocken Umbau zerstörte Familiengruft samt beschrifteter Gruftplatte einrichten ließ, und am 27. September 1656 im Alter von 74 Jahren starb.

Von beiden großen Gesandtschaftstätigkeiten Kuefsteins, der Entsendung an die Hohe Pforte im Auftrag Kaiser Ferdinands II., und der 1619 noch im Auftrag der evangelischen Stände der österreichischen Erzherzogtümer unternommenen Reise zum Nürnberger Reichstag existieren umfangreiche, auch als Selbstzeugnisse hochinteressante schriftliche Berichte bzw. Diarien, von der Reise nach Konstantinopel auch zwei Bilderserien. Literarisches Interesse ließ Hans Ludwig wie viele seiner Standesgenossen selbst dichterisch tätig werden und neben Seneca-Briefen zwei spanische Romane ins Deutsche übersetzen und im Druck publizieren, die arkadisch-idyllische „Diana“ des um 1561/62 verstorbenen Jorge de Montemayor (1619 in Nürnberg und Linz bei Michael Ender als „Erster und anderer theil der neuen verteutschten schäfferey von der schönen verliebten Diana“ erschienen, 1646 von Philipp Harsdörffer auf Kuefsteins Grundlage neu übertragen) und den erstmals 1492 erschienenen „Cárcel de Amor“ des Diego di San Pedro als „Carcell de Amor oder gefängniß der lieb“ (1625 und 1630 gedruckt bei Michael Wachsmann in Leipzig, 1660 bei Michael Pfeiffer in Hamburg), was seine spanische Impresa (s. Kat.-Nr. 376) über die zeittypisch weit verbreitete Vorliebe für die spanische Sprache hinaus verständlich macht.

Als Ruine des ehemaligen, von Hans Ludwig ebenso wie das Schloß Buchberg offenbar aufwendig umgebauten Schlosses Zeißing wurde in der Literatur häufig ein bereits im 19. Jahrhundert weitgehend zerstörter, heute in der Gliederung stark vereinfachter Rest der Straßenfassade eines ehemals dreigeschossigen Gebäudes mit Ecktürmchen unmittelbar am Klafterbach in Zeißing angesehen, während das auf der anderen Bachseite stehende, mit vier Trakten um einen rechteckigen Hof geschlossene Gebäude (ehem. sogenannter „Wasserhof“, Zeißing Nr. 1) als früherer Wirtschaftshof des Schlosses gilt. Alois Plesser interpretierte jedoch nicht ohne Gründe den mehrfach umgestalteten, aber unter anderem im Erdgeschoß immer noch Reste einer qualitativ hochwertigen Renaissance­stuckausstattung aufweisenden aufrechten Baukörper als den eigentlichen, ursprünglich mit einem Wassergraben umgebenen Herrensitz, wogegen er die sonst als Schloßruine geltenden Reste als Ruine einer erst 1611 (vgl. Kat.-Nr. 398†) errichteten Herrschaftsmühle deutete5).

Dieselbe in Zeißing am Portal des aufrechten Gebäudes – der Funktion als Herrensitz völlig entsprechend – auf einem Wappenstein (Kat.-Nr. 376) noch original erhaltene Wort- und Bilddevise Hans Ludwigs findet sich auch auf einem 1615 datierten Stein aus dem Schloß Buchberg, ehemals am Tor zum Schloßgarten, heute am Haus Nr. 4 (ehem. Amtsgebäude) sekundär eingemauert6).

1) S. Si OÖ 162 und Taf. 48 (Wappen I) bzw. NÖ 1, 249 (Kueffstein) und Taf. 129 (Stammwappen).
2) Zur Biographie Hans Ludwigs s. vor allem Welsersheimb, Kuefstein, knapp zusammenfassend Reingrabner, Adel (1976) 44f., Winkelbauer, Fürst 128f., zuletzt Kren, Grablege 243f.; einzelne faktische Daten in der genealogischen Tabelle in NÖLA, Herrenstand Kk Nr. 35, fol. 159/172, in NÖLA, Hs. 236/1, pag. 1028f., bei Wolf, Bilder 245–305 (fehlerhaft), Luschin, Oesterreicher (1881) 84 und Starzer, Beiträge 435f. (beide mit falschem Geburtsjahr 1587), zur kaiserlichen Großbotschaft an Sultan Murad IV. 1628 und den damit zusammenhängenden Bilderserien besonders Teply, Großbotschaft und Grothaus, Kuefstein, zu den schriftlichen Berichten und Übersetzungen Kuefsteins s. die mittlerweile überholte Darstellung bei Wolf, Bilder 238–305 (mit orthographisch und sprachlich modernisierten Auszügen aus Kuefsteins Aufzeichnungen), Welsersheimb, Kuefstein und jetzt v. a. ausführlich Tersch, Selbstzeugnisse 647–677. Zu inschriftlichen Zeugnissen der Gesandtschaft Kuefsteins vgl. Teply, Großbotschaft 46 (eingehauene Namensinschrift an der „Säule des Pompeius“ auf einer Felseninsel am Bosporus). Zur Sorge Kuefsteins um die Gestaltung der Sargtafel seines 1619 verstorbenen Schwagers Hans Leopold Grabner von Rosenburg s. Zajic, Zu ewiger gedächtnis aufgericht 39, Anm. 99. Der bei Bastl, Lebenslauf 456 (Kat.-Nr. 19.11) irreführend als „Grabtafel“ beschriebene und abgebildete Kupferstich könnte ein am Ende der Trauerfeierlichkeiten unter den Gästen verteilter Druck sein. Am 8. Mai 1630 fungierte er zusammen mit Erasmus von Gera als Taufpate des Hans Erasmus, vierter Sohn des Konstantin Grundemann von Falkenberg zu Streitwiesen, Vizedom ob der Enns, und der Cäcilia von Altenau, im Folgejahr am 30. Mai wiederum mit Gera und Wenzel Reichard von Sprinzenstein als Taufpate des fünften Sohnes desselben Paars, Ferdinand Wilhelm, s. Handel-Mazetti, Miscellaneen 456 und 479.
3) Vgl. Hengerer, Kaiserhof 555, 568 und 615. Der Kämmererschlüssel ist auch auf dem Porträt Hans Ludwigs in Greillenstein entsprechend gut sichtbar dargestellt, vgl. Polleroß, Bildnis 1011.
4) Zu einem zwischen 1633 und 1636 im Besitz Hans Ludwigs befindlichen Linzer Freihaus zwischen den Freihäusern der Salburg und der Geymann (heute Tummelpl. 16) vgl. NÖLA, Privaturk. 5006 (1636 Juni 17, Linz), Kreczi, Häuserchronik 32–34 und Grüll, Freihäuser 126–131. Das um 1630 angekaufte und 1634 um die Nachbarparzelle vergrößerte Freihaus (heute) Klammstr. 3 und 5 blieb bis etwa 1750 im Familienbesitz, vgl. Grüll, Freihäuser 211–215. Zum Eferdinger Freihaus Hans Ludwigs (zwischen 1637 und 1654, heute Stadtpl. 32) s. Forster, Bürgerhaus 476f. Zu den obderennsischen Erwerbungen Hans Ludwigs vgl. Si OÖ 163.
5) S. Plesser, Kirchengeschichte (1939) 598f. mit knapper Darstellung der Besitzgeschichte im 19. Jahrhundert. Auch Tschischka, Kunst 107, beschrieb 1836 den „Wasserhof“ als das ehemalige Schloß. Hans Tietze wertete dagegen die Ruine der Mühle als Schloß, das Schloß als Wirtschaftsgebäude s. ÖKT 1, 35 und 284f. Ältere Ansichten des Schlosses scheinen nicht zu existieren. Die handschriftlich als „Zaissing“ überschriebene Ansicht in einer Kompilation zur Familien- und Besitzgeschichte der Hackelberg-Landau von 1702 als spätere Inhaber des Schlosses ist tatsächlich die Vischer-Ansicht des mit Schloß Zeißing typologisch verwandten ehemaligen Adelssitzes Reitzenschlag, s. NÖLA, Herrenstand Kt. XXV, Nr. 3 (Genealogische nachricht […] deren herren von Häckhlberg […]) fol. 76r (ausgeschnittener und aufkaschierter Kupferstich). Für die Identifizierung der Ansicht danke ich herzlich Ralph Andraschek-Holzer (St. Pölten), vgl. übrigens zur Wiederverwendung älterer Ansichten Andraschek-Holzer, Geschichte 257 (Anm. 2).
6) Vgl. zum ursprünglichen Standort Topographie 2, 248 und Dehio Nord 84. Zum Ankauf des Schlosses Buchberg durch Hans Georg (III.) von Kuefstein s. Kat.-Nr. 377. Ein mit dem Kuefsteiner und dem Grabner-Wappen und der Jahreszahl 1614 versehener frühbarocker Taufstein aus der Buchberger Schloßkapelle befindet sich seit vor 1907 in der Pfarrkirche Tautendorf, s. ÖKT 1, 548 (Fig. 456) und Dehio Nord 1146.
Literatur

StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 109r (aquarellierte Federzeichnung: Wappen tingiert, Nixenschwanz blau; vermutlich jedoch freie Wiedergabe). – Plesser, Kirchengeschichte (1939) 598 („im oberen Stocke […] getäfelte[r] Plafond mit seinem [Hans Ludwigs] Wappen und der Jahrzahl 1606“). – ÖAW, NLH, 23. 8. 1962.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 375,
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Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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